Es ist nicht einfach, ein Interview mit dem sogenannten «letzten Diktator Europas» zu ergattern. Moskau-Korrespondent Steve Rosenberg des britischen TV-Senders BBC erhielt die Chance, dem belarussischen Machthaber einige kritische Fragen zu stellen. Das sind die interessantesten Stellen:
Die Flüchtlingskrise an der Grenze zwischen Belarus und Polen beschäftigt derzeit Europa. Vor einigen Tagen führte die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merken deswegen mit Lukaschenko Gespräche. Journalist Rosenberg fragte deswegen: «Wie hat Sie Frau Merkel angesprochen? Als Herr Präsident? Herr Lukaschenko? Alexander Grigorjewitsch?» Lukaschenko antwortet genervt:
Rosenberg beharrt darauf, dass es eben wichtig sei. Der Grund: Die EU anerkenne Lukaschenko nicht als legitimen Präsidenten. Dieser meint daraufhin:
Ein Grund, warum die Abstimmungsergebnisse in Belarus immer wieder angezweifelt werden, sind die sowjetisch anmutenden hohen Wahlergebnisse. Rosenberg spricht Lukaschenko darauf an: Wenn Sie, wie Sie behaupten, letztes Jahr von 80 Prozent der Stimmen gewählt wurden, wieso protestierten dann so grosse Menschenmassen in Minsk und im ganzen Land? Das macht doch keinen Sinn?» Der Machthaber antwortet ziemlich harsch:
Lukaschenko will die Frage aber dennoch beantworten. Rosenberg habe 80 Prozent erwähnt. «Das ist nicht meine Zahl, das ist die Zahl von der offiziellen ‹Zentralen Wahlkommission›.» Das sei ein Fakt. Die Protestler hingegen seien egal. «Das machen die Unterstützer des Westens seit 25 Jahren jeweils nach den Wahlen. Immer.» Rosenberg will etwas einwerfen, aber Lukaschenko lässt dies nicht zu:
Journalist Rosenberg bleibt cool und hakt nach: «Sie haben meine Frage nicht beantwortet.» Lukaschenko will davon nichts wissen und droht ihm stattdessen: «Wenn Sie mir nicht zuhören, ist dieses Gespräch vorbei. Wollen Sie das?» Rosenberg sagt nichts. Lukaschenko fährt fort:
Aber bei 80 Prozent hätte man aber doch eine «Überschwemmung der Liebe» erwartet, wirft der Journalist ein. Stattdessen gingen riesige Menschenmassen auf die Strassen und skandierten: «Lukaschenko, tritt zurück!» Er selbst sei doch mit einem Helikopter umhergeflogen, ausgerüstet mit einer AK und einer Schutzweste.
Im Westen könne man vielleicht so eine Liebe simulieren, in Belarus hingegen hätten sich die Menschen bei Pro-Regierungs-Veranstaltungen versammelt und bis jetzt fahren sie mit Nationalflaggen herum, entgegnet Lukaschenko. Denn:
Ok gut, aber was sagt Lukaschenko zur Polizeigewalt gegen friedliche Demonstranten? «Wir haben das alles gesehen», sagt Journalist Rosenberg, und will ihm eigene Videos auf seinem Tablet zeigen. Lukaschenko unterbricht ihn aber:
Rosenberg verwundert:
Lukaschenko räumt ein, dass in Okrestina Zivilisten zusammengeschlagen wurden. Allerdings sei das auch einigen Polizisten während der Proteste widerfahren. «Aber das habt ihr natürlich nicht gezeigt.» Stattdessen greift Lukaschenko auf Whataboutism zurück und stellt die rhetorische Frage, was wohl im Westen, vorallem in den USA passiert wäre, wenn Demonstranten Polizisten angegriffen hätten. Und liefert die Antwort gleich mit:
Rosenberg wechselt das Thema und kommt auf NGOs zu sprechen. «Seit Juli sind 270 Organisationen geschlossen worden ...», fängt er an. Doch Lukaschenko unterbricht ihn sofort:
Und fährt fort: «Aber die Menschen, die eure Unterstützung nutzten, die Gelder von euch erhielten, und hier alles zusammengeschlagen haben ... Falls wir sie nicht bereits liquidiert haben, werden wir dies in naher Zukunft tun.»
«Das ‹Büro für die Rechte von benachteiligten Menschen›? Das ‹Zentrum für Tierliebhaber›? Sind das Waffen des Westen?» Journalist Rosenberg bleibt skeptisch. Lukaschenko will aber davon nichts wissen. Zwar habe er noch nie davon gehört, aber er ist davon überzeugt, dass diese ganzen NGO nur Deckmäntel seien, um eine Revolution anzuzetteln.
Rosenberg bringt eine weitere Zahl: 873. So viele politische Gefangene gebe es derzeit in Belarus. Er kann nicht mal seine Frage fertig formulieren, da platzt Lukaschenko rein:
Und was ist dann mit diesen 873 Menschen? Lukaschenko: «Das sind Leute, die das belarussische Gesetz gebrochen haben.» Aber wie viele politische Gefangene gibt es dann, will der Journalist wissen. Die Antwort:
Rosenberg will es aber genau wissen und fragt nach der Oppositionsführerin Maria Kalesnikawa? Keine politische Gefangene? «Nein, eine westliche Agentin», erklärt Lukaschenko.
(jaw)