Der Bekanntheitsgrad ist für einen Politiker das A und O. Vor allem in den USA werden Unsummen ausgegeben, um «name recognition» zu erhalten. Robert Kennedy Jr. kann sich dieses Geld sparen. Der Name Kennedy hat in den USA nach wie vor einen geradezu magischen Klang, und das will der Sohn des 1968 ermordeten Senators Robert Kennedy ausnutzen, um ins Weisse Haus einzuziehen.
Kennedy hat sich als Präsidentschaftskandidat für die Demokraten beworben. Zusammen mit der Esoterikerin Marianne Williamson ist er bisher der einzige Herausforderer von Joe Biden. Williamson ist schon 2020 angetreten und ist in aussichtsloser Lage früh ausgeschieden. Auch Kennedy wird Biden mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit in den Vorwahlen nicht besiegen könne. Er kann ihm jedoch schwere Wunden beifügen. Doch der Reihe nach:
Der Name Kennedy steht eigentlich für eine progressive linksliberale Politik, nicht nur wegen des legendären Präsidenten John F. Kennedy. Dessen Bruder und Vater von Robert Jr., Bobby Kennedy, galt als engagierter Kämpfer für Bürgerrechte und war ein heftiger Kritiker des Vietnamkrieges. Er wurde 1968 Opfer eines Attentats, sonst hätte er beste Chancen gehabt, ebenfalls US-Präsident zu werden. Ted Kennedy, Robert Jr.s Onkel, war einst ein sehr einflussreicher Senator, der die amerikanische Gesundheitspolitik massgeblich beeinflusst hat.
Zunächst schien auch Robert Kennedy Jr. dem Ruf seiner Familie gerecht zu werden. Nach seinem Jus-Studium wurde er ein engagierter Anwalt für Umweltfragen. Heute jedoch ist der 69-Jährige Liebling der Konservativen und Dauergast bei Fox News. Dort attackiert er mit Vorliebe Präsident Biden, den er als «Kriegstreiber» bezeichnet. Die CIA will er «in tausend Stücke zerschlagen und in den Wind werfen».
Vor allem jedoch ist Kennedy ein Schwurbler und der weltweit wohl bekannteste Impfgegner. Er vertritt die These, wonach die kombinierte Mumps-, Masern- und Röteln-Impfung (MMR) für Autismus verantwortlich sei. Diese Theorie wurde 1998 in der sehr angesehenen Medizin-Zeitschrift «The Lancet» von einem gewissen Andrew Wakefield veröffentlicht. Später wurde jedoch bekannt, dass dieser seine Daten gefälscht hatte. Der «Lancet» zog die Studie zurück und Wakefield verlor seine Zulassung als Arzt.
Bis heute gibt es keinen einzigen Beweis für eine Verbindung zwischen der MMR-Impfung und Autismus. Trotzdem wiederholt Kennedy diese These immer wieder, ja er geht gar so weit, dass er Impfungen mit Hitler und den Nazis vergleicht. «Das ist ein Holocaust, den wir unserem Land zufügen», erklärte er bei einer Filmpremiere zu einem Anti-Impf-Film 2015. Donald Trump soll bei seinem Amtsantritt gar mit der Idee gespielt haben, Robert Kennedy Jr. als Impf-Zar in sein Kabinett zu berufen.
Auch sonst steckt Kennedy tief im Schwurbler-Sumpf. Für die wiederkehrenden Massenmassaker macht er nicht etwa den bei den Amerikanern grassierenden Waffenwahn verantwortlich, sondern das Anti-Depressionsmedikament Prozac. «Vor Prozac gab es kaum je solche Ereignisse in unserem Land», sagt er. «Und wir haben es noch nie erlebt, dass Menschen in eine Schule eindringen und Kinder erschiessen.»
Ohnehin ist die Pharmaindustrie gemäss Kennedy mehr oder weniger an allem Übel dieser Welt schuld. Selbstredend macht er auch Bill Gates für die Pandemie verantwortlich und Anthony Fauci ist für ihn der Teufel in Person. Robert Kennedy Jr. zweifelt gar, dass Sirhan Sirhan tatsächlich der Mörder seines Vaters war. Dieser sitzt nach wie vor in einem Hochsicherheitsgefängnis in Kalifornien. Dass Kennedy im Ukraine-Krieg Partei für Putin ergreift, rundet das Bild ab.
Der Name Kennedy hat in der Verschwörungstheoretiker-Szene eine grosse Anziehungskraft. Die Kultsekte QAnon ist bekanntlich überzeugt, dass der Sohn von John F. Kennedy nicht etwa bei einem Flugzeugabsturz ums Leben gekommen, sondern nach wie vor am Leben sei und demnächst die Gräueltaten von Hillary Clinton und der liberalen Elite aufdecken werde.
Auch bei den Demokraten ist der Name Kennedy immer noch ein Trumpf, der sticht. Und Robert Jr. setzt ihn auch wirksam ein. Obwohl er in Kalifornien lebt, gab er seine Kandidatur in Boston (Massachusetts), der eigentlichen Heimat des Kennedy-Clans, bekannt. Das hat gewirkt. Erste Umfragen zeigen, dass er bei den Demokraten bis zu 20 Prozent Unterstützung erhält. Beinahe jede zweite Amerikanerin hält ihn für sympathisch.
Trotzdem werden Kennedy im direkten Duell gegen Biden keine Chancen eingeräumt. Er könnte jedoch dem Präsidenten schaden, so wie einst sein Onkel Ted Kennedy Jimmy Carter bei dessen gescheiterten Wiederwahl geschadet hat. Sollte er gar als unabhängiger Kandidat ins Rennen steigen, dann könnte er zu einer echten Gefahr für die Demokraten werden. Im Jahr 2000 hat der Konsumentenschützer Ralph Nader Al Gore den Einzug ins Weisse Haus vermasselt. 2016 hat die grüne Kandidatin Jill Steiner Donald Trump zu den wenigen nötigen Stimmen bei seinem Wahlsieg über Hillary Clinton verholfen.
Angesichts der Tatsache, dass sich Biden wegen seines fortgeschrittenen Alters nach wie vor in einem Umfragetief befindet, sind dies keine erfreulichen Aussichten.
Wenn er hingegen als Parteiloser auftritt, wird er wohl eher Trumpisten ansprechen und weniger die Demokraten. Das einzige Risiko ist, dass er eine Schlammschlacht anzettelt und dann was an Biden hängen bleibt.
In den USA ging es in den letzten Wahlen ja eh immer nur darum, welchen Kandidaten man stärker verhindern will: Trump/Biden Clinton/Trump waren so.