Nach einer Explosion bei einer Wasserstofftankstelle in Norwegen sind zahlreiche weitere Wasserstoff-Tankstellen laut Medienberichten erst einmal geschlossen worden.
Die Wasserstofftankstelle in Sandvika, einem Vorort von Oslo, war am Montagabend in Brand geraten und in der Folge muss es zu einer Explosion gekommen sein.
In der Nähe des Unfallortes wurden zwei Insassen eines Autos leicht verletzt, weil laut Berichten durch die Wucht der Explosion die Airbags des Fahrzeugs ausgelöst wurden.
In einer offiziellen Stellungnahme des norwegischen Nel-Konzerns heisst es:
Die Unfallursache ist noch unklar.
Zum Kühlen der Wasserstofftanks musste ein Löschroboter eingesetzt werden. Erst nachdem mit einer Drohne das Risiko weiterer Explosionen hatte abgeklärt werden können, wurde der Verkehr am darauf folgenden Tag wieder freigegeben.
Man muss unterscheiden zwischen konkreten Massnahmen, die wegen des Unfalls getroffen wurden, und einem allfälligen Image-Schaden, den die Wasserstoff-Branche erleidet.
Die explodierte Selbstbedienungs-Tankstelle wird von der norwegischen Reitan-Gruppe unter der Marke Uno-X betrieben, wie futurezone.at berichtet. Die Komponenten wurden vom norwegischen Hersteller Nel produziert, Gaslieferant ist Praxair (heute Teil des Technologie-Konzerns Linde).
Nel habe für mehr als 50 Wasserstoff-Tankstellen in neun Ländern Komponenten geliefert. Als Reaktion auf den Unfall teilte das Unternehmen mit, dass alle Tankstellen geschlossen würden bis zum Ende der Ermittlungen.
Der grosse börsennotierte Wasserstoff-Technik-Konzern geriet an der Börse unter Druck, die Aktie verlor massiv an Wert. Auf der Website des Unternehmens heisst es:
Nel habe seine zehn weiteren Wasserstoff-Stationen geschlossen, in Norwegen, Dänemark und anderen Ländern, berichtete Welt Online am Mittwoch.
Hydrogen Fueling Station Explodes in Sandvika, Norway. #Hydrogen #FCEV https://t.co/XobkvQE0sV via @insideevs.com
— 💧Make The Next Step (@MakeTheNxtStep) June 12, 2019
Auch Deutschland ist betroffen: «Als reine Vorsichtsmassnahme» seien vier der bundesweit 70 Wasserstofftankstellen geschlossen worden, liess das Firmenkonsortium H2 Mobility Deutschland am Mittwoch verlauten.
Dabei handelt es sich um Stationen in Bremen, Hamburg, München und Rostock, die mit der Betankungstechnik des Wasserstoff-Tankstellenausrüsters Nel arbeiten.
Die Hersteller Toyota und Hyundai haben in Norwegen die Auslieferung von Brennstoffzellenautos vorübergehend eingestellt, da diese zurzeit nicht betankt werden können.
Konkrete Massnahmen sind keine bekannt. Und laut einem Branchen-Vertreter auch gar nicht erforderlich.
Rolf Huber ist Verwaltungsrats-Präsident der H2 Energy AG, einer Firma, die Wasserstoff aus erneuerbarer Energie «zu einem Grundpfeiler des Energiesystems» machen will.
Auf Anfrage erklärt der ETH-Ingenieur:
Und wie beurteilt Huber das Risiko, dass eine Wasserstoff-Tankstelle explodieren könnte?
Um eine schriftliche Stellungnahme gebeten, antwortet der Fachmann:
Die Einschätzung des Experten wird durch die Angaben auf der Nel-Website bestätigt. Nicht die Tankstelle selbst explodierte, es entzündete sich ausgeströmtes Gas.
In Norwegen war in Medienberichten und von Anwohnern von einer Explosion die Rede ...
A hydrogen filling station in Sandvika a few km from my home just exploded. Airbags in nearby cars activated. The busy E18 and E16 intersection closed off. Long queues. People on the beach nearby are not allowed to leave the beach. https://t.co/lts8F4TT5x
— Dag Øien (@dagoien) June 10, 2019
Ein Vertreter von Hyundai betonte laut Bericht von golem.de, es gebe keinen Grund, die Sicherheit von Brennstoffzellenautos grundsätzlich infrage zu stellen.
Auch der betroffene Wasserstoff-Technik-Konzern Nel schreibt, seine Wasserstoff-Stationen seien so sicher wie herkömmliche Tankstellen für Diesel und Benzin. Die europäische H2-Station sei von branchenführenden Drittanbietern zugelassen und entspreche allen relevanten europäischen und internationalen Normen und geltenden Richtlinien.
Anfang Juni informierte Hyundai, dass in den nächsten vier Jahren 1000 H2-Elektro-Nutzfahrzeuge in der Schweiz eingeführt und in Betrieb genommen werden. Bis dahin solle auch ein flächendeckendes Tankstellennetz entstehen, womit dem Durchbruch von wasserstoffbetriebenen Nutzfahrzeugen und Personenwagen nichts mehr im Weg stehe.
Der Förderverein H2 Mobilität Schweiz, in dessen Vorstand grosse Unternehmen wie Migros und Coop vertreten sind, verfolgt das Ziel, bis 2023 ein flächendeckendes Netz von Wasserstofftankstellen in der Schweiz aufzubauen.
Laut Website der H2 Energy AG liegen nun die Baubewilligungen für mehrere Wasserstoff-Tankstellen im Schweizer Mittelland vor.
Rolf Huber von H2 Energy präzisiert auf Anfrage, dass bis Ende 2019 vermutlich noch zwei öffentlich zugängliche Wasserstoff-Tankstellen eröffnet würden. Im nächsten Jahr sollen fünf bis zehn weitere Stationen gebaut werden.
Die erste (und bislang einzige) öffentliche Wasserstoff-Tankstelle des Landes wurde im November 2016 in Hunzenschwil AG eröffnet. Von der Coop Mineralöl AG und beteiligten Unternehmen.
Noch ein bisschen früher, im Oktober 2016, hatte die Eidgenössische Materialforschungsanstalt Empa auf ihrem Areal in Dübendorf ZH die allererste Wasserstoff-Zapfsäule des Landes in Betrieb genommen.
Der Strom für die Wasserstoff-Produktion in Hunzenschwil stammt von einem sogenannten Laufwasserkraftwerk in Aarau. Das heisst, es werden weder das klimaaktive Treibhausgas CO2 noch andere Schadstoffe ausgestossen.
Dieses umweltfreundliche Prozedere war auch bei einem anderen Projekt vorgesehen, das allerdings scheiterte.
In Glattfelden ZH wurde im März 2016 ein Bauvorhaben von Coop und dem Schweizer Energiekonzern Axpo gestoppt. Die beim Kraftwerk Rheinsfelden geplante Produktionsanlage für Wasserstoff kam nicht zustande. Aus wirtschaftlichen Gründen, wie die Verantwortlichen verlauten liessen.
Doch gab es auch Widerstand aus der Bevölkerung. Private und die Umweltschutzorganisation Pro Natura hatten den Baurechtsentscheid verlangt, es drohten Rekurse. Die Regionalzeitung «Zürcher Unterländer» schrieb:
Geplant war, mit dem umweltfreundlich produzierten Wasserstoff die Nutzfahrzeugflotte von Coop zu versorgen. Kritiker bemängelten, dass der klimaneutrale Stoff per Lastwagen Hunderte Kilometer weit transportiert werden sollte.
In der Region Brugg AG waren ab 2011 bis zu fünf Brennstoffzellen-Postautos im Linienbetrieb eingesetzt worden. Das Pilotprojekt endete 2016. Die erste Schweizer Wasserstoff-Tankstelle für Busse sollte stillgelegt werden.
Durch die Verwendung von Wasserstoff als Energieträger seien entsprechend motorisierte Fahrzeuge deutlich schneller wieder einsatzfähig als klassische Elektroautos mit Lithium-Ionen-Akku, ruft futurezone.at in Erinnerung. Sprich: Das Auftanken geht viel schneller als das Aufladen.
Allerdings habe Wasserstoff wesentliche Nachteile:
Die weltweit grössten Abnehmer für Brennstoffzellen-Autos sind Japan und die USA. Allein in Kalifornien, wo beim Kauf grosse steuerliche Anreize winken, sei rund die Hälfte der derzeit 11'000 aktiven Wasserstoff-Autos unterwegs.
Bitte, Videos und Fotos, die für die Öffentlichkeit bestimmt sind, auf dem Handy im Querformat aufnehmen.
Danke.