Das Federal Bureau of Investigation (FBI) wurde 1908 gegründet und hatte bisher acht Direktoren. Alle waren weiss, alle waren männlich – und alle waren Republikaner. Der bekannteste dieser Direktoren, J. Edgar Hoover, war ein legendärer Kommunistenfresser und bekannt dafür, dass er geradezu pathologisch ein Ziel verfolgte: den Bürgerrechts-Aktivsten Martin Luther King jr. zu diskreditieren.
Das waren noch Zeiten. Aktuell sind es die republikanischen Abgeordneten im Kongress, die einen bizarren Feldzug gegen das FBI führen. Unter der Leitung von Jim Jordan, ihrem Lautsprecher im Abgeordnetenhaus, deckten sie am Mittwoch an einem Hearing Christopher Wray, den aktuellen FBI-Direktor, mit einer Flut von Vorwürfen ein: Das FBI sei ein Werkzeug der Demokraten. Es weigere sich, die angebliche Korruption der Biden-Familie aufzudecken. Es habe unter Vortäuschung falscher Tatsachen jahrelang Donald Trump verfolgt und seine Residenz gestürmt. Ja, das FBI sei Teil des Deep States und versuche, die USA in eine sozialistische und atheistische Hölle zu verwandeln.
So weit, so schlecht. Direktor Wray – eingesetzt von Trump als Nachfolger des geschassten James Comey – verstand die Welt nicht mehr. Er ist gewissermassen die Verkörperung des anständigen G-Mannes alter Schule, konservativ und pflichtbewusst. Angesichts der ewig gleichen Litaneien der republikanischen Hardliner gegen das FBI konnte Wray letztlich nur noch resigniert erklären: «Es ist verrückt, zu behaupten, ich sei gegenüber den Konservativen voreingenommen.»
Wie absurd die Vorwürfe gegen das FBI sind, zeigt das Beispiel von Ray Epps. Es handelt sich dabei um einen ehemaligen Marine-Soldaten. Epps hat zweimal für Trump gestimmt und der Propaganda von Fox News und anderen konservativen Medien Glauben geschenkt, wonach die Wahlen zuungunsten von Trump manipuliert gewesen seien. Deshalb ist er auch dessen Aufforderung zu einem Protest gefolgt und am 5. Januar 2021 nach Washington gereist.
Am Vorabend des 6. Januars hat Epps eine feurige Rede gehalten, in der er zum Sturm auf das Kapitol aufrief. Dabei wurde er gefilmt. Am 6. Januar war er zwar bei der Demonstration vor dem Kapitol dabei, ins Gebäude ist er jedoch nie eingedrungen. Deshalb ist gegen ihn auch kein Strafverfahren eröffnet worden.
So weit zu den Fakten. Die konservativen Medien, insbesondere Tucker Carlson bei Fox News, haben daraus eine Verschwörungstheorie gebastelt, die sich gewaschen hat. Sie lautet wie folgt: Epps sei in Tat und Wahrheit ein FBI-Agent, der als Provokateur eingesetzt wurde, um die Massen aufzuwiegeln, so Carlson. Überhaupt sei der Sturm aufs Kapitol keineswegs ein Aufstand eines Mobs gewesen, sondern eine Demonstration von mehrheitlich friedlichen Patrioten. Nur ein paar wenige seien vom FBI und von Agenten wie Epps zu den bekannten Ausschreitungen animiert worden.
Diese Verschwörungstheorie hat Carlson mehr als 20-mal in seiner Sendung verbreitet, ohne auch nur einen Hauch eines Beweises dafür vorlegen zu können. Seine Hetze zeigte Wirkung, denn Carlson war damals der Star bei Fox News – inzwischen wurde er bekanntlich gefeuert – und sein Wort hatte in der rechten Szene Gewicht.
Für Ray Epps hatte dies gravierende Folgen. Er erhielt bald Morddrohungen, obwohl er immer und immer wieder beteuerte, niemals für das FBI oder irgendeine andere Behörde tätig gewesen zu sein. Er musste umziehen und sein Geschäft für Heiratsartikel aufgeben. Inzwischen hat er Fox News und Tucker Carlson wegen Verleumdung verklagt.
Nicht weniger absurd ist der Fall von Gal Luft. Dabei handelt es sich um einen selbsternannten Whistleblower, der Beweise dafür haben will, dass Hunter Biden und sein Vater in korrupte Geschäfte mit China verwickelt gewesen seien. James Comer, ein republikanischer Abgeordneter und Vorsitzender des Komitees zur Aufklärung angeblich korrupter Biden-Geschäfte, verkündete vor laufenden Kameras, mit dem Kronzeugen Luft würden endlich die schmutzigen Machenschaften der Präsidentenfamilie aufgedeckt werden und auch die Tatsache, dass das FBI diesbezüglich gleich beide Augen zugedrückt habe.
Inzwischen ist Comer kleinlaut geworden. Sein angeblicher Kronzeuge ist abgetaucht. Inzwischen weiss man auch, weshalb. Anders als Präsident Biden ist Luft tatsächlich in korrupte China-Geschäfte verwickelt und ist deswegen von den Strafverfolgern des Southern District of New York angeklagt worden. Ihm droht eine langjährige Strafe. Was Beweise für eine angebliche Verwicklung von Präsident Biden in fragwürdige Geschäfte seines Sohnes betrifft, lautet das Zwischenergebnis: null, nada, ništa, zilch.
Für anständige Republikaner war das FBI lange nicht nur Garant für die innere Sicherheit, es war auch Symbol des WASP-Amerikas, eines Amerikas, in dem weisse, angelsächsische Protestanten das Sagen hatten. Für den rechtsextremen Rand hingegen war das FBI stets das Symbol eines diktatorischen Staates, der die Freiheit des Einzelnen unterdrücken und ihm seine Waffen wegnehmen will.
Auslöser für den Hass der Rechtsextremen auf das FBI waren Vorfälle wie die Belagerung von Ruby Ridge. An diesem Ort haben FBI-Agenten im August 1992 die Frau von Randy Weaver, Chef einer rechtsextremen Miliz, erschossen. Noch bedeutender ist ein Vorfall, der sich im April 1993 in dem texanischen Kaff Waco abspielte. Damals hatte sich eine Sekte in einer Art Fort verschanzt und dem FBI eine wochenlange Schlacht geliefert. Schliesslich stürmten die Agenten die Festung. Es brach ein Brand aus, 76 Menschen starben, darunter zahlreiche Kinder.
Waco war der Auslöser, der Timothy McVeigh zum Attentat auf einen Bürokomplex in Oklahoma anstiftete. Am 19. April 1995 wurden dabei 168 Menschen getötet. Der rechtsextreme Terrorist McVeigh wollte damit eine Revolution gegen die vermeintliche Diktatur von Bill Clinton auslösen. Er scheiterte kläglich, wurde zum Tode verurteilt und am 11. Juni 2001 hingerichtet.
McVeigh war ein Einzelgänger und ein Aussenseiter. Seine Tat löste auch bei den Republikanern Abscheu aus. Dank Donald Trump geht seine Saat inzwischen auf. «Einige hundert der Menschen, die das Kapitol stürmten, haben tatsächlich geglaubt, sie würde die Wahlen umstürzen können. Wie bei McVeigh war die Wut mindestens so wichtig wie das Resultat», schreibt Jeffrey Toobin in seinem Buch «Homegrown», in dem er das kurze Leben des Timothy McVeigh nachzeichnet.
Der Feldzug der Republikaner gegen das FBI mag auf den ersten Blick lächerlich erscheinen – und er ist es auch. Der zweite Blick jedoch stimmt nachdenklich. Vor Trump war der Hass auf das FBI bloss in der ultrarechten Szene verbreitet, bei den Neonazis und bei Milizen wie den Oath Keepers. Inzwischen ist dieser Hass für eine Mehrheit der Republikaner salonfähig geworden.
Das zeigt, wie weit sich die Grand Old Party von den Grundsätzen einer demokratischen Partei entfernt hat und zu einem Kult geworden ist. So gesehen war es kein Zufall, dass Trump als Auftakt-Rally für seinen Wahlkampf ausgerechnet Waco ausgesucht hat.
Und keiner aus der GOP hat den Mut und das Rückgrat dagegen anzugehen.
Er versteht die Reps. einfach nicht mehr.
Da ist er aber bei weitem nicht alleine, sondern zum Glück bei einer Mehrheit.
Traurig ist, dass er erst merkt, wenn gegen das FBI, also gegen ihn von den Reps. geschossen wird.
Schon eine blöde Lage, von Trump in sein Amt gehievt werden, gegen ihn ermitteln und dann merken, dass gegen alte, reiche Schwurbler noch kein Kraut gewachsen ist.