Schon beim ersten Blick auf den Testwagen im kräftigen Metallic-Blau (Ford nennt das «Blue My Mind») wird klar: Der neue Capri hat mit seinem Urahn nur noch wenig zu tun. Mit 4,63 Metern Länge und 1,63 Metern Höhe ist er vielmehr ein stattliches Elektro-SUV mit Schrägheck, das zufällig einen berühmten Namen geerbt hat.
Ford hat mit ihm nach fast 40 Jahren Pause einen echten Klassiker wiederbelebt – der ursprüngliche Capri war das bezahlbare Sportcoupé schlechthin, von Ende der 1960er bis Mitte der 1980er der Traum vieler junger Autofahrer. Heute verspricht das Modell vor allem eins: Platz für die ganze Familie. Die abfallende Dachlinie und einige Designdetails erinnern noch entfernt an den sportlichen Vorgänger, das war's aber auch schon mit den Gemeinsamkeiten.
Wer schon mal versucht hat, mit 1,90 Metern Körpergrösse bequem in einem Auto zu sitzen, weiss es zu schätzen: Im Capri ist Platz. Vorne wie hinten muss man weder die Beine noch den Kopf einziehen, um nirgendwo anzustossen. Für Familien ist das ein echter Segen – hier fahren vier bis fünf Personen entspannt, auch wenn es mal länger dauert.
Der Kofferraum fasst 572 Liter und lässt sich flexibel nutzen. Bei umgeklappten Rücksitzen wächst das Volumen auf über 1'500 Liter an. Besonders praktisch: der verstellbare Ladeboden. Wer mehr Höhe braucht, nimmt ihn einfach raus. Will man eine ebene Fläche, bleibt er oben. Der Platz darunter ist perfekt für alles, was nicht jeder sehen soll: Ladekabel, Verbandskasten oder die Gummistiefel der Kinder.
Was wir vermisst haben, ist ein anständiger «Frunk» – also ein Staufach unter der Fronthaube, in dem man beispielsweise das Ladekabel unterbringen und es damit auch bei voll beladenem Kofferraum leicht erreichen kann. Stattdessen gibt es dort nur eine Plastikschale mit Netz, die weder besonders sicher noch hochwertig wirkt.
Der erste Eindruck im Innenraum ist durchweg positiv. Alles wirkt solide gebaut und sauber verarbeitet, nichts wackelt oder macht komische Geräusche. Preislich gibt es den Stromer ab 41'400 Franken (aktuell zum Aktionspreis ab 36'330). Unser Testauto mit der grossen Akku-Variante liegt bei knapp über 50'000 Franken. Die Leasingangebote starten bei 310 Franken pro Monat.
Was sofort ins Auge fällt: Ford hat sich Gedanken zum Stauraum gemacht. Die grosse Mittelkonsole zwischen den Vordersitzen bietet insgesamt 17 Liter Volumen – genug für Handtaschen, Getränkeflaschen und den ganzen Kleinkram, der sich im Auto ansammelt. Dank modular angeordneter Fächer entfällt lästiges Kramen und Wühlen – Getränke kommen in die entsprechenden beiden Halter.
Die 14,6 Zoll grosse Anzeige in der Mitte bringt einen besonderen Kniff mit: Sie lässt sich vertikal verschieben, wodurch sich das dahinter liegende Staufach bei Bedarf verdecken lässt – ideal für Wertsachen. Die Software des Bordcomputers reagiert schnell und die Bedienung am Display funktioniert intuitiv, selbst Details wie die Farbe der Ambientebeleuchtung lassen sich dort individuell anpassen.
Android Auto koppelt sich problemlos, sofern das Smartphone kompatibel ist. Dank der induktiven Ladeschale lässt sich dieses auch während der Fahrt problemlos und ohne Kabelsuche aufladen. Über FordPass Connect, das nach der Erstzulassung zehn Jahre kostenfrei ist, lässt sich sogar von zu Hause aus checken, wie es dem Auto geht. Das ist praktisch, wenn man wissen will, ob der Akku noch voll ist oder wo die nächste Ladesäule steht. Für unseren Test hatten wir den Zugang zu diesem Dienst jedoch leider nicht.
Die 286 PS der Extended-Range-Version liefern mehr als genug Schub für den Alltag. Wer zum ersten Mal in einem starken Elektroauto sitzt, muss sich zunächst sogar ein wenig an die direkte Kraftentfaltung gewöhnen – anfangs wirkt die spontane Beschleunigung fast beängstigend. Nach einer kurzen Gewöhnungsphase entwickelt sich allerdings ein souveränes Fahrgefühl.
Die Leistung im Normal- oder Eco-Modus reicht völlig aus, um fast jeden Benziner an der Ampel stehen zu lassen. Wer trotzdem mehr Power braucht, kann in den Sport-Modus wechseln oder das Fahrerlebnis mithilfe des Individual-Modus individuell anpassen. So lassen sich beispielsweise Ansprechbarkeit und Widerstand der Lenkung oder des Gaspedals sowie die Härte der Bremsen nach den persönlichen Vorlieben verändern.
Positiv fällt zudem der kleine Wendekreis von 9,7 Metern auf – ungewöhnlich für ein 4,63 Meter langes SUV. Das erleichtert das Rangieren in der Stadt erheblich und macht sich beim Wenden sofort bemerkbar. Weniger schön: Die Rundumsicht lässt zu wünschen übrig. Front- und Heckscheibe wirken kleiner als gewohnt, was besonders im dichten Stadtverkehr stört. In engen Kurven oder beim Einparken fehlt das Gefühl dafür, wie viel Platz noch rechts und links bleibt. Zum Glück gibt es genügend Assistenten und Kameras.
Die Assistenzsysteme des Ford Capri bieten ein entspanntes und sicheres Fahrgefühl. Das Auto hält sich selbstständig in der Spur, bremst automatisch ab, wenn der Vordermann zu nahe kommt, und passt bei eingeschaltetem Tempomat die Geschwindigkeit an erkannte Verkehrsschilder an. Das System beschleunigt dann von selbst wieder und bremst rechtzeitig ab, wenn nötig. Gerade auf längeren Autobahnfahrten entlastet das spürbar. Ärgerlich wird es jedoch, wenn Verkehrsschilder falsch oder gar nicht erkannt werden und das Auto plötzlich völlig unerwartet und stark abbremst, obwohl man völlig korrekt unterwegs ist.
Manchmal fühlt man sich zudem etwas bevormundet. Wegen der EU-Vorgaben piept der Geschwindigkeitswarner bereits bei einem km/h zu viel, was auf Dauer nervt. Immerhin lässt sich das mit ein paar Klicks – wie auch bei der Konkurrenz üblich – nach jedem Motorstart abschalten.
Entschädigung bietet der vollautonome Einparkassistent – sofern er dazugebucht wurde: Dieser erkennt selbstständig geeignete Parklücken und manövriert das Auto vorwärts wie rückwärts hinein – egal ob parallel zum Bordstein oder auf dem Parkplatz. Der Fahrer muss sich nur die gewünschte Parklücke aussuchen und auf den entsprechenden Knopf drücken.
Ford bietet den Capri in drei Antriebsvarianten an. Das Einstiegsmodell Standard Range kommt mit 170 PS und einem 52-kWh-grossen Akku, der bis zu 393 Kilometer Reichweite ermöglichen soll. Diese Version gibt es ausschliesslich mit Heckantrieb und kostet ab 41'400 Franken (derzeit zum Aktionspreis ab 36'300 Franken).
Die von uns getestete Version Extended Range RWD (Hinterradantrieb) mit 286 PS und 77-kWh-Akku verspricht rund 600 Kilometer Reichweite und ist in der Standardausführung ab 52'900 Franken zu haben (aktuell zum Aktionspreis ab 47'255 Franken). Wer mehr Leistung und einen Allradantrieb möchte, greift zur Extended Range AWD mit 340 PS und 79-kWh-Akku. Dieses Modell schafft bis zu 550 Kilometer und ist ab 54'522 Franken verfügbar.
Die Extended-Range-Version mit Premium-Ausstattung soll laut Hersteller bis zu 598 Kilometer schaffen. In der Praxis erreichten wir mit einer Ladung rund 450 Kilometer auf der Autobahn – bei einer Geschwindigkeit von maximal 140 km/h – an Bord waren zwei Erwachsene, zwei Kinder und Gepäck. Ein ordentlicher Wert also. In der Stadt war der Verbrauch dank Rekuperation (also Energierückgewinnung durch Verzögern) deutlich niedriger.
Das Laden funktioniert am Schnelllader mit bis zu 135 kW ziemlich schnell, sofern die Ladesäule diese Geschwindigkeit hergibt. An öffentlichen AC-Säulen in der Stadt dauert es bei 11 oder 22 kW entsprechend länger, den grossen 77-kWh-Akku aufzuladen. Gelegentlich gab es kleinere Problemchen, wenn sich beispielsweise die Klappe des Ladeanschlusses nicht beim ersten Versuch öffnen liess.
Die viel grössere Herausforderung besteht jedoch viel mehr darin, sich mit der Ladeinfrastruktur herumzuschlagen: Die Vielzahl verschiedener Anbieter und Abrechnungssysteme sorgt für wenig Transparenz bei Preisen, Verfügbarkeiten und Funktionalität der Ladesäulen. Hier liegt die Schwäche jedoch ganz klar im System – und nicht beim Auto.
Der neue Ford Capri ist am ehesten für Menschen geeignet, die viel Platz und eine hohe Reichweite benötigen. Als Familienauto punktet er mit seinem grossen Innenraum, dem flexiblen Kofferraum und dem grossen Akku.
Die durchdachten Stauräume und die Assistenzsysteme sprechen für das Auto. Die eingeschränkte Rundumsicht und die manchmal fehlerhafte Schilderkennung, die auf der Autobahn zu manchem unnötig starken Bremsmanöver geführt hat, gehören zu den Schwächen. Wer ein praktisches, gut verarbeitetes Elektro-SUV für Familie und Langstrecke sucht, liegt mit dem Capri genau richtig – auch wenn er mit dem sportlichen Original nur noch den Namen gemein hat. Früher war nun mal nicht alles besser.
Freiheit, Abenteuer und Parisienne Mild. Aber das hier, sorry.