Brett- und Kartenspiele haben während der Weihnachtszeit Hochkonjunktur. Euphorisch sitzen Familien und Freunde zusammen, um gegen ihre Liebsten anzutreten. Spätestens wenn ein Spieler zweimal verliert, beginnt die harmonische Weihnachtsstimmung meistens zu bröckeln.
In Frankreich ist die Spieleuphorie bereits entgleist – zumindest in gewissen politischen Kreisen.
Auslöser der vorweihnächtlichen Disharmonie: Das Kartenspiel «Antifa Le Jeu». Das Spiel hat für eine Kontroverse gesorgt und wurde nach Kritik aus rechten Kreisen und der Polizeigewerkschaft aus den Regalen verbannt. Doch den Urhebern kommt dies gar nicht ungelegen.
Die Kontroverse um das antifaschistische Spiel in vier Punkten:
Das Kartenspiel «Antifa Le Jeu» ist ein Simulationsspiel, bei dem man antifaschistische Gruppen leiten und Aktionen durchführen muss. Jeder Spieler schlüpft dabei in eine Rolle eines antifaschistischen Aktivisten, der gegen Rechtsextremismus, Rassismus und Sexismus vorgehen muss.
Eines der möglichen Szenarien: Du musst als Aktivist gegen eine Neonazi-Bande vorgehen, die versucht, deine Region einzunehmen.
Das Spiel ist von langjährigen antifaschistischen Aktivisten, dem Kollektiv La Horde, konzipiert und dem Hersteller zufolge von realen Ereignissen inspiriert worden. Erstmals veröffentlicht wurde das Spiel 2021.
Bereits letztes Jahr war das Spiel ein Verkaufsschlager: Dem Spielherausgeber zufolge sei die erste Auflage von 4000 Stück nach wenigen Wochen ausverkauft gewesen. In diesem Jahr ist die Nachfrage noch grösser: Der Nachdruck in leicht abgeänderter Form von weiteren 4000 Exemplaren sei nach wenigen Stunden vergriffen gewesen.
1/2. Ami·es et camarades,
— Éditions Libertalia (@LibertaliaLivre) November 28, 2022
Grâce à votre solidarité, le tirage de la nouvelle édition du jeu Antifa est épuisé sur notre site.
Nous allons le réimprimer.
Mais, en raison des pénuries de papier, cela prendra plusieurs semaines et nous ne serons en mesure de livrer qu'en janvier. pic.twitter.com/UWSb1CLMQZ
Die ersten negativen Stimmen gab es bereits bei der Erstauflage im Jahr 2021 – doch sie blieben ungehört.
Damals schrieb Nicolas Cresson auf Twitter: «Diese Selbstgefälligkeit gegenüber diesen extremistischen Gruppen ist inakzeptabel.» Cresson ist Mitglied des Nationalrats der Front National (RN), einer rechtsextremen Partei in Frankreich. Seine Worte richtete er direkt auch an Fnac, eine französische Handelskette, die weltweit Unterhaltungsprodukte verkauft.
Sérieusement @fnac ? Cette complaisance vis à vis de ces groupes d'extrémistes est inadmissible.
— Cresson Nicolas (@Cresson_Ni) December 6, 2021
" Par des militants antifascistes[..] inspiré de faits réels, Antifa, le jeu est aussi un outil de formation"@MLP_officiel dissoudra ces groupuscules ultras violents.
🇫🇷#Mlafrance🇫🇷 pic.twitter.com/yW6vM4zP7R
Doch der Tweet im Dezember 2021 war nicht die Zündschnur, welche die Kontroverse auslöste. Fnac reagierte zunächst nicht, bis im November 2022 ein weiterer Politiker der Front National einschritt, als die Neuauflage gerade auf den Markt kam. Der rechte Politiker Grégoire de Fournas prangert das Spiel und den Vertreiber auf Twitter an:
Case 1 : « je bloque une fac »
— Grégoire de Fournas (@gdefournas) November 26, 2022
Case 2 : « je tabasse un militant de droite »
Case 3 : « j’attaque un meeting du RN »
Case 4 : « je lance un cocktail Molotov sur les CRS »
La @Fnac vous n’avez pas honte ? pic.twitter.com/wlSY6eJFam
Nun nahm die Geschichte Fahrt auf. Auf Druck der Gewerkschaft der nationalen Polizeikommissare (SCPN) wurde das Spiel schliesslich aus dem Verkauf genommen, da es zu Gewalt aufrufe.
«Wir verstehen, dass die Vermarktung dieses Spiels einige unserer Zielgruppen möglicherweise beleidigt hat. Wir tun alles Notwendige, um sicherzustellen, dass es in den kommenden Stunden nicht mehr verfügbar ist», untschuldigte sich der französische Konzern Fnac auf Twitter.
Doch dies ist nicht das Ende der Geschichte – schon gar nicht das Ende von «Antifa Le Jeu».
Der Klimajournalist der französischen Zeitung «Mediapart» kritisierte Grégoire de Fournas. Er warf dem Politiker falsche Behauptungen vor: «Diese Felder existieren in diesem Spiel nicht. Fnac zog das Spiel zurück, nachdem diese falsche Behauptung veröffentlicht wurde.»
1) Ces cases n'existent pas dans ce jeu.
— Mickaël Correia (@MickaCorreia) November 28, 2022
2) En fait, il n'y a aucune case puisqu'il s'agit d'un jeu de cartes.
3) @fnac a retiré le jeu suite à cette incoyable fake news lachée par le député RN auteur du "Qu'il(s) retourne(nt) en Afrique". https://t.co/DJIomk7h2b
Fnac hat darauf nicht geantwortet. Grégoire de Fournas hingegen schon. Er gesteht, dass sein Tweet «ironisch» gemeint war:
Il n’y a que la gauche qui fait semblant de ne pas comprendre que ce tweet était ironique car elle est gênée par la réalité de ces milices antifas qui bloquent des facs, tabassent des militants de droite, attaquent des meeting RN et lancent des cocktails Molotov sur les CRS ! https://t.co/oXEB425ext
— Grégoire de Fournas (@gdefournas) November 28, 2022
Fakt ist: Für die Herausgeber ist die Kontroverse um das Spiel ein voller Erfolg. Kurz nach dem Rückzug twitterte der Verleger, dass das Spiel sowieso ausverkauft sei.
Die nächste Auflage sei bereits in Produktion. Pünktlich zu Weihnachten wird das Spiel aber wohl nicht mehr erhältlich sein: «Aufgrund von Papierknappheit wird dies jedoch einige Wochen dauern und wir können erst im Januar liefern», schreibt der Herausgeber.
1/2. Ami·es et camarades,
— Éditions Libertalia (@LibertaliaLivre) November 28, 2022
Grâce à votre solidarité, le tirage de la nouvelle édition du jeu Antifa est épuisé sur notre site.
Nous allons le réimprimer.
Mais, en raison des pénuries de papier, cela prendra plusieurs semaines et nous ne serons en mesure de livrer qu'en janvier. pic.twitter.com/UWSb1CLMQZ
(cst)
Uhu-ciao
In vino veritas
Elmas Lento