Es ist ein Ritual, das sich mit furchtbarer Regelmässigkeit wiederholt: Irgendjemand in den USA dreht durch, greift zu Schusswaffen und tötet unschuldige Menschen. Über die meisten Fälle wird kaum noch berichtet, zu sehr hat man sich daran gewöhnt. Ausser es kommt zu einem Massaker, wie am Dienstag in der texanischen Kleinstadt Uvalde.
Dort tötete ein 18-Jähriger an einer Grundschule 19 Kinder und zwei Erwachsene, ehe er selbst erschossen wurde. Wenn es kleine Kinder trifft, erwachen die Amerikaner für kurze Zeit aus ihrer Lethargie. «Ich habe es satt, ich habe genug!», sagte Basketball-Legende Steve Kerr, derzeit Coach der Golden State Warriors.
Steve Kerr on today's tragic shooting in Uvalde, Texas. pic.twitter.com/lsJ8RzPcmC
— Golden State Warriors (@warriors) May 24, 2022
So denken viele, doch am Ende geschieht nichts. Denn Uvalde ist kein Einzelfall. Bereits zuvor kam es in diesem Jahr gemäss CNN zu mindestens 39 Schiessereien an Primar- und Sekundarschulen, Colleges und Universitäten. Zehn Menschen starben, 51 wurden verletzt. Die Politik aber ist weder willens noch fähig, etwas gegen diese Seuche zu unternehmen.
«Warum lassen wir das ständig zu?», fragte US-Präsident Joe Biden. Sein Vorvorgänger Barack Obama sprach in einem Statement Klartext: «Unser Land ist gelähmt, nicht durch Angst, sondern durch eine Waffenlobby und eine politische Partei, die keine Bereitschaft gezeigt haben, in irgendeiner Weise zu handeln, um diese Tragödien zu verhindern.»
Obama weiss, wovon er spricht. Sein Einsatz für schärfere Waffengesetze war an den Republikanern im Kongress gescheitert, auch nach dem schlimmsten Schulmassaker der US-Geschichte vor bald zehn Jahren an der Sandy-Hook-Grundschule in Newtown im Bundesstaat Connecticut. Damals starben 20 Kinder und sechs Erwachsene.
Chris Murphy, der demokratische Senator von Connecticut, appellierte am Dienstag in einer leidenschaftlichen Rede an seine republikanischen Kollegen. Und wusste genau, dass er auf taube Ohren stossen würde. Denn die Republikaner reagieren auf die Waffengewalt stets mit dem gleichen Reflex: Sie senden «Thoughts and Prayers» – Gedanken und Gebete.
Auch am Dienstag wiederholte sich dieses Muster. Republikanische Politikerinnen und Politiker äussern ihr Mitgefühl und blocken alle konkreten Massnahmen ab. Selbst eine harmlose Forderung wie vertiefte Background-Checks potenzieller Waffenkäufer ist chancenlos, ein Verbot von halbautomatischen Waffen oder Magazinen mit hoher Kapazität erst recht.
Dabei verschanzen sich die Republikaner hinter dem zweiten Zusatzartikel der Verfassung, der es allen Amerikanern erlaube, eine Waffe zu tragen. Ohnehin sei nicht die Waffe das Problem, sondern der Mensch. Senator Thom Tillis aus North Carolina mutmasste am Dienstag über mögliche «Anzeichen», dass der Schütze von Uvalde «gefährdet» war.
Dabei sind Amokschützen oft introvertierte, in sich gekehrte Menschen, bei denen es zu einem plötzlichen, nicht vorhersehbaren Gewaltausbruch kommt. Nach ersten Erkenntnissen passt der mutmassliche Täter von Uvalde in dieses Schema. Sein Motiv ist unklar. Klar ist hingegen: Je einfacher Schusswaffen verfügbar sind, umso tiefer ist die Hemmschwelle.
Die Republikaner bemühen sich nach Kräften, sie immer weiter zu senken. Sie verhalten sich bei den Waffengesetzen antizyklisch zum Abtreibungsrecht. Während sie dieses in den von ihnen regierten Bundesstaaten immer mehr einschränken, erleichtern sie den Kauf von Gewehren und Pistolen. Der «Cowboy-Staat» Texas ist keine Ausnahme.
Gouverneur Greg Abbott, der sich am Dienstag äusserst betroffen zeigte, hatte letztes Jahr ein Gesetz unterzeichnet, das fast alle Einschränkungen für das Tragen einer Schusswaffe aufhob und das Erwerbsalter von 21 auf 18 Jahre senkte. Der Schütze von Uvalde soll die Waffen, mit denen er seine Bluttat verübte, kurz nach seinem 18. Geburtstag gekauft haben.
Dabei befürwortet eine Mehrheit der amerikanischen Bevölkerung in Umfragen schärfere Waffengesetze. Die Zustimmung war zuletzt mit der Corona-Pandemie und der stark gestiegenen Kriminalität in den Städten rückläufig, aber sie liegt nach wie vor bei über 50 Prozent. Allerdings zeigt sich auch bei diesem Thema die tiefe politische Spaltung.
Solange die Basis der Republikaner griffigere Gesetze mehrheitlich ablehnt, wird sich die Partei nicht bewegen. Folglich müssen die Angehörigen der Opfer bei jedem neuen Massaker ihren Albtraum ein weiteres Mal durchleben. Und die Schulkinder in den USA müssen Übungen machen, wie sie sich bei Amokläufen in Sicherheit bringen können.
In den letzten zehn Jahren kam es in den USA zu vier Schiessereien an Schulen mit mehr als zehn Todesopfern, in Newtown und Uvalde sowie 2018 in Parkland (Florida) und Santa Fe (Texas). Es ist nur eine Frage der Zeit, wann es das nächste Mal passiert. Und die Republikaner mit «Thoughts and Prayers» ihr Mitgefühl heucheln können.
Es scheint mir aber, dass Frau das Kind austragen und gebären, sich dann eine Waffe besorgen und dann das Kind erschiessen dürfte ...
Sorry für den Sarkasmus, aber es ist wirklich tragisch, wie die USA tickt :o((