Der Hauptangeklagte im Missbrauchsprozess in Avignon ist wegen schwerer Vergewaltigung zu 20 Jahren Haft verurteilt worden. Dominique Pelicot hatte seine damalige Frau Gisèle fast zehn Jahre lang immer wieder mit Medikamenten betäubt, missbraucht und von Dutzenden Fremden vergewaltigen lassen. Die Taten hatte er vor Gericht gestanden. Das Urteil gegen den 72-Jährigen ist noch nicht rechtskräftig.
Die Anwältin des Ex-Mannes, Béatrice Zavarro, sagte nach der Verkündung, ihr Mandat habe das Urteil zur Kenntnis genommen. Ob er in Berufung gehe, sei noch nicht entschieden.
Die Anklage hat teils lange Strafen für Mitangeklagte gefordert.
In dem Mammutverfahren in Südfrankreich standen neben dem Hauptangeklagten 50 weitere Männer vor Gericht – die meisten wegen Vergewaltigung. Lediglich einen von ihnen sprach das Gericht wegen versuchter Vergewaltigung schuldig, zweien legte es sexuelle Gewalt zu Last.
Alle anderen verurteilte das Gericht wegen schwerer Vergewaltigung. Es verhängte für die 50 Männer Haftstrafen zwischen 3 und 15 Jahren. Eine Handvoll der Verurteilten kommt wegen der bereits verbüssten Untersuchungshaft auf freien Fuss. In der Summe blieb das Gericht mit seinem Strafmass deutlich unter den Forderungen der Staatsanwaltschaft, die bis zu 18 Jahre Gefängnis gefordert hatte.
Nebenklageanwalt Antoine Camus sagte: «Jeder hat in seinem Mass, auf seinem Niveau zu dieser Monstrosität, zu diesem Martyrium dieser Frau beigetragen.» Zum Tatzeitpunkt sollen die Männer zwischen 21 und 68 Jahren alt gewesen sein. Dominique Pelicot suchte den Kontakt zu ihnen auf einer Online-Plattform.
Nach den Urteilen im Missbrauchsverfahren von Avignon hat Gisèle Pelicot die Hoffnung geäussert, dass der Prozess die Gesellschaft verändert. «Ich habe heute Vertrauen in unsere Fähigkeit, gemeinsam eine Zukunft in die Hand zu nehmen, in der jeder, Frau und Mann, in Harmonie, mit Respekt und in gegenseitigem Verständnis leben kann», sagte Pelicot zu Prozessende im Gericht. Sie hoffe, dass die Gesellschaft die Debatten, die während des Prozesses geführt wurden, aufgreifen konnte. «Ich denke schliesslich an die nicht anerkannten Opfer, deren Geschichten oft im Dunkeln bleiben. Ich möchte, dass sie wissen, dass wir denselben Kampf teilen», sagte Pelicot.
Auf die Frage, ob sie mit den verhängten Strafen zufrieden sei, sagte Pelicot, dass sie die Strafen respektiere. Die Entscheidung, den Prozess öffentlich zu führen, habe sie nie bereut. «Der Prozess war eine sehr schwere Prüfung», sagte sie aber auch. Sie habe diesen Kampf auch für ihre Kinder geführt. «Es lässt mich wirklich an meine Enkelkinder denken.»
Der jahrelange sexuelle Missbrauch von Gisèle Pelicot war vor vier Jahren eher zufällig aufgeflogen. Dominique Pelicot war im September 2020 festgenommen worden, nachdem er Frauen im Supermarkt unter den Rock gefilmt hatte. Polizisten untersuchten den Computer des Mannes. Dieser hatte den Missbrauch an seiner Frau in Hunderten Fotos und Videos dokumentiert.
Gisèle selbst, hatte die Übergriffe wegen der starken Medikamente, die ihr damaliger Mann ihr heimlich verabreicht hatte, nicht mitbekommen. Sie geht davon aus, etwa 200 Vergewaltigungen erlitten zu haben. Die Ermittler vermuten auch ein Dutzend weitere Täter, die aber nicht identifiziert werden konnten.
Das seit September laufende Verfahren hat Frankreich aufgerüttelt. In einem ungewöhnlichen Schritt entschied sich Gisèle Pelicot dazu, den Prozess nicht hinter verschlossenen Türen führen zu lassen. Sie habe sich nichts vorzuwerfen, betonte die Anfang-Siebzigjährige.
In nur wenigen Wochen wurde Pelicot zum Vorbild und zur feministischen Ikone. Sie wolle, dass andere missbrauchte Frauen durch sie Mut bekämen, sagte sie vor Gericht. «Ich will, dass sie keine Schande mehr verspüren. Nicht wir sollten uns schämen, sondern sie.» (dab/sda/dpa)
Ich kann ja nachvollziehen, dass TIME Magazine die Orange wegen ihrer Bedeutung für die Weltpolitik gewählt hat (ob diese nun positiv oder negativ ist). Aber für mich ist Gisèle Pelicot Person of the Year. Mit Abstand!
ich bewundere sie für diesen mutigen Schritt.
und ich denke auch genau dieser mutige Schritt von Gisèle Pelicot, wird auch die Urteile etwas härter ausfallen lassen, weil seit Monaten die Öffentlichkeit auf diesen Prozess schaut. kein Richter wird es hier wohl wagen, die Urteile abzumildern.