Klimaschutz gibt es nicht zum Nulltarif. Im Gegenteil: Billionen von Dollar werden gebraucht, um weltweit Öl, Gas und Kohle durch saubere Energien zu ersetzen. Um Hitzewellen, Überschwemmungen und andere Katastrophen abzufedern, die als Klimafolgen schon jetzt in manchen Ländern wüten - und ärmere Länder besonders hart treffen.
Doch schon in reichen Staaten wird politisch um jede Milliarde fürs Klima gerungen. Ärmere Länder, die ohnehin wegen hoher Zinsen und Inflation immer tiefer in ihren Schulden versinken, haben das Geld erst recht nicht.
Hier soll eine Reform der internationalen Finanzmärkte ansetzen, die in dieser Woche in Washington an der Frühjahrstagung des Internationalen Währungsfonds und der Weltbank diskutiert wird. Im Fokus: Die Weltbank, deren Hauptaufgabe bisher ist, armen Ländern Geld zu günstigen Konditionen zu leihen mit dem Ziel, deren Wirtschaft zu stärken und Armut zu reduzieren. Sie soll einen neuen Kernauftrag bekommen: Eingreifen bei globalen Krisen wie Klimawandel und Artensterben.
Konkret soll die Weltbank ärmeren Ländern über Darlehen zu billigem Geld verhelfen und die Finanzströme gleichzeitig dorthin lenken, wo sie zur Bekämpfung der Klimakrise benötigt werden. Experten sprechen von «shifting the trillions», einer Umverteilung von Billionen. Nach Schätzungen der UN sind bis 2050 weltweit Klima-Investitionen von 125 Billionen Dollar erforderlich, um die Erderwärmung auf 1.5 Grad zu begrenzen.
Der Reforminitiative zufolge soll die Weltbank Ländern attraktive Zinskonditionen geben, die den Klimaschutz vorantreiben. Zudem sollen die Summen, die sie zur Verfügung stellt, erheblich steigen. Dafür müsse die Bank aber ihr Eigenkapital besser nutzen und die bisher konservative Herangehensweise lockern. Dadurch könnten mehrere Milliarden Dollar mobilisiert werden.
Dass der Weltbank durch vermehrte Investitionen in den Klimaschutz weniger für die Armutsbekämpfung haben könnte, wollen Experten nicht gelten lassen. «Wir müssen deutlich machen: Das ist keine Abkehr vom Entwicklungsfokus der Bank», betont etwa der Staatssekretär des deutschen Entwicklungsministeriums. Gerade unter den ärmsten Ländern litten viele am meisten unter dem Klimawandel, die Investitionen kämen ihnen also zugute.
Ausserdem solle das Geld der Weltbank nur der Hebel sein, um ein Vielfaches an privatem Kapital zu aktivieren. Dann könne man die staatliche Entwicklungshilfe wieder stärker auf die ärmsten Länder richten.
Doch Entwicklungsorganisationen warnen: Die Reform dürfe den reichen Ländern nicht den Druck nehmen, ihre Entwicklungsetats aufzustocken. Die Hilfe der Weltbank sehe auf dem Papier zwar nach viel Geld aus, letztlich seien es aber nur Kredite, so Jan Kowalzig von der Hilfsorganisation Oxfam. Und da komme es darauf an, ob der Aufbau erneuerbarer Energien gefördert werde oder die Anpassung eines Landes an Überschwemmungen und Dürre.
Im Fall erneuerbarer Energien könnten die Kredite Wachstum antreiben und ein Land voranbringen. Bei Häusern auf Pfählen, Frühwarnsystemen gegen Unwetter, Dämmen oder Bewässerungssystemen gehe es aber um den Erhalt des Status quo - für so etwas müsse es Zuschüsse statt Kredite geben, fordert der Experte.
«Ländern Geld zu leihen, um sich an Folgen einer Klimakrise anzupassen, die sie selbst am wenigsten verursacht haben, das ist aus dem Blickwinkel der Klimagerechtigkeit sehr problematisch.» Es treibe ärmere Länder nur noch tiefer in die Schuldenfalle.
Ausserdem unterstütze die Weltbank selbst aktuell noch massiv fossile Energien, wie auch Klimaaktivisten kritisieren. Seit 2015 habe sie 15 Milliarden Dollar an privatem und öffentlichem Kapital etwa für den Ausbau von Kohle, Öl und Gas mobilisiert, heisst es in einem Bericht der NGO-Koalition The Big Shift Global. Hier verspricht die Weltbank bereits seit längerem Änderungen.
Auch der Vorschlag der Bank, ihr Leitbild zu ändern, zielt darauf ab: Dabei geht es darum, den Fokus auf einen erweiterten Wohlstandsbegriff zu legen, der sich nicht nur an klassischen Parametern wie dem Bruttoinlandsprodukt orientiert. Künftig soll es neben der Beendigung der extremen Armut noch viel mehr darum gehen, den gemeinsamen Wohlstand durch eine «nachhaltige, widerstandsfähige und integrative Entwicklung» zu fördern.
«Wir müssen das Augenmerk weiter auf die ärmsten Ländern richten - aber wir brauchen einen integralen Ansatz», sagt Axel van Trotsenburg, der seit rund 35 Jahren für die Weltbank arbeitet und heute Senior Managing Director dort ist, beim Gespräch in Washington. Nach der Corona-Pandemie sei es wichtig zu reflektieren, was die aktuellen Herausforderungen seien. Eine Pandemie oder die Klimakrise würden arme Länder noch tiefer in die Armut stürzen.
Die Weltbank argumentiert daher, dass es sinnvoll sei, derartige Krisen von vornherein mitzudenken. Doch eine tiefgreifende Reform bei einer grossen Organisation wie der Weltbank ist kein einfaches Unterfangen. Die Weltbank sei eine grosse multilaterale Organisation, bei der Steuergeld involviert sei und es verschiedene Interessen gebe, sagt Van Trotsenburg.
Die Reform fällt nun genau in den Wechsel an der Spitze an der Bank. Weltbankchef David Malpass hat im Februar überraschend seinen Rücktritt angekündigt. Der US-Ökonom war wegen einer Äusserung zur Klimakrise in die Kritik geraten. Ihm soll nun mitten im Reformprozess der indisch-amerikanisch Manager Ajay Banga folgen. (oee/sda/awp/dpa)