Herschel Walker ist ein ehemaliger Football-Star. Daraus will er nun politisches Kapital schlagen. Er ist der Kandidat der Republikaner für einen Senatssitz im Bundesstaat Georgia bei den kommenden Wahlen am 8. November.
Im nach wie vor tendenziell konservativen Süden kann sich Walker grundsätzlich intakte Chancen ausrechnen. Alle kennen ihn, er unterstützt ein hartes Gesetz gegen die Abtreibung, «ohne Ausnahmen», wie er betont. Er hat die Unterstützung von Donald Trump und er ist schwarz, wie sein Gegenspieler, der Demokrat Raphael Warnock, der als Progressiver gilt. Zudem haben die Vertreter der Partei, die nicht den Präsidenten stellt, traditionsgemäss einen Vorteil bei den Zwischenwahlen.
Trotzdem führt Warnock in den Umfragen mit zwei Prozentpunkten. Neben den erwähnten Pluspunkten hat Walker nämlich auch ein Handicap: Er steckt bis zum Hals in Skandalen.
Schon als er seine Kandidatur bekannt gab, warnte seine Ex-Frau vor ihm und sagte aus, er sei ihr einst absichtlich mit dem Auto über den Fuss gefahren und habe eine geladene Pistole an ihre Schläfe gehalten. Zudem sei er seinen Unterhaltszahlungen an den gemeinsamen Sohn nur schleppend nachgekommen.
Das war bloss der Auftakt. Bald wurde auch bekannt, dass Walker mindestens vier uneheliche Kinder von verschiedenen Frauen hat, um die er sich nie kümmerte. Das lässt den frömmelnden Ex-Footballstar als üblen Heuchler erscheinen, betont er doch stets, wie wichtig es sei, dass gerade schwarze Männer ihren Vaterpflichten nachkommen müssen.
Nun hat das Newsportal «The Daily Beast» am Montag eine weitere Skandal-Bombe platzen lassen. Ausgerechnet der militante Abtreibungsgegner Walker soll eine Ex-Freundin zur Abtreibung eines gemeinsamen Kindes gedrängt haben. Sie hat für diese Aussage überzeugende Beweise: Einen von Walker signierten Scheck von 700 Dollar, eine Gute-Besserung-Karte mit dessen Unterschrift und eine Quittung einer Abtreibungsklinik.
Walker bestreitet den Vorwurf energisch und spricht von einer Schmutzkampagne seiner politischen Gegner. Seine Beteuerungen sind jedoch wenig glaubwürdig. Er schreibe viele Schecks an verschiedene Personen, erklärte er auf Fox News und drohte gleichzeitig mit einer Verleumdungsklage. Diese hat er jedoch bis dato nicht eingereicht.
In normalen Zeiten wäre Walker nach den neuesten Enthüllungen erledigt gewesen, doch im Zeitalter von Trump ist die Politik der Vereinigten Staaten alles andere als normal. Es zeichnet sich eine ähnliche Entwicklung ab wie seinerzeit im Oktober 2016, als die berühmt-berüchtigten «Access Hollywood»-Tapes veröffentlicht wurden. Darin prahlt der Ex-Präsident ohne Folgen, dass er als Star den Frauen ungestraft in den Schritt greifen dürfe.
Die Basis der Evangelikalen reagiert im Fall Walker ähnlich. Als er am vergangenen Dienstag in einem Gottesdienst der First Baptist Church of Atlanta auftauchte, wurde er mit tosendem Applaus empfangen. Einmal mehr zeigt sich, dass die frommen Amerikaner nichts mehr lieben als einen reuigen Sünder.
Selbstverständlich steht auch Trump nach wie vor hinter seinem Schützling. Walker werde von den Fakenews-Medien in den Dreck gezogen, liess der Ex-Präsident verlauten und tönte an, es gäbe «viele schreckliche Dinge» über dessen Rivalen Warnock zu erzählen, «Dinge, über die man nicht sprechen sollte, deshalb tun wir es auch nicht».
Auch die Grand Old Party (GOP) lässt Walker nicht fallen. Zu viel steht auf dem Spiel. Es geht um mehr als einen popeligen Senatssitz. Es geht darum, welche Partei die Mehrheit im Senat hat und den Chef stellen kann, der darüber entscheiden darf, was in diesem Gremium zur Abstimmung kommt.
Deshalb gilt bei den Republikanern im Fall Walker: Nase zuhalten und durch. Rick Scott, der für den Senats-Wahlkampf zuständige Mann bei der GOP, erklärte denn auch umgehend: «Die Republikaner stehen hinter ihm». Mehr noch: Die GOP bewilligte umgehend zusätzliche elf Millionen Dollar für Walkers Wahlkampf.
Gleichzeitig versuchen die Republikaner, ihrerseits mit Dreck zu werfen. Sie erinnern an die Sex-Skandale von Bill Clinton und Ted Kennedy oder an die Schlammschlacht rund um die Wahl von Brett Kavanaugh in den Supreme Court. Zudem hoffen sie auf den gleichen Effekt wie bei «Access Hollywood».
Diese Hoffnung ist berechtigt. FiveThirtyEight, das Portal des Umfrage-Papsts Nate Silver, glaubt nicht, dass viele Wähler ihre Meinung ändern werden. Zu festgefahren sind die Fronten.
Allerdings können auch sehr wenige Abweichler die Republikaner ins Elend stürzen. Die Wahlen sind so eng, dass ein paar tausend Stimmen entscheiden. Das könnte Walker zum Verhängnis werden. Nun hat sich nämlich auch sein Sohn Christian zu Wort gemeldet. Dieser ist ein konservativer Blogger, der auf TikTok eine ansehnliche Gefolgschaft hat.
Christians Walkers Vorwürfe sind vernichtend. Er und seine Familie hätten seinem Vater stets davon abgeraten, für den Senat zu kandidieren, tweetete er. «Über die Grausamkeiten, die er meiner Mutter angetan hat, habe ich geschwiegen», so der Sohn. Und weiter: «Er hat vier Kinder von vier verschiedenen Frauen. Er hat sich nie um sie gekümmert. Stattdessen hatte er Sex mit anderen Frauen. Er hat gelogen und gelogen und das verschwiegen. Ich habe die Schnauze voll von ihm.»
In gut frömmlerischer Tradition erklärte Vater Walker daraufhin, er liebe seinen Sohn trotz allem. Ob es nützt, ist fraglich. Christian Walker deutet bereits an, dass er noch mehr auf Lager habe. «Es gibt da noch eine Geschichte, die ich noch nicht erzählt habe.»
Was ich wirklich traurig finde ist, dieser Mensch hat tatsächlich Wahlchancen. Da stellt sich die Frage auf welchem Niveau bewegen sich seine Wähler?
Alles, was einen durchtriebenen Politiker ausmacht, bringt er mit.