International
Deutschland

Wahl in Thüringen: 5 Dinge, die du zum politischen Beben wissen musst

epa08195601 A demonstrator holds a placard reading 'Resign Now' during a protest outside the Free Democratic Party (FDP) headquarters in Berlin, Germany, 05 February 2020. Kemmerich was surp ...
Zahlreiche Menschen demonstrieren am Mittwoch in Deutschland gegen die Wahl des FDP-Politikers Thomas Kemmerich.Bild: EPA

«Schwarzer Tag für Thüringen» – 5 Dinge, die du zum politischen Beben wissen musst

Tabubruch in Deutschland: Völlig überraschend wird der FDP-Politiker Thomas Kemmerich mit Stimmen der rechten AfD zum Ministerpräsidenten Thüringens gewählt. Hat die CDU mit der AfD gemeinsame Sache gemacht? 5 Dinge, die du jetzt dazu wissen musst.
05.02.2020, 20:1405.02.2020, 23:57
Helene Obrist
Folge mir
Mehr «International»

Was ist genau passiert?

Im ostdeutschen Bundesland Thüringen haben heute Mittwoch die Abgeordneten von CDU und FDP gemeinsam mit der AfD einen neuen Ministerpäsidenten gewählt.

Völlig überraschend und mit Stimmen der rechten AfD wurde der FDP-Politiker Thomas Kemmerich gewählt. Er setzte sich im Landtag in Erfurt im entscheidenden dritten Wahlgang auch mit Stimmen von CDU und der rechtspopulistische AfD gegen den bisherigen Amtsinhaber Bodo Ramelow (Linke) durch. Der von der AfD aufgestellte parteilose Kandidat Christoph Kindervater erhielt im dritten Wahlgang keine Stimme.

Warum erhitzt das die Gemüter?

Die Entscheidung zwischen Kemmerich und Ramelow fiel denkbar knapp aus. Auf den bisherigen Regierungschef entfielen 44 Stimmen, Kemmerich erhielt 45. Es gab eine Enthaltung.

Thomas Kemmerich und seine FDP-Fraktion sind die kleinste Partei im Landtag. Kemmerich wird zu einem Ministerpäsidenten ohne Koalitionsvertrag, ohne Kabinett und ohne Regierungsprogramm. Stein des Anstosses ist aber ein anderer: «Das ist das erste Mal in der Geschichte der Bundesrepublik, dass ein Ministerpräsident mit den Stimmen der AfD ins Amt gewählt wurde», sagte der Erfurter Politikwissenschaftler André Brodocz im Mitteldeutschen Rundfunk (MDR).

Viele Politiker und Bürger fühlen sich ob dieser Wahl vor den Kopf gestossen. Denn lange Zeit haben CDU und FDP gesagt, dass sie keinen Kandidaten wählen lassen, der von der AfD unterstütz wird. «Man muss davon ausgehen, dass es Hintergrundabsprachen zwischen CDU und AfD gegeben hat», erklärt Politikwissenschaftler Hans Vorländer in einem Interview mit watson.de. Laut Vorländer werde dieses Ergebnis zu grossen Erschütterungen innerhalb der CDU führen. Die Glaubwürdigkeit der Partei steht auf dem Spiel und ganz Deutschland fragt sich derzeit: Hat die CDU mit der AfD gemeinsame Sache gemacht?

Wie reagiert die Politik?

Die Wahl von Kemmerich stösst auf Unmut und Entsetzen. Viele Deutsche Politiker, darunter Katja Suding, Vorsitzende der FDP-Bundestagsfraktion, fordern Neuwahlen. Kemmerich hätte die Wahl nie annehmen dürfen, so Suding.

In einem Pressestatement bezeichnete die CDU Deutschland die Wahl Kemmerichs als «schwarzen Tag für Thüringen». Kramp-Karrenbauer plädierte für eine neuerliche Wahl in Thüringen – sieht sich aber gleichzeitig Angriffen ausgesetzt, die eigene Partei nicht im Griff zu haben.

Zudem machte die CDU-Chefin der eigenen Fraktion im Thüringer Landtag scharfe Vorwürfe. Die CDU-Abgeordneten hätten ausdrücklich gegen die Forderungen und Bitten der Bundespartei gehandelt, indem sie mit der AfD einem FDP-Kandidaten ins Amt halfen.

Auch der Grünen-Chef Robert Habeckt kritisiert das Verhalten des Thüringer Landtages scharf. Die Brandmauer zur AfD sei wissentlich eingerissen worden, es handle sich dabei «weder um Zufall, noch Versehen».

Wie reagieren die Bürger?

Nicht weniger empört klingen zahlreiche Stimmen aus der Bevölkerung. Nebst Thüringen haben sich auch in Berlin vor der FDP-Zentrale in Berlin und in Leipzig hunderte von Demonstranten versammelt.

Auch auf Twitter kursieren unter dem Hashtag #thueringen unzählige hämische Botschaften.

Was geschieht jetzt als nächstes?

Vorerst nicht viel. Trotz der Forderungen der Bundesspitzen von CDU und CSU nach Neuwahlen in Thüringen hat sich die dortige CDU-Fraktion dagegen ausgesprochen. «Wir sehen unsere Verantwortung darin, Stillstand und Neuwahlen zu vermeiden», erklärte ein Sprecher der Fraktion am Mittwoch.

Mit Material von der sda

DANKE FÜR DIE ♥
Würdest du gerne watson und unseren Journalismus unterstützen? Mehr erfahren
(Du wirst umgeleitet, um die Zahlung abzuschliessen.)
5 CHF
15 CHF
25 CHF
Anderer
twint icon
Oder unterstütze uns per Banküberweisung.
11 denkwürdige Oscar-Looks
1 / 13
11 denkwürdige Oscar-Looks
Barbra Streisand nahm ihren Oscar für «Funny Girl» 1969 in einem durchsichtigen Hosenanzug entgegen.
quelle: ap/ap / george birch
Auf Facebook teilenAuf X teilen
Sie wollen die Migration Richtung Europa stoppen
Video: srf
Das könnte dich auch noch interessieren:
243 Kommentare
Weil wir die Kommentar-Debatten weiterhin persönlich moderieren möchten, sehen wir uns gezwungen, die Kommentarfunktion 24 Stunden nach Publikation einer Story zu schliessen. Vielen Dank für dein Verständnis!
Die beliebtesten Kommentare
avatar
Ritter Kunibert
05.02.2020 20:28registriert Mai 2017
Inwiefern ist das jetzt überraschend und wieso soll es absprachen gegeben haben? Logisch wählt die AFD eher ein FDPler anstatt einen Vertreter von „Die Linke“... Besonders wenn der eigene Kandidat keine Chance hat... Sorry, was für eine übertriebene Reaktion... einmal mehr...
618296
Melden
Zum Kommentar
avatar
Madison Pierce
05.02.2020 20:54registriert September 2015
Verstehe das Drama nicht: logisch wählen CDU, FDP und auch AfD lieber den Kandidaten der FDP als den der Linken. Er steht ihnen politisch halt näher.

Hätten sie den Kandidaten der AfD gewählt, könnte ich das Geschrei nachvollziehen, aber so nicht.

Die CDU konnte ja nicht glaubwürdig den linken Kandidaten wählen, nur weil der von der FDP mutmasslich auch von der AfD gewählt werden wird. (Was man zu dem Zeitpunkt nicht wissen konnte, denn die AfD hatte ja selbst einen Kandidaten aufgestellt.)
374124
Melden
Zum Kommentar
avatar
Adumdum
05.02.2020 22:10registriert Juli 2014
OK, ich finde die AfD auch zum K... Aber: das ist eine legale Partei, und wir reden hier von demokratischen Wählen.

Wenn die AfD verboten werden soll, dann stellt bitte die entsprechenden Anträge und lässt die Justiz walten.

Ansonsten: Zeit, sich mal politisch mit denen - und deren Wählern - auseinanderzusetzen, ohne Geschrei, mit Argumenten, so wie man das von denen auch erwartet.

Dasselbe Problem in den USA: es gibt halt Wähler - viele Wähler! - die finden Trump gut. Das mag man Scheisse finden, aber mit den dauernden persönlichen Angriffen spielt man denen nur in die Karten.
15336
Melden
Zum Kommentar
243
WHO: In 50 Jahren 154 Millionen Menschen durch Impfungen gerettet

In den vergangenen 50 Jahren haben Impfungen laut einer Studie der Weltgesundheitsorganisation (WHO) 154 Millionen Menschen gerettet - davon 146 Millionen Kinder unter fünf Jahren.

Zur Story