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Ungarn verliert Anspruch auf eine Milliarde EU-Gelder

epa11787366 Hungarian Prime Minister Viktor Orban delivers his speech during a common statement that concluded the official meeting with his Romanian counterpart Marcel Ciolacu, at the Victoria Palace ...
Hat es nicht immer so mit der Rechtsstaatlichkeit: Ungarns Premierminister Viktor Orban.Bild: keystone

Weil sie Reformen nicht umsetzten: Ungarn verliert eine Milliarde EU-Gelder

Ungarn hat wegen Verstössen gegen die Rechtsstaatlichkeit den Anspruch auf EU-Hilfen in Höhe von rund einer Milliarde Euro verloren.
01.01.2025, 08:4701.01.2025, 13:45
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Bei den verfallenen Mitteln handelt es sich um 1,04 Milliarden Euro, die für Ungarn aus Programmen zur Förderung strukturschwacher Gebiete vorgesehen waren. Die Gelder waren Ende 2022 eingefroren worden, weil die EU-Kommission nach Analysen zum Schluss gekommen war, dass Ungarn verschiedene EU-Standards und Grundwerte missachtet.

Zur Freigabe der Gelder hätte Ungarn bis Jahresende ausreichende Reformen umsetzen müssen. Dazu gehören unter anderem Änderungen von Gesetzen zur Vermeidung von Interessenkonflikten und Korruptionsbekämpfung. Das ist aber nicht passiert.

Die Führung in Budapest reagierte verständnislos auf den Verfall der Gelder. «Die ungarische Regierung hat alle Bedingungen für die Abrufung der EU-Ressourcen erfüllt», schrieb Europa-Minister Janos Boka vor dem Jahreswechsel auf seiner Facebook-Seite. «Brüssel will die Gelder, die Ungarn und den ungarischen Menschen zustehen, aus politischen Gründen wegnehmen», fügte er hinzu.

Milliarden-Kredit aus China als Plan B

Um Finanzierungslücken zu füllen, setzte Ungarns rechtspopulistischer Ministerpräsident Viktor Orban zuletzt unter anderem auf China. Im April rief Ungarn einen Kredit in Höhe von einer Milliarde Euro ab, den das Land bei chinesischen Staatsbanken aufnahm. Das geschah diskret und wurde erst im Juli bekannt, als das ungarische Zentrum für Staatsschulden (AKK) ein paar Eckdaten dazu veröffentlichte. Demnach hat das Darlehen eine Laufzeit von drei Jahren. Die Höhe der Zinsen und die Tilgungsintervalle sind nicht bekannt.

China ist in Ungarn stark aktiv. Der E-Auto-Hersteller BYD baut ein grosses Werk im südungarischen Szeged, der Batteriezellen-Erzeuger Catl eine Mega-Fabrik im ostungarischen Debrecen. Chinesische Unternehmen bauen die neue Bahnstrecke von Budapest in die serbische Hauptstadt Belgrad. Für den Bau des ungarischen Abschnitts nahm Ungarn bei der chinesischen Exim-Bank einen Kredit von fast 900 Millionen Euro auf.

Trotz der chinesischen Finanzhilfen versucht Orban weiter, eingefrorene EU-Mittel freizubekommen. Insgesamt sind derzeit laut EU-Kommission rund 19 Milliarden Euro EU-Gelder für Ungarn blockiert, darunter weitere Fördermittel und Corona-Hilfen. Anfang Dezember hatte Orban mit einem Veto gegen den nächsten Sieben-Jahre-Haushalt der EU gedroht, falls Brüssel die derzeit für Ungarn blockierten EU-Gelder nicht freigibt. Über den nächsten langfristigen EU-Haushalt von 2028 bis 2035 beginnen die Verhandlungen voraussichtlich Mitte 2025.

Brüssel zwischen Druck und Kompromiss

Es war nicht das erste Mal, dass Orban mit Blockaden zentraler EU-Entscheidungen drohte. So verweigerte er erst beim EU-Gipfel Mitte Dezember seine Zustimmung zur Verlängerung der Ende Januar auslaufenden Russland-Sanktionen. Diplomaten vermuteten, dass er auch in anderen Bereichen Zugeständnisse der EU-Partner erpressen wolle – etwa die Freigabe eingefrorener EU-Gelder.

Im Dezember 2023 hatte die Kommission trotz anhaltender Kritik an Verstössen gegen rechtsstaatliche Prinzipien in Ungarn eingefrorene EU-Fördermittel in Höhe von rund zehn Milliarden Euro für das Land freigegeben. Europa-Abgeordnete – auch solche aus Reihen der deutschen Regierungsparteien SPD, Grüne und FDP – kritisierten dies damals und warfen Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen vor, sich von Ungarn erpressen zu lassen. Orban hatte zuvor angekündigt, den Beginn von EU-Beitrittsverhandlungen mit der Ukraine und ein milliardenschweres Hilfspaket der EU für das von Russland angegriffene Land zu blockieren. (sda/dpa)

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113 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Gier
01.01.2025 08:56registriert Oktober 2023
Das gefällt, Putins Freunde sollen es spüren, dass sie Putins Freunde sind.
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Quaerentius
01.01.2025 09:02registriert Mai 2022
Sehr gut so! Wenn die EU doch aber nur auch Russland gegenüber so konsequent wäre!
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Gerd Müller
01.01.2025 09:31registriert August 2022
Auch Unterlassungen haben Konsequenzen, wer hätte das gedacht. Angesichts Ungarns ohnehin angespannter Finanzlage wird Orbán jetzt noch weniger Geld an Günstlinge verteilen können.
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