International
Coronavirus

Dänemark zeigt, was bei der Lockdown-Lockerung schief gehen kann

People queue as Ikea reopened in Gentofte, Denmark, Monday, April 27, 2020, amid the coronavirus outbreak. (Niels Christian Vilmann/Ritzau Scanpix via AP)
Grosser Andrang auf die Ikea-Filiale in Gentofte, Dänemark.Bild: AP

Das Beispiel Dänemark zeigt, was bei der Lockdown-Lockerung schief gehen kann

Es reicht schon die Ankündigung von Öffnungsschritten, dass die Bevölkerung nachlässiger in Sachen Hygiene und Social Distancing wird. Das zeigen Studien aus Skandinaven. Dänemark zieht die Schraube deshalb bereits wieder an.
03.05.2020, 21:3404.05.2020, 06:22
Niels Anner, Kopenhagen / ch media
Mehr «International»

In ganz Europa beginnen in diesen Tagen die Lockerungen nach dem Coronalockdown. Dass jetzt erste Massnahmen vollzogen und weitere angekündigt sind, hat rasch Auswirkungen, wie sich in Skandinavien zeigt. Allein schon die Aussicht auf weniger Restriktionen führt dazu, dass die Disziplin bezüglich Händewaschen und Social Distancing nachlässt. Dies ergibt eine Studie der Universität Aarhus in Dänemark, die in regelmässigen Abständen repräsentative Umfragen zum Verhalten durchführt.

Im Lockdown, so zeigt sich, sind die Regeln zunächst immer besser beachtet worden: Ende März gaben 71 Prozent der Befragten an, sie hätten ihr Verhalten gegenüber dem früheren Alltag «stark geändert»; 25 Prozent hatten das zu einem «gewissen Grad» getan.

>> Coronavirus: Alle News im Liveticker

Frauen sind disziplinierter als Männer

Der Wert «stark verändert» blieb hoch, als die Regierung am 4. April die erste Öffnung ankündigte. Dann sank er stetig, am tiefsten in der Woche der Schulöffnungen auf 58 Prozent. Zuletzt gab es eine Stabilisierung zwischen 60 und 65 Prozent. Frauen und ältere Personen sind dabei disziplinierter als Männer und jüngere Personen.

Gleichzeitig mit der Öffnung der Schulen und Coiffeursalons stieg auch die Anzahl Personen ausserhalb der Familie, die die Befragten trafen. Michael Bang, Verhaltensforscher und Leiter der Studie aus Aarhus, glaubt, dass zwei Faktoren für die Entwicklung verantwortlich sind: Die Leute schauten auf die rückläufigen Ansteckungszahlen, «das macht sie sorglos», sagt er. Zudem sei das ständige Distanzhalten anstrengend, «auch für jene, die finden, die Situation sei nach wie vor ernst.» Da die dänische Regierung auf den 10. Mai neue Lockerungen angekündigt hat, könnte dies die Nachlässigkeit weiter verstärken – eine gefährliche Entwicklung, so Bang, denn steigen die Ansteckungen, merkt man das erst zeitverzögert.

epaselect epa08384971 A composite picture of people lining up at a post office amid the ongoing coronavirus COVID-19 pandemic in Copenhagen, Denmark, 24 April 2020 (issued on 26 April 2020). These ima ...
Hier wird eine Postfiliale in der Hauptstadt Kopenhagen belagert: Das Bild demonstriert, wie verschiedene Kamerawinkel verschiedene Eindrücke generieren können.Bild: EPA

Ähnliche Entwicklungen sieht man auch in Norwegen, wo Handydaten die Reduktion der Bewegungsaktivität der Bevölkerung aufzeigen. Betrug diese zu Beginn des Lockdown noch einen Drittel des Normalen, fiel sie nach Ostern auf zwei Drittel zurück – noch bevor die Restriktionen gelockert wurden.

In Schweden, das weniger Einschränkungen verfügt hat, zeigt die Entwicklung dagegen laut einer wochenweise durchgeführten Umfrage eher in die andere Richtung: Die Schwedinnen und Schweden halten sich zunehmend mehr an die Distanz- und Hygieneregeln. Dies könnte eine Folge der im Vergleich zu den anderen Ländern weiterhin hohen Todeszahlen und Spitalbelegungen sein.

Dänische Behörden besorgt über neue Lockerheit

Bewegungsdaten ergeben, dass viele Personen nach wie vor freiwillig im Homeoffice arbeiten: In Stockholm etwa waren in den Stosszeiten 78 Prozent weniger Leute unterwegs als noch im Januar. Am Abend dagegen, bei den «Freizeitbewegungen», nähern sich die Werte in Schweden dem Normalzustand.

In Dänemark betrachten die Behörden die neue Lockerheit mit Besorgnis. Denn das Ziel ist eine «sehr vorsichtige» Öffnung, um die Ausbreitung der Ansteckungen ganz langsam zuzulassen. Deshalb wurden starke Einschränkungen im Schulbetrieb verfügt – Absperrungen und Aufteilungen in Kleinstgruppen, was zu Platzproblemen führt. Mit einigen Geschäften gibt es Konflikte über Abstandsregeln: Ikea hatte juristisch abgeklärt, dass eine Öffnung in Ordnung sei – musste sich aber dennoch von Wirtschaftsminister Simon Kollerup kritisieren lassen, es sei verfrüht. Auch vier Zoos kündigten an, ihre Tore am 1. Mai wieder zu öffnen, wurden aber von den Gesundheitsbehörden zurückgepfiffen.

Die Polizei hat in den Städten Gebiete abgesperrt, nachdem sich bei schönem Wetter zu viele Personen versammelt hatten. Auch werden Bussen in Höhe von 350 Franken neu ohne Vorwarnung verteilt; dass dabei auch zwei am Rand einer Absperrzone auf ein Kursschiff wartende Männer sowie zwei Familien mit Kindern gebüsst wurden, hat in der Öffentlichkeit für Kopfschütteln gesorgt.

Die Regierung droht derweil damit, die Öffnung zu verlangsamen. Denn die Behörden haben aufgrund von Tests und Modellen berechnet, dass der Reproduktionsfaktor leicht gestiegen ist, dass sich das Virus also wieder rascher ausbreitet. Regierungschefin Mette Frederiksen hat gewarnt, sie werde auch beim nächsten Schritt ab dem 10. Mai zurückhaltend sein. (aargauerzeitung.ch)

DANKE FÜR DIE ♥
Würdest du gerne watson und unseren Journalismus unterstützen? Mehr erfahren
(Du wirst umgeleitet, um die Zahlung abzuschliessen.)
5 CHF
15 CHF
25 CHF
Anderer
twint icon
Oder unterstütze uns per Banküberweisung.
So kam das Coronavirus in die Schweiz – eine Chronologie
1 / 59
Das Coronavirus in der Schweiz – eine Chronologie
31. Dezember 2019: Erste Meldungen über eine mysteriöse Lungenkrankheit, die in der zentralchinesischen Metropole Wuhan ausgebrochen ist, werden publiziert. 27 Erkrankte sind identifiziert.
quelle: keystone
Auf Facebook teilenAuf X teilen
Pence verzichtet bei Klinikbesuch auf Maske
Video: watson
Das könnte dich auch noch interessieren:
61 Kommentare
Weil wir die Kommentar-Debatten weiterhin persönlich moderieren möchten, sehen wir uns gezwungen, die Kommentarfunktion 24 Stunden nach Publikation einer Story zu schliessen. Vielen Dank für dein Verständnis!
Die beliebtesten Kommentare
avatar
Toerpe Zwerg
03.05.2020 20:47registriert Februar 2014
Im Artikel steht weder etwas davon, welche Schrauben angezogen würden in Dänemark noch kann man von steigenden Infektionszahlen lesen.

Was also ist das Problem?
880160
Melden
Zum Kommentar
avatar
Raembe
03.05.2020 22:14registriert April 2014
Seit dem Ausbruch liest man fast nur Worst Case Szenarien und Vergleiche mit anderen Ländern bei denen es nicht läuft. Das ist so negative Berichterstattung und kann bei vielen extreme Ängste auslösen.
Ich wünsche mir das die Medien dem mehr bewusst werden. Etwas mehr positivere Corona News würden schon helfen.

Jetzt werden einige sagen: „Klickt doch nicht auf den Artikel." So einfach ist das für viele nicht, einige geraten in einen Teufelskreis und wollen sich in ihren Ängsten bestätigt fühlen.
35246
Melden
Zum Kommentar
avatar
Locutus70
03.05.2020 21:31registriert September 2018
"In Schweden, das weniger Einschränkungen verfügt hat, zeigt die Entwicklung dagegen laut einer wochenweise durchgeführten Umfrage eher in die andere Richtung: Die Schwedinnen und Schweden halten sich zunehmend mehr an die Distanz- und Hygieneregeln. Dies könnte eine Folge der im Vergleich zu den anderen Ländern weiterhin hohen Todeszahlen und Spitalbelegungen sein." - Vielleicht ist freiwillig aber auch nachhaltiger als Zwang, darüber könnte man ja z. B. mal nachdenken ^^
18564
Melden
Zum Kommentar
61
Erneuter Stichwaffen-Angriff in Sydney – in einer Kirche
Nur zwei Tage nach einer Messerangriffs-Serie eines Täters in Sydney ist es heute zu einem erneuten Attentat gekommen – in einer Kirche.

In der australischen Metropole Sydney ist die Polizei am Montag erneut wegen eines Stich-Angriffs ausgerückt. Die Beamten seien im Vorort Wakeley im Einsatz, nach Meldungen, dass mehrere Menschen niedergestochen seien worden, teilte die Polizei von New South Wales auf der Plattform X (vormals Twitter) mit.

Zur Story