Die Europäische Kommission hat am Freitag die Verträge mit der Schweiz veröffentlicht. Sie unterbreitete dem Rat der EU die Vertragstexte. Schweizer Parlamentsmitglieder gingen davon aus, dass der Bundesrat am Nachmittag die Vernehmlassung zum Dossier eröffnen würde. Als Erstes berichtete der «Blick» über die Veröffentlichung.
Der Antrag der Kommission an die Mitgliedstaaten der EU umfasst 62 Seiten. Hinzu kommen 13 Anhänge. In diesen sind die Abkommen in den verschiedenen Bereichen geregelt. Der Rat der EU – in welchem die 27 Mitgliedstaaten vertreten sind – muss grünes Licht geben, damit die Kommission die Verträge formell unterzeichnen kann.
Die Verträge wurden im Mai in Bern durch die Chefunterhändler der Schweiz und der EU paraphiert. Unter einer Paraphierung ist in der Diplomatie die vorläufige Unterzeichnung zu verstehen. Was du zum Vertragspaket wissen willst, hier:
Das Vertragspaket umfasst 95 EU-Rechtsakte mit Gesetzescharakter, zudem wird die Schweiz zur Umsetzung des Pakets 32 bestehende Gesetze anpassen und drei neue schaffen müssen. Das Paket gliedert sich in einen Stabilisierungs- und einen Weiterentwicklungsteil.
Im Stabilisierungsteil sollen institutionelle Elemente von bereits bestehenden Binnenmarktabkommen sektoriell verankert werden, wie es in einer Medienmitteilung des Bundesrats heisst. Konkret geht es dabei um die Personenfreizügigkeit, Land- und Luftverkehr und den Abbau technischer Handelshemmnisse.
Weiter werden Bestimmungen über staatliche Beihilfen in die bestehenden Land- und Luftverkehrsabkommen aufgenommen. Zudem enthält das Paket Kooperationsabkommen in den Bereichen Forschung, Bildung und Weltraum sowie die Verstetigung des Schweizer Beitrags zur Stärkung der Kohäsion der EU.
Der Weiterentwicklungsteil umfasst neue Binnenmarktabkommen in den Bereichen Strom und Lebensmittelsicherheit sowie ein neues Kooperationsabkommen im Bereich Gesundheit. Zudem sieht das Paket die Schaffung eines hochrangigen Dielogs auf Ministerebene und eine institutionelle parlamentarische Zusammenarbeit vor.
Der Bundesrat hat an seiner Sitzung die Abkommen gutgeheissen und erneut bekräftigt, dass stabile und vorhersehbare Beziehungen mit der EU notwendig seien. Der bilaterale Weg sei weiter die beste Option für die offene Schweizer Volkswirtschaft. Ein Nichtstun hätte in allen Bereichen negative Auswirkungen für die Schweiz.
Mit dem Paket könne die Schweiz ihr europapolitisches Kernziel erreichen: eine gegenseitige Marktbeteiligung in klar definierten Sektorensowie Kooperationen in ausgewählten Interessenbereichen; dies unter Wahrung des grösstmöglichenpolitischen Handlungsspielraums. Eine Verfassungsänderung sei mithin nicht nötig.
Laut Aussenminister Ignazio Cassis stellt das neue Vertragspaket mit der EU den bilateralen Weg mit einer stabilen Rechtsbasis sicher. «Es stellt keine Wende in der Schweizer Aussenpolitik dar», so Cassis.
Der Bundesrat weist zudem auf den Volkswirtschaftlichen Nutzen des Pakets hin: Gemäss den Modellberechnungen würde das Schweizer BIP im Jahr 2045 ohne die Abkommen der Bilateralen I und bei einer Rückstufung im Bereich Forschung auf den Status eines nicht-assoziierten Drittstaats um 4,9 Prozent tiefer ausfallen als bei funktionierenden Abkommen und voller Assoziierung.
Das Stromabkommen sei dabei von besonderer Bedeutung: Es stärke die Versorgungssicherheit und führt zu tendenziell tieferen Strompreisen. Diese wirkten sich positiv auf die Wirtschaftsaktivität aus, stärken die Wettbewerbsfähigkeit derSchweizer Wirtschaft und verbesserten die Kaufkraft der Haushalte.
Cassis sprach an der Pressekonferenz von einer «wichtigen Etappe, um die Beziehungen mit der EU zu stabilisieren und weiterzuentwickeln». Gute Beziehungen mit Brüssel blieben unverzichtbar.
Der französische EU-Parlamentarier Christophe Grudler hat die Veröffentlichung der Verträge begrüsst. Nun könne die Analysearbeit beginnen, liess er sich am Freitag in einer Medienmitteilung zitieren.
«Die offizielle Veröffentlichung ist ein Schlüsselmoment: Nach jahrelanger Blockade können Bürger, gewählte Abgeordnete und Institutionen endlich auf den genauen Inhalt der Abkommen zugreifen», hiess es weiter. Grudler ist Mitglied im Parlamentsausschuss für die Beziehungen zur Schweiz und Berichterstatter für das Thema.
In der Mitteilung hob er unter anderem die Studierenden- und Arbeitnehmerfreizügigkeit, die Teilnahme der Schweiz an den EU-Programmen sowie die neuen Verträge in den Bereichen Strom und Gesundheit hervor. Grudler sitzt im Parlament in der liberalen Fraktion Renew.
Die Vernehmlassung des Pakets dauert bis zum 31. Oktober 2025. Die Schweiz und die EU haben Übergangsregeln zum Umfang ihrer Partnerschaft für die Phase ab Ende 2024 bis zum Inkrafttreten des Pakets festgelegt. Der Bundesrat wird diesbezüglich eine gemeinsame Erklärung mit der EU-Kommission unterzeichnen. Die Unterzeichnung wird am 24. Juni 2025 in Brüssel stattfinden und hat rückwirkenden Charakter.
Das Abkommen über die Teilnahme der Schweiz an den EU-Programmen (EUPA) wird vom Bundesrat voraussichtlich im November unterzeichnet. Das EUPA wurde am 9. April 2025 von der Regierung gutgeheissen. Die Unterzeichnung ermöglicht eine rückwirkende Assoziierung der Schweiz per 1. Januar 2025 an Horizon Europe, dem Euratom-Programm und dem Digital Europe Programme.
Die Unterzeichnung der übrigen Abkommen und Protokolle Schweiz-EU sowie die Verabschiedung der Botschaft zuhanden des Parlaments werden voraussichtlich im ersten Quartal 2026 erfolgen. Die SVP hat aber bereits Widerstand angekündigt. Am Freitag nannte SVP-Nationalrat Paolo Pamini (TI) die Verträge «ein geplanter Kniefall gegenüber der EU». Deshalb dürfte das riesige Paket wohl im Wahljahr 2027 vor das Volk kommen. (leo/cpf/sda)
Arbeitgeber nutzen die Konkurenz schamlos aus. Vor der Pensionierung Stehende werden viel zu oft entlassen und dafür günstige junge Arbeitnehmer aus der EU eingestellt. Ein Kompromiss könnte sein den neuen EU-Verträgen die die Wirtschaft unbedingt will, nur zuzustimmen wenn wir den Kündigungsschutz aufs Niveau von D anheben. Dabei werden die Bürgerlichen jedoch nicht zustimmen, Dann eben Nein!
Was wäre die Alternative in einer Zeit wo die Welt auseinander zu brechen droht? Mit wem will die Schweiz bilaterale Verträge ohne zusätzliche Verpflichtungen einzugehen abschliessen? Die EU ist zur Zeit mit noch einigen wenigen aussereuropäischen Partnern ein sicherer Hafen für die Schweiz.