Seit März sind die Fallzahlen in Japan kontinuierlich angestiegen. Zurzeit infizieren sich wieder fast so viele Menschen mit dem Coronavirus wie zu Rekordzeiten Anfang Jahr, täglich zählt man rund 5000 Neuinfektionen im 126 Millionen-Land.
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Im Pro-Kopf-Vergleich mit der Schweiz mag das zwar als wenig erscheinen – doch wie viele andere asiatische Länder fährt Japan eine sehr strikte Strategie mit dem Ziel, das Virus möglichst zu eliminieren. Entsprechend wurde in Tokio und drei weiteren Regionen der Ausnahmezustand bis Ende Mai verlängert. So sind beispielsweise Restaurants und Bars geschlossen. Danach verbleiben noch zwei Monate bis zum Start der Olympischen Spiele.
Auch in Bezug auf die Todesfälle steht Japan viel besser da als die Schweiz. Obwohl das Land über 15 Mal mehr Einwohner hat, verzeichnet es fast exakt gleich viele Covid-Todesopfer: Japan meldet laut der Johns Hopkins University 10'860 Tote, die Schweiz 10'706. Trotzdem: Auch die Todesfälle sind in Japan in den letzten Wochen wieder angestiegen.
Und dann gibt es da wenige Wochen vor Beginn der Olympischen Spiele ein weiteres grosses Fragezeichen: Das Impftempo. Auch wenn Japan verhältnismässig gut durch die Pandemie kam, muss das Land grosse Ausbrüche diesen Sommer um jeden Preis verhindern – denn bisher haben nur ungefähr zwei Prozent der Bevölkerung eine Impfdosis erhalten. Obwohl die Regierung daran arbeitet, bald schon eine Million Impfungen pro Tag zu verabreichen, geht der Prozess bisher schleichend voran.
Zu den Olympischen Spielen werden alleine über 11'000 Athleten und Athletinnen in drei Monaten in Tokio erwartet. Für viele Japaner ist das unverantwortlich – sie wollen die Spiele verschieben oder gleich ganz absagen. Mehr als 315'000 Menschen haben eine entsprechende Online-Petition unterzeichnet.
Es sei nicht miteinander vereinbar, das Leben der Menschen schützen zu wollen und zugleich Olympische Spiele zu veranstalten, sagte auch Yukio Edano der Konstitutionell-Demokratischen Partei. Ein Entscheid könne nicht länger aufgeschoben werden.
Öffentliche Kritik gab's auch von der japanischen Tennisspielerin Naomi Osaka, die am Wochenende bekannt gab, dass die Durchführung der Spiele gründlich diskutiert werden soll – obwohl sie ihr ganzes Leben lang darauf gewartet habe, an den Olympischen Spielen teilzunehmen.
Vorläufig hält die japanische Regierung jedoch an den Spielen fest: «Wir werden unser Bestes tun, um das Leben und die Gesundheit der Menschen zu schützen und ein sicheres Sportfest zu realisieren», sagte Regierungschef Yoshihide Suga am Montag im Parlament. Auf die Frage, ob die Spiele auch stattfinden sollen, selbst wenn die Infektionen einen neuen Höchststand erreichen, antwortete er allerdings mit: «Ich habe die Spiele nie an erste Stelle gesetzt.»
Die Olympischen Sommerspiele sollen am 23. Juli 2021 eröffnet werden. Klar ist schon jetzt: Sie finden ohne ausländische Zuschauer statt.
(mit Material der sda)