Alle lieben Bing Dwen Dwen. Das «Wall Street Journal» bezeichnete ihn als «vielleicht erstes olympisches Maskottchen der jüngeren Geschichte, das mehr Lob als Kritik erhält». Die Plüsch-Version soll in Peking zeitweise ausverkauft gewesen sein, obwohl die Menschen von der «Olympia-Bubble» ausgesperrt sind und die Winterspiele viele Chinesen kalt lassen.
Das ist kein Wunder, denn Bing Dwen Dwen ist ein Panda in einem astronautenartigen Ganzkörper-Anzug. Und Pandas sind nicht einfach beliebt. Es dürfte kaum einen Menschen geben, den diese knuddeligen Tiere gleichgültig lassen. Beim Anblick der schwarzweiss gemusterten Bären wird es selbst einem Misanthropen warm ums Herz.
Der WWF hat den Grossen Panda nicht bloss deshalb zu seinem Wappentier gemacht, weil er nur in einem relativ kleinen Gebiet im Süden Chinas vorkommt und lange vom Aussterben bedroht war (heute gilt er auch dank chinesischen Zuchterfolgen «nur» noch als gefährdet). Der Panda eignet sich schlicht perfekt, um Spenden zu generieren.
Die Kommunistische Partei versucht ebenfalls schon lange, die Popularität des Pandas für ihre Zwecke zu nutzen. In diesem Monat vor genau 50 Jahren begann die sogenannte «Panda-Diplomatie». Damals fand die spektakuläre und als sensationell empfundene Reise des amerikanischen Präsidenten Richard Nixon nach China statt.
Seit der Gründung der Volksrepublik 1949 hatte zwischen den beiden Ländern Eiszeit geherrscht. Die USA anerkannten die nationalistische Regierung in Taiwan als einzige legitime Vertretung Chinas. Nixons Reise wurde zum Gamechanger, und die Kommunisten honorierten dies mit zwei Pandas für den Zoo in Washington.
Seither hat China mehr als 20 Panda-Paare an ausländische Zoos verschenkt oder verliehen. Man findet sie in Berlin und Wien, und das bislang letzte Paar ging 2019 nach Kopenhagen. Seit dem Amtsantritt von Präsident Xi Jinping 2013 wurde die Praxis intensiviert, denn die «Panda-Diplomatie» ist ein Bestandteil seiner globalen Ambitionen.
Xi will die Volksrepublik wieder zum «Reich der Mitte» machen, zum Zentrum der Welt. Gleichzeitig wurde sie unter seiner Herrschaft autoritärer und vor allem nationalistischer. Für die globale Ausstrahlung ist das ein Problem. Obwohl China eine grossartige Kulturnation mit einer jahrtausendealten Tradition ist, fehlt es dem Land an Soft Power.
Während die Populärkultur des Erzfeindes USA weltweit bewundert wird, kann China nicht einmal in der kulturell verwandten Nachbarschaft punkten. Dabei lässt sich dort erleben, wie selbst ein relativ kleines Land wie Südkorea eine unglaubliche Soft Power entwickeln kann, mit K-Pop, seiner Filmszene oder der Netflix-Sensation «Squid Game».
Südkorea ist der beste Beweis für das kreative Potenzial einer freiheitlichen Gesellschaft. Auch Japan sorgt seit Jahrzehnten vor allem mit seinen Filmen international für Aufsehen, derzeit etwa mit dem Oscar-Anwärter «Drive My Car». Selbst in der Volksrepublik China gab es eine Phase, in der so etwas wie ein kultureller Aufbruch stattfand.
Zhang Yimou gehörte einst zu den weltweit renommiertesten Filmregisseuren. Sein Film «Leben!» von 1994 ist ein grandioses Panorama über die Irrungen und Wirrungen des maoistischen China. Prompt durfte er in den dortigen Kinos nicht gezeigt werden. Ein anderes Beispiel ist Ai Weiwei, einer der angesehensten Künstler der Gegenwart.
Er hat das von den Basler Architekten Herzog & de Meuron erbaute Nationalstadion in Peking (als Vogelnest bekannt) mitentworfen. Seit 2015 lebt Ai im Exil und zieht von einem Land zum anderen auf der Suche nach der verlorenen Heimat. Derzeit lebt er in Portugal. Die Credit Suisse hat seiner Stiftung unter fadenscheinigen Gründen das Konto gekündigt.
Sein «Antipode» Zhang Yimou hingegen hat sich mit dem Regime arrangiert. Er inszenierte die Eröffnungs- und Schlussfeier der Sommerspiele 2008 in Peking und nun auch der Winterspiele 2022. Für seine Filme interessiert sich ausserhalb Chinas niemand mehr. Das gilt auch für andere Spielfilme mit militant-nationalistischem Inhalt, etwa die «Wolfskrieger».
Soft Power lässt sich nicht von oben verordnen. Sie braucht einen Nährboden, der im heutigen China nicht vorhanden ist. Deshalb machen die Kommunisten «wieder und wieder den Pandabären zur Geisel für ihre PR-Anstrengungen», so die Tamedia-Zeitungen. Er ist so etwas wie der letzte Sympathieträger, den die Volksrepublik im Ausland vorzeigen kann.
Sie sind schwarz, weiss und asiatisch gleichzeitig.
Der Panda ist nämlich die weltweit einzige Tierart in Staatseigentum. Ja, richtig. Es gibt in der ganzen Welt, keinen einzigen Panda, der nicht der chinesischen Regierung gehört.
Pandas werden an Zoos im Ausland abgegeben. Dabei wird aber vertraglich geregelt, dass allfällige Nachfahren trotzdem in chinesischem Staatsbesitz bleiben.
Insofern zeigt dieser Softpowerversuch sehr gut, was in China falsch läuft.