Entführung, erzwungene Rückkehr, Folter und eine Einschüchterungskampagne: Der oberste Gerichtshof Grossbritanniens veröffentlichte am Donnerstag eine Reihe von Urteilen, die den Emir von Dubai schwer belasten.
Scheich Mohammed versuchte vergebens, die Urteile aus der Öffentlichkeit fernzuhalten. Er bestand darauf, dass der Fall eine Privatangelegenheit sei. Das Gericht entschied jedoch, dass der Fall von öffentlichem Interesse sei. Ausserdem wurde dem Emir vorgeworfen, nicht «offen und ehrlich» gegenüber den Gericht gewesen zu sein.
Seine Ex-Frau, Prinzessin Haya, hat vor acht Monaten Anklage gegen ihn erhoben. Sie beantragte Schutz sowie das Sorgerecht ihrer zwei Kinder.
Das Gericht sah es als erwiesen an, dass Scheich Mohammed für die Entführung und erzwungene Rückkehr zwei seiner Töchter aus einer anderen Ehe verantwortlich ist.
Begonnen hat alles mit der Flucht seiner Tochter Schamsa im Jahre 2000. Schamsa soll damals aus dem 75 Millionen Pfund (umgerechnet knapp 94 Mio. CHF) teuren Anwesen der Familie bei Chobham in der englischen Grafschaft Surrey geflohen sein.
Der damals 18 Jahre alten Tochter gelang es, ihre Bewacher auszutricksen und das mit einem Sicherheitszaun und Überwachungskameras gesicherte Gelände zu verlassen. Trotz einer umfangreichen Suchaktion, bei der das Sicherheitspersonal in Autos und sogar hoch zu Ross nach der Prinzessin fahndete, entkam Schamsa.
Doch nach einigen Wochen wurde sie offenbar im August desselben Jahres nach dem Besuch einer Bar in Cambridge entführt. Ein Auto mit vier Insassen habe neben ihr gehalten und sie sei zum Einsteigen gezwungen worden.
Die Männer, die zum persönlichen Stab des Scheichs gehörten, sollen sie zu seinem Anwesen in Newmarket gefahren haben; von dort sei sie dann am nächsten Tag per Helikopter zum Flughafen gebracht und über Frankreich nach Dubai ausgeflogen worden. Bis heute wird sie dort gefangen gehalten.
Prinzessin Latifa al Maktum versuchte ebenfalls, von ihrem Vater zu fliehen. Erstmals im Jahre 2002, dieser Versuch scheiterte jedoch und Latifa wurde für mehr als drei Jahre in ein Gefängnis in Dubai gesteckt.
Ihr zweiter Versuch folgte im Jahr 2018. Es hätte eine spektakuläre Flucht werden können – scheiterte jedoch ebenfalls. Die heute 33-jährige Latifa wurde im März 2018 vor der indischen Küste entführt und nach Dubai zurückgebracht. Auch sie verweilt bis heute unter Hausarrest.
Vor ihrer Flucht hat die Prinzessin ein 40-minütiges Video aufgenommen, in dem sie schwere Vorwürfe gegen ihren Vater erhebt.
In dem Video erklärt die Prinzessin, ihr Vater – der Scheich ist als Reformer bekannt, der den Golfstaat modernisiert hat – lege grossen Wert auf seine Reputation. Doch sein Image als Modernisierer sei nur Fassade; in Wahrheit handle es sich um einen skrupellosen Gewaltherrscher, der beispielsweise eine Ehefrau seines verstorbenen Bruders habe töten lassen, weil er sie nicht mochte und sie zu viel redete.
Scheich Mohammed vermochte es zunächst, seine Frau davon zu überzeugen, dass er die beiden Prinzessinnen nicht entführt, sondern gerettet hat und dass diese nun bei ihrer Familie in Sicherheit seien.
Anfang 2019 kamen Prinzessin Haya jedoch erste Zweifel. Sie äusserte ihre Bedenken auch. Wie die «BBC» berichtet, fing sie zudem eine Affäre mit ihrem britischen Bodyguard an.
Um Haya ruhig zu halten, sieht es der oberste Gerichtshof Grossbritanniens als erwiesen an, dass Agenten des Emirs damit begannen, die Prinzessin einzuschüchtern. Zweimal wurde ihr eine entsicherte Waffe auf das Kopfkissen gelegt. Sogar ein Hubschrauber soll vor ihrem Haus gelandet sein – die Piloten haben ihr gedroht, sie in ein abgelegenes Wüstengefängnis zu bringen.
Der Richter entschied, dass «der Vater daher ab Ende 2018 in einer Weise gehandelt hat, die darauf abzielte, die Mutter einzuschüchtern und zu erschrecken, und dass er andere ermutigt hat, dies in seinem Namen zu tun».
Im April 2019 folgte die Flucht der Prinzessin nach England. Sie nahm ihre zwei Kinder mit sich und beantragte das Sorgerecht für die beiden.
Der oberste Gerichtshof hielt Hayas sowie die Geschichte der beiden Töchter Schamsa und Latifa für glaubwürdig. Auch hielt es das Gericht für wahrscheinlich, dass Scheich Mohammed die beiden Töchter, die sieben und elf Jahre alt sind, ebenfalls entführen und gewaltsam nach Dubai zurückbringen könnte.
Dabei hat der Emir mit einigen Aktionen seiner eigenen Glaubwürdigkeit keinen Gefallen getan. So hat er zum Beispiel ein Gedicht mit dem Titel «Du lebst, Du stirbst» auf Social Media veröffentlicht.
Wahrscheinlich nicht viel. Zumindest rechtlich hat Mohammed keine Auswirkungen zu befürchten. Als Emir von Dubai geniesst er Immunität vor Strafverfolgung. Ob seine Ex-Frau das Sorgerecht für die Kinder zugesprochen bekommen hat, ist nicht öffentlich geworden.
Das Urteil stellt jedoch einen herben Gesichtsverlust für Scheich Mohammed dar. Der Emir gilt als enger Freund der Queen. Auch ist er ein globales Aushängeschild für den Pferderennsport. Er ist der Besitzer und Gründer des Vollblut-Pferderennstalls «Godolphin Racing».
Das veröffentlichte Gerichtsurteil sorgte für Jubel bei Menschenrechtsorganisationen. Die Kampagne «Free Latifa» schrieb in einer Mitteilung: