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Coronavirus

Chinas Null-Covid-Strategie funktioniert nicht - geändert wird nichts

China war immer stolz auf seinen Null-Covid-Ansatz – nun führt er das Land in ein Desaster

Schanghai ist seit Wochen im Lockdown. Die Folgen für die Bevölkerung und die Wirtschaft sind verheerend. Das Regime in Peking scheint nicht bereit für eine neue Strategie im Umgang mit der hochansteckenden Omikron-Variante.
13.04.2022, 14:3613.04.2022, 15:34
Francesco Benini / ch media
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epa09861665 People receive food in the compound under quarantine amid the lockdown, in Puxi side of the city, in Shanghai, China, 31 March 2022. Shanghai city imposed a strict lockdown amid the COVID- ...
Stadtbewohner im abgeriegelten Schanghai erhalten Lebensmittel.Bild: keystone

China müsste dringend seine Strategie zur Bekämpfung der Pandemie ändern. In Diktaturen sind Kurswechsel aber schwierig, weil der Diktator einräumen müsste, dass er auf neue Lage nicht angemessen reagiert hat.

Seit Ende März ist Schanghai in einem Lockdown. In der chinesischen Wirtschaftsmetropole mit 26 Millionen Einwohnern bedeutet das eine strikte Ausgangssperre. Vielen Menschen, die in ihren Wohnungen eingesperrt sind, gehen die Lebensmittel aus. Und auch die Versorgung mit Medikamenten klappt nicht überall.

China ist gefangen in der Null-Covid-Strategie. Wo immer es zu Ansteckungen kommt, greifen die Behörden zu rigorosen Abschottungen einzelner Wohnblöcke oder Stadtviertel. In Kombination mit Massentests und dem sogenannten Contact Tracing soll so die Ausbreitung des Virus möglichst eingedämmt werden.

Tiefe Immunisierung in der Bevölkerung

Die Massnahmen, die das chinesische Regime anordnet, sind ausserordentlich hart – aber solange die Alpha- und die Deltavariante des Coronavirus zirkulierte, wies Peking stolz auf die vergleichsweise sehr tiefe Zahl von Verstorbenen hin. Im Januar 2021 erklärte Präsident Xi Jinping, man könne klar erkennen, welches politische System am besten mit der Pandemie umgehe.

Nun werden in den demokratischen Ländern des Westens die Corona-Restriktionen aufgehoben. China ist hingegen überfordert mit Omikron. Die Null-Covid-Strategie funktioniert bei der hochansteckenden Variante nicht. Trotz der Verhängung von Ausgangssperren steigen die Infektionszahlen.

In China kommt erschwerend hinzu, dass die im Land hergestellten Impfstoffe gegen die Omikron-Variante keinen guten Schutz bieten. Vakzine aus dem Ausland lässt das Regime nicht zu. Das ist keine Frage der Wirksamkeit, sondern einzig des nationalen Prestiges. Schwache Impfmittel und der Null-Covid-Ansatz führen dazu, dass die Immunisierung der chinesischen Bevölkerung gegen das Virus tief ist.

Das führt jetzt in ein Desaster. Eine Millionenstadt wegen der Omikron-Variante abzuriegeln, ist völlig unverhältnismässig. Es würde genügen, vor allem Risikogruppen zu schützen. Aber auch junge und gesunde Menschen müssen in den eigenen vier Wänden ausharren.

Null-Covid als Dogma des Präsidenten

China bezahlt einen hohen Preis für die Sturheit des Regimes. Es zieht seine Linie hart durch, zeigt sich aber überfordert mit der Aufgabe, Millionen von Menschen mit Lebensmitteln zu versorgen. Dass infizierte Kleinkinder von ihren Eltern getrennt wurden, führte zu heftigen Protesten.

Chinese President Xi Jinping attends a commendation ceremony for role models of the Beijing Winter Olympics and Paralympics at the Great Hall of the People , Friday, April 8, 2022, in Beijing. (AP Pho ...
Neue Lösung gefragt: der Präsident Chinas, Xi Jinping.Bild: keystone

Xi Jinping rechtfertigt das totalitäre System damit, dass es Hunderte Millionen Menschen aus der Armut geführt habe. Das schnelle wirtschaftliche Wachstum ist ihm Rechtfertigung dafür, dass in China viele Menschenrechte missachtet werden. Nun korrigieren die Analysten die Wachstumszahlen für das laufende Jahr nach unten.

In Schanghai stehen Fabriken still, Lieferketten sind unterbrochen, und der riesige Frachthafen ist zwar nicht stillgelegt, operiert aber mit reduzierter Kapazität. In China gibt es 100 Städte mit mehr als einer Million Einwohner. Es ist unvermeidlich, dass sich die Omikron-Variante bald überall ausbreitet.

Für China wäre es verheerend, würde das Regime eine Grossstadt nach der anderen abriegeln. Danach sieht es aber aus. Die Diktatur scheint unfähig, schnell auf eine neue Lage zu reagieren. Null-Covid ist ein Dogma. Die westlichen Demokratien haben mit ihren wechselnden Rezepten die Pandemie schneller hinter sich gelassen.

Xi Jinping will im Herbst von der Kommunistischen Partei für seine bereits dritte fünfjährige Amtszeit als überragender Führer Chinas bestätigt werden. Ein anderer Umgang mit der Pandemie ist von ihm höchstens in Ansätzen zu erwarten. Die Partei wird darauf achten, dass kritische Stimmen zum Verstummen gebracht werden. Der Diktator hat immer recht. Auch wenn er sich in offensichtlicher Weise täuscht. (aargauerzeitung.ch)

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46 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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NathanBiel
13.04.2022 16:48registriert September 2015
China ist am Arsch. Xi runiert gerade das Land und der Westen wird sich wirtschaftlich zurückziehen. Zusammen mit Putin und Nordkorea kann er dann einen abgeschotteten Wirtschaftsraum der Diktaturen machen und die eigene Bevölkerung schikanieren.
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Bär51
13.04.2022 14:46registriert Juni 2019
Das grosse Problem für die Chinesen ist jetzt die tiefe Immunisierung: Wenn sie den Lockdown aufheben, wird bei Omikron eine massive Epidemie eintreten - und die würde wohl das Gesundheitswesen mit den zu erwartenden Zahlen total überfordern!
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Sändle
13.04.2022 15:48registriert Februar 2022
„…Man könne klar erkennen, welches politische System am besten mit der Pandemie umgehe.“
Tja, Hochmut kommt vor dem Fall.
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