Das Zürcher Start-up Mantis hat in der Schweiz und in Österreich die Betriebsbewilligungen für die weltweit ersten autonomen Sesselbahnen erhalten, wie aus einer aktuellen Medienmitteilung hervorgeht. Dieser Beitrag beantwortet die wichtigsten Fragen zur Schneesport-Innovation.
Schneesportfans kennen die Situation: Man kommt mit dem Sessellift bei der Bergstation an und soll auf Skiern oder Snowboard relativ rasch aussteigen und sich entfernen, aber dann passiert das Missgeschick. Jemand stürzt und bleibt direkt in der Gefahrenzone im Schnee liegen.
Bis anhin ist es in den meisten Skigebieten so, dass Betroffene auf das Bergbahnen-Personal vor Ort hoffen müssen. Die Aufsichtsperson drückt geistesgegenwärtig den Not-Stopp, sofern sie nicht gerade abgelenkt oder völlig übermüdet ist.
Neu überwacht Künstliche Intelligenz das Aussteigen. KI ist immer aufmerksam und reagiert schneller als jeder Mensch.
Ermöglicht wird dies durch intelligente Bilderkennung, Computer Vision genannt. Die Mantis-Ingenieure haben ihrem KI-System beigebracht, mithilfe von Kameras zu sehen – fast wie ein Mensch. Dann erkennen die Algorithmen anhand von Live-Videobildern Stürze und andere Probleme im Ausstiegsbereich und lösen in Echtzeit die passende Reaktion aus, wie einen Nothalt oder eine Verlangsamung des Lifts.
Das System soll aber auch aus unterschiedlichen Situationen lernen und sich fortlaufend verbessern – wobei dies natürlich unter menschlicher Aufsicht erfolgt.
Die Mantis-Software übernimmt mithilfe von Kameras und weiteren Sensoren, wie im Boden versenkten Druckplatten, die automatische Steuerung der Bergstation.
Im Toggenburg, konkret in Wildhaus SG, sowie im Vorarlberger Skigebiet Silvretta-Montafon.
Bereits zum diesjährigen Saisonstart hatten das Bundesamt für Verkehr (BAV) sowie das österreichische Bundesministerium für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie (BMK) die Bewilligungen für den offiziellen Betrieb mit der Mantis-Technik erteilt.
Mantis arbeitet seit Jahren eng mit dem österreichischen Seilbahnhersteller Doppelmayr/Garaventa zusammen – der Marktführer aus dem Vorarlberg hat sich finanziell am Start-up beteiligt. Erklärtes Ziel ist es, das «AURO»-System (Autonomous Ropeway Operation) weiter auszubauen.
Da die Testphase nun offiziell abgeschlossen sei, konzentriert sich das Jungunternehmen gemäss eigenen Angaben auf die Vermarktung des eigenen Systems in der DACH-Region, sprich Deutschland, Österreich und die Schweiz.
Ja.
Autonome Seilbahnen sind keine Neuheit, seit 2021 steht in Zermatt die erste autonome Gondelbahn der Schweiz. Doch neu kommen die Sesselbahnen zum Zug, die in den meisten Skigebieten in grösserer Zahl vorhanden sind.
Die sei gewährleistet, erklärt Christian Limburg, Business Development Director bei Mantis, gegenüber watson.
Das System werde jeweils an einer Anlage installiert und könne ganz einfach ein- und ausgeschaltet werden. Und es sei nicht von Hackern über das Internet angreifbar.
Das KI-Bildverarbeitungssystem habe über die letzten drei Jahre «aus vielen Millionen Situationen gelernt» und sei jetzt in der Lage, automatisiert Entscheidungen zu treffen, versicherte ein Verantwortlicher des Bergbahnen-Herstellers Doppelmayr dem Österreichischen Rundfunk (ORF).
Das ist nicht bekannt.
So werde der Personalaufwand um rund ein Drittel gesenkt, heisst es, und man könne dadurch auch «dem akuten Fachkräftemangel in der Branche» entgegenwirken.
Ganz ohne Personal werden Sesselbahnen weiterhin nicht betrieben. KI-gesteuerte Anlagen werden aber nur noch aus der jeweiligen Talstation betreut. Wobei ein «Operator» am Bildschirm mehrere Anlagen überwachen kann.
Ein weiterer Mitarbeiter sei «auf Abruf» schnell an der Bergstation verfügbar und übernehme regelmässig kleinere Wartungsarbeiten an der Sesselbahn, dazu gehört unter anderem auch das Reinigen der Kameralinsen.
In der Talstation braucht es aber auch weiterhin menschliches Personal, um den Fahrgästen umgehend zu helfen, falls sie nicht korrekt Platz nehmen auf dem Sessellift.
Das KI-System wurde bei winterlichen Verhältnissen während mehreren Jahren getestet und verfeinert. Es soll auch bei Schneetreiben und Eisregen funktionieren.
Vielleicht erinnerst du dich an die Videos vom «Skilift-Horrorunfall» in Georgien, die 2018 um die Welt gingen.
Inzwischen ist geklärt, wie es zu der fatalen Rückwärtsfahrt kommen konnte, bei der zehn Schneesportlerinnen und Schneesportler, die nicht rechtzeitig absprangen, herausgeschleudert und verletzt wurden.
Technische Probleme waren gemäss einem Expertenbericht auszuschliessen. Der 2007 gebaute Sessellift der Vorarlberger Firma Doppelmayr sei in einem perfekten Zustand gewesen, wie eine Inspektion der Anlage kurz vorher ergab.
Menschliches Versagen führt zum Unglück: Ein Mitarbeiter habe nach einem Stromausfall nicht richtig reagiert. Er hätte den 4er-Sessellift mit einem Dieselaggregat wieder zum Laufen bringen müssen. Weil er dies nicht tat, wurde der Lift wegen der Schwerkraft immer schneller.