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US-Wahlen: Offenbar ist Joe Biden doch nicht zu alt

Joe Biden
Die schlechten Umfragewerte Bidens, respektive die guten von Trump, sind schwer zu erklären.Bild: Shutterstock
Analyse

Offenbar ist Joe Biden doch nicht zu alt

Einmal mehr haben die Demokraten regionale Wahlen gewonnen – und damit die Umfragen widerlegt.
08.11.2023, 16:2608.11.2023, 18:41
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In der amerikanischen Politlandschaft ist seit einiger Zeit ein paradoxes Phänomen zu beobachten: In Umfragen schneiden die Demokraten, insbesondere Präsident Joe Biden, Mal für Mal miserabel ab. In den regulären Wahlen hingegen schwingen sie ebenso regelmässig oben auf.

Sehr deutlich war dieses Phänomen bei den Zwischenwahlen 2022 zu beobachten. Die meisten Demoskopen prophezeiten damals eine «rote Welle», einen überwältigenden Sieg der Republikaner. Daraus wurde bekanntlich nichts. Speziell die von Donald Trump unterstützten Kandidaten fielen mehrheitlich durch.

Gestern hat sich dies erneut bestätigt. In mehreren Bundesstaaten haben sich die Hoffnungen der Republikaner einmal mehr zerschlagen:

  • In Virginia ist es ihnen nicht gelungen, in beiden Kammern des Parlaments die Mehrheit zu erringen. Das war das erklärte Ziel. Im Gegenteil, die Demokraten konnten nicht nur ihre Mehrheit im Senat verteidigen, sie erlangten auch eine Mehrheit im bisher von den Republikanern beherrschten Abgeordnetenhaus.
  • In Kentucky, einem tiefroten Bundesstaat, konnte der amtierende demokratische Gouverneur, Andy Beshear, sein Amt behaupten. Sein von Trump unterstützter Gegner unterlag deutlicher als erwartet.
  • In Ohio haben die Wählerinnen und Wähler ein von den Republikanern angestrebtes, hartes Abtreibungsgesetz deutlich abgelehnt.
  • Einzig in Mississippi konnte sich der amtierende, republikanische Gouverneur durchsetzen, allerdings weit weniger deutlich, als in diesem ebenfalls tiefroten Südstaat zu erwarten gewesen wäre.

Insbesondere die Niederlage in Virginia tut der Grand Old Party sehr weh. Dort hatte Glenn Youngkin, ein reicher Financier, vor zwei Jahren einen überraschenden Sieg für die Republikaner errungen. Mit breiter Unterstützung der konservativen Medien und unter Einsatz grosser finanzieller Mittel wollte er die Mehrheit in beiden Kammern erringen, um damit seine politische Agenda – Abtreibungsverbot nach 15 Schwangerschaftswochen, Kampf gegen Wokeness an den Schulen – in Praxis umzusetzen. Daraus wird nun nichts.

Ebenfalls abschminken kann sich Youngkin, zumindest vorläufig, allfällige Ambitionen auf das Weisse Haus. Damit hat er geflirtet, unterstützt von reichen Mäzenen der GOP wie der Verleger Rupert Murdoch und Charles Koch. Diese sind unglücklich mit Donald Trump und haben auch eingesehen, dass Ron DeSantis keine valable Alternative sein kann.

FILE - Republican Virginia Gov. Glenn Youngkin speaks to David Rubenstein during an interview hosted by the Economic Club of Washington, Sept. 26, 2023, in Washington. A Washington-based attorney conf ...
Hat eine Schlappe kassiert: Glenn Youngkin, Gouverneur von Virginia.Bild: keystone

Nach dieser Schlappe kann sich Youngkin jedoch frühestens in vier Jahren für das höchste Amt bewerben. «Nur wenn die Republikaner beide Kammern erobert hätten, wäre dieser Anspruch gerechtfertigt gewesen», erklärt Larry Sabato, Politologe an der University of Virginia, in der «New York Times».

Präsidiale Ambitionen hegen kann hingegen Andy Beshear. Er ist erst 45 Jahre als. Mit seinem Sieg in Kentucky ist er über Nacht zu einem neuen Hoffnungsträger der Demokraten geworden, hat er doch vorgemacht, wie sie auch in einem sehr konservativen Bundesstaat siegen können. Im Bundesstaat Ohio schliesslich hat sich gezeigt, dass die Republikaner mit ihrer harten Abtreibungspolitik völlig neben den Schuhen liegen. Auch hier haben vor allem die Wählerinnen eine massive Einschränkung der Freiheit der Frauen deutlich abgelehnt, wie übrigens zuvor verschiedene, ebenfalls konservative Bundesstaaten.

Das Weisse Haus reagierte umgehend auf die Wahlresultate von gestern. «Quer durch das ganze Land hat die Demokratie heute gewonnen und MAGA verloren», liess Biden per soziale Medien verlauten. «Die Wähler wählen, die Umfragen nicht. Lasst uns jetzt die Wahlen nächstes Jahr gewinnen.»

Damit spielt der Präsident auf die Reaktionen an, welche eine Umfrage der «New York Times» vom vergangenen Wochenende ausgelöst hatte. Diese besagt, dass Trump in fünf von sechs Swing States – Georgia, Arizona, Michigan, Pennsylvania und Nevada – die Nase vor Biden hat, zum Teil deutlich. Dieses Resultat hat die Demokraten aufgeschreckt, ja teilweise in Panik versetzt. David Axelrod, der ehemalige Chefstratege von Barack Obama, hat den Präsidenten aufgrund dieser Umfrage gar aufgefordert, auf eine Wiederwahl zu verzichten und einem jüngeren Kandidaten oder Kandidatin Platz zu machen.

Die schlechten Umfragewerte Bidens, respektive die guten von Trump, sind tatsächlich nur schwer zu erklären. Trump konnte seinerzeit davon profitieren, dass er eine von Obama sanierte Wirtschaft übernehmen konnte. Biden hingegen musste eine durch eine von der Pandemie aus der Bahn geworfene Wirtschaft wieder ins Gleichgewicht bringen.

Die Mehrheit der Ökonomen attestiert, dass die Biden-Regierung diesbezüglich einen hervorragenden Job gemacht hat. Nicht nur konnte eine Rezession, ja gar eine Depression vermieden werden. Die amerikanische Volkswirtschaft steht im internationalen Vergleich ausgezeichnet da. Im letzten Quartal ist das Bruttoinlandsprodukt um 4,9 Prozent gewachsen. Allen Unkenrufen, und vor allem allen Leitzinserhöhungen der Fed zum Trotz, sind zudem massenhaft neue Jobs entstanden.

epa10793217 Gas prices are displayed at an Exxon station in Arlington, Virginia, USA, 10 August 2023. The rising cost of gas contributed to pushing the annual inflation rate slightly higher in July. T ...
Nach wie vor zu hoch: die Benzinpreise.Bild: keystone

Bidens Problem liegt in der Wahrnehmung. Ökonomische Zusammenhänge einem breiten Publikum zu vermitteln, ist extrem schwierig. (Glaubt mir, ich weiss, wovon ich spreche.) Das gilt speziell, wenn es um die Inflation geht. Diese ist in den letzten beiden Jahren tatsächlich sprunghaft angestiegen. Der Grund liegt darin, dass die globalen Lieferketten zerbrochen sind, und ein Absturz in eine Rezession mit massiven Hilfspaketen verhindert werden musste.

Dies ist auch gelungen, doch der Preis dafür war eine höher als erwartete Inflation. Obwohl diese inzwischen am Abklingen ist – gemäss den jüngsten Zahlen liegt sie derzeit bei 3,7 Prozent –, ist die Teuerung für die Konsumenten nach wie vor spürbar, vor allem beim Benzinpreis und bei Produkten wie Milch, Eier und Schinken. Der Durchschnitts-Amerikaner macht dafür die Regierung verantwortlich. Dass die Inflation der Preis dafür ist, dass die Wirtschaft sich über Wasser halten konnte, weiss er nicht – und will es auch nicht wissen.

Dazu kommt, dass die Stimmung in den USA derzeit generell suboptimal ist. Nicht nur die Inflation verunsichert die Menschen, auch eine relative hohe Kriminalität, die massive Zuwanderung, die vielen Obdachlosen und die Drogenwelle schlagen aufs Gemüt. Obwohl er nur teilweise dafür verantwortlich ist, muss Biden dafür geradestehen.

Es ist sehr schwierig, gegen den allgemeinen Blues anzukämpfen. «Wenn die Amerikaner pessimistisch gestimmt sind, wird die Schuld dem Präsidenten zugeschoben», stellt Michelle Cottle in der «New York Times» fest. «Das Ausmass, in dem sie von Bidens Politik profitiert haben, spielt keine Rolle, speziell was wirtschaftliche Themen betrifft. Und merke: Man kann nicht mit den Gefühlen der Wähler argumentieren. [...] Wer dies versucht, steht als überheblicher Depp da.»

Kentucky Governor and Democratic candidate for re-election Andy Beshear speaks at the Democratic Party of Daviess County Headquarters during a bus tour across Kentucky, Saturday, Nov. 4, 2023, in Owen ...
Zeigt den Demokraten den Weg: Andy Beshear.Bild: keystone

Allerdings: An der Urne scheut die Mehrheit der Wählerinnen und Wähler vor der MAGA-Meute zurück. Das hat sich gestern einmal mehr bewahrheitet, und das lässt die Demokraten Mut schöpfen. Dazu kommt, dass die Republikaner keinerlei Anzeichen zeigen, ihrerseits aus ihren Fehlern zu lernen. Im Gegenteil: Sie werden in Sachen Abtreibung und Waffengesetze immer extremer – und damit unwählbarer.

Dazu kommt, dass der Sieg des pragmatischen Beshear in Kentucky den Demokraten einen Weg aufgezeigt hat, wie sie Trump und die MAGA-Meute in einem Jahr schlagen können. Der wiedergewählte Gouverneur hat vor allem die Verdienste der Regierung betont, die billigeren Medikamente, die Investitionen in die Infrastruktur und die neuen Arbeitsplätze, welche eine riesige Batteriefabrik bringen wird.

Simon Rosenberg, ein demokratischer Stratege, erklärt denn auch gegenüber der «Financial Times»: «Wir wissen, dass die Zustimmungswerte für Biden zunehmen, wenn die Menschen informiert sind. Dafür sind Kampagnen bestimmt. Ich bin zuversichtlich, dass wir unsere Geschichte erzählen können.»

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96 Kommentare
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Randy Orton
08.11.2023 16:53registriert April 2016
Macht jetzt nicht den gleichen Fehler wie vor 8 Jahren und schreibt Trump ab - dessen Anhänger wählen ihn eh komme was wolle. Ob Biden widergewählt wird hàngt einzig und alleine davon an, wie viele Demokraten zur Wahl mobilisiert werden können.
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Hoagie
08.11.2023 16:53registriert Oktober 2018
Ich halte Biden schon für zu alt. Er hat einfach Glück, dass in Amerika ein System mit nur 2 Parteien herrscht. Bei den Republikanern ist dank ein paar radikalen Spinnern um die Orange so viel Chaos ausgebrochen, da würde ich auch vorher einen Greis wählen, der wenigstens vernünftige Politik betreibt. Dass sich unter den 330 Mio. Amis nichts jüngeres findet ist aber schon ein Armutszeugnis.
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chris-swiss
08.11.2023 18:28registriert November 2022
Natürlich ist Biden zu alt. Er war schon zu alt, als er für seine 1. Amtszeit antrat. Das ist offensichtlich. Aber hier steht die halbe Welt auf dem Spiel. Lieber einen sehr alten Mann, der durchaus vernünftige Realpolitik macht, als einen fast eben so alten, persönlichkeitsgestörten Mann, der sich einen Dreck um Demokratie schert und was nach ihm aus diesem Land wird. Biden zu wählen ist unter diesen Bedingungen ein "No-Brainer".
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