«Wann ist ein Mann ein Mann?», fragte sich der Deutsch-Rocker Herbert Grönemeyer schon 1984 und landete damit einen Hit, obwohl er die Antwort auf die Frage schuldig blieb. Das war 1984, in einer Zeit also, als die MeToo-Bewegung noch in weiter Ferne lag und das Kürzel LGBT noch nicht erfunden war. Vier Jahrzehnte später ist die Antwort nach wie vor umstritten, aber brandaktuell.
Die Männlichkeits-Frage könnte gar den Ausgang der amerikanischen Wahlen massgebend beeinflussen, denn die beiden Geschlechter haben sehr verschiedene politische Präferenzen. So zeigt die jüngste Umfrage des Duos «New York Times»/Siena College unter wahrscheinlichen Wählern: Bei den Frauen hat Kamala Harris einen Vorsprung auf Donald Trump von 14 Prozentpunkten (55 Prozent zu 41 Prozent). Bei Männern hingegen liegt Trump mit 17 Prozentpunkten vorn (56 Prozent zu 39 Prozent). Kein Wunder also, dass die beiden Parteien versuchen, diese Diskrepanz zu ihren Gunsten auszunützen.
Die Republikaner setzen einerseits auf das, was der Journalist und Buchautor Zack Beauchamp «Barhocker-Konservatismus» nennt. Er wandelt dabei den Begriff «Barhocker-Sport» um und münzt ihn auf Männer, die in der Bar Sportereignisse am TV verfolgen und kommentieren. Barhocker-Konservative sind Machos. Sie ärgern sich über die politische Korrektheit.
«Das sind Typen, die frustriert darüber sind, dass die Linken die Kulturdiskussion kontrollieren», erklärt Beauchamp in der Ezra Klein Show, einem Podcast der «New York Times». «Sie sind wütend, weil sie keine sexistischen Sprüche mehr in der Öffentlichkeit machen dürfen. Sie sind wütend, dass Sanktionen wegen sexueller Belästigung heute konsequent durchgesetzt werden und fürchten, dass sie am Arbeitsplatz nicht mehr flirten dürfen. Sie mögen es auch, wenn bei Football-Spielen in der Halbzeit Cheerleader auftreten.»
Junge Männer ohne College-Abschluss sind typische Vertreter der Barhocker-Konservativen. Mit ihnen hat es das Schicksal in den letzten Jahrzehnten schlecht gemeint. Ihr Einkommen stagniert, ja, es ist teilweise gar gesunken. Auf dem Heiratsmarkt haben sie deshalb miserable Karten. In seinem aufrüttelnden Buch «Death of Despair» hat das Ökonomen-Ehepaar Anne Case und Angus Deaton die missliche Lage dieser Männer aufgezeigt.
Auch Trump ist ein typischer Barhocker-Konservativer. Er versucht, die frustrierten Männer mit rohem Machismo auf seine Seite zu ziehen. Deshalb hat er den legendären Wrestler Hulk Hogan an den Parteitag in Milwaukee eingeladen, zusammen mit Dana White, dem CEO der Ultimate Fighting Championship. Die beiden sollten Stärke und Männlichkeit symbolisieren und so den Gegensatz zum fragilen Joe Biden markieren. Dumm bloss, dass dieser inzwischen zurückgetreten ist und Kamala Harris Platz gemacht hat.
Trumps Vize J.D. Vance verkörpert die neo-patriarchale Männlichkeit. Darunter versteht man Männer, «die dafür einstehen, dass der Staat die traditionelle Moral und die Familie fördern soll», so Beauchamp. Sie wollen die Frauen zwar nicht mehr direkt an den Herd zurückbeordern, doch sie lehnen Sex vor der Ehe und die Geburtenkontrolle ab, ganz zu schweigen von der Abtreibung.
Neo-patriarchale Männer stehen mit beiden Füssen in der antiliberalen und antidemokratischen Tradition, die es in den Vereinigten Staaten seit deren Gründung eben auch gibt. Sie sehen die Nation als eine organische Gemeinschaft, in welcher der Einzelne vor allem Pflichten und nicht Rechte hat. Das wollte Vance auch mit seinem inzwischen legendären Spruch über die «Katzenfrauen» ausdrücken – über Frauen, die zwar Kinder haben könnten, sich jedoch aus egoistischen Gründen weigern, es zu tun.
Beide, also Barhocker-Konservative und Neo-Patriarchale, haben Mühe damit, dass die Rollen der Geschlechter nicht mehr eindeutig definiert sind. Ebenfalls in der Ezra Klein Show erklärt die Journalistin und Buchautorin Christine Emba: «Die Vorstellung, dass sich trans Menschen in der Öffentlichkeit und in der Schule bewegen und – oh Schreck – die gleiche Toilette benützen, ist wirklich bedrohlich für die Rechten und ihr Rollenverständnis der Geschlechter.»
Die Demokraten haben in der Person von Tim Walz die Gegenfigur zum Männlichkeitsideal der Republikaner gefunden. Der Vize von Harris ist ehemaliger Soldat, Sportliebhaber, ein begeisterter Jäger und Schütze, aber er ist kein Macho. Ezra Klein beschreibt ihn wie folgt: «Er ist Football-Trainer, Soldat, der Typ, der dein Auto reparieren kann, aber er ist auch ein Kumpel, ein Mann, der sich wohlfühlt, wenn er einer Frau helfen kann, ein Mann, der keine Angst vor einem sozialen Wandel hat, ein Mann, der dies sogar aufregend findet.»
Mit Walz scheint es den Demokraten gelungen zu sein, eine potente Alternative zum rohen Machismo der Republikaner anzubieten. «In der Vergangenheit haben sich die Republikaner stets als die Partei der Männlichkeit dargestellt», so Emba. «Die Demokraten hingegen waren eher die weibliche Partei. Mit Tim Walz wird dieses Klischee auf den Kopf gestellt. (…) Er zeigt, dass die Demokraten eine Partei geworden sind, in der die Männer den Frauen helfen, sie aber gleichzeitig auch lieben.»
Der Artikel ist ein wenig pathetisch.
Tim Waltz zeigt einfach moderne Männer der 1960er Jahren. Vielleicht moderner als junge Menschen, die mit dem Handy in der Hand geboren wurden und ständig auf Tiktok , Facebook usw. unterwegs sind.
Männer, die sich in ihrem Körper wohlfühlen und deshalb kein Bedürfnis haben, andere zu verhöhnen und zu demütigen.