Nach der Vereidigung der neuen rechts-religiösen Regierung in Israel ist es bereits zu ersten Protesten gekommen. Am Donnerstagabend blockierten Hunderte von Demonstranten in Tel Aviv eine Schnellstrasse.
Sie pochten auf die Rechte der LGBTQ-Gemeinde in Israel. LGBTQ ist die englische Abkürzung für lesbisch, schwul, bisexuell, transgender und queer. Sie fürchten nach schwulenfeindlichen Äusserungen von Koalitionsmitgliedern Einschränkungen.
Hila Peer, Vorsitzende des LGBTQ-Verbands, sagte nach Angaben der «Times of Israel» während des Protests: «Düsternis hat sich auf Israel herabgesenkt.» Der Verband betonte, man sei nicht bereit, zu «Bürgern zweiter Klasse» zu werden.
Ministerpräsident Benjamin Netanjahu von der rechtskonservativen Likud-Partei hat dagegen gesagt, die Gemeinde habe nichts zu befürchten. Amir Ochana von seiner Likud-Partei wurde am Donnerstag als erster offen schwuler Politiker zum Parlamentspräsidenten gewählt. In einer emotionalen Ansprache, bei der er sich an seine Eltern und seinen Lebenspartner sowie die gemeinsamen Kinder wandte, bekräftigte Ochana, auch alternativen Familien werde kein Schaden zugefügt werden. Israelische Medien berichteten jedoch, zwei strengreligiöse Abgeordnete hätten während der Ansprache demonstrativ die Köpfe gesenkt.
Die israelische Botschafterin in Paris, Jael German, legte am Donnerstag aus Protest gegen die neue Regierung ihr Amt nieder. Sie könne die radikalen Reformabsichten der Koalition Netanjahus nicht unterstützen, schrieb sie in einem Brief an den Regierungschef. Sie warnte vor einer «Gefahr für den demokratischen Charakter Israels und seiner Werte».
Die neue Regierung war am Donnerstag im Parlament vereidigt worden. Es ist die am weitesten rechts stehende Regierung, die Israel je hatte. Erstmals sind auch rechtsextreme Politiker in der Koalition vertreten.
US-Präsident Joe Biden das Ziel einer Zweistaatenlösung im Nahostkonflikt bekräftigt. Seine Gratulationsbotschaft liess sich auch als Mahnung an den frisch vereidigten rechtskonservativen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu lesen, dessen Koalition den Bau israelischer Siedlungen in Gebieten vorantreiben will, die von den Palästinensern für einen künftigen Staat beansprucht werden. Offene Kritik an Netanjahu, dessen Bündnis auch rechtsextreme Politiker und tiefreligiöse Kräfte umfasst, gab es am Donnerstag (Ortszeit) weder aus Washington noch aus Berlin oder Brüssel.
Biden ist als Gegner der israelischen Siedlungspolitik bekannt, welche die Regierung seines Vorgängers Donald Trump noch unterstützt hatte. In seiner schriftlichen Stellungnahme erklärte er nun zwar, seit Jahrzehnten mit Netanjahu befreundet zu sein und sich darauf zu freuen, «gemeinsam die zahlreichen Herausforderungen und Chancen anzugehen, denen sich Israel und die Region des Nahen Ostens gegenübersehen, einschliesslich der Bedrohungen durch den Iran».
Doch im letzten Satz seiner Mitteilung liess Biden eine politische Botschaft nachhallen, die er beim bis dato letzten Regierungswechsel in Israel im Juni 2021 offenbar nicht für erwähnenswert gehalten hatte: «Wie wir es während der Amtszeit meiner Regierung immer getan haben, werden die Vereinigten Staaten weiterhin die Zwei-Staaten-Lösung unterstützen und sich Politik entgegenstellen, die ihre Realisierbarkeit gefährdet oder unseren gemeinsamen Interessen und Werten zuwiderläuft.»
Dass der mächtigste Verbündete Israels im Vergleich zur Trump-Ära auf Abstand gegangen ist, bewies auch US-Aussenminister Antony Blinken. Er betonte, dass die Partnerschaft zwischen den USA und Israel auch darauf fusse, dass sich Israel zu «demokratischen Prinzipien» bekenne und zur «Vision eines friedlichen Miteinanders mit seinen Nachbarn». Anfang des Monats hatte er bereits vor der «Ausweitung von Siedlungen, Bestrebungen zur Annexion des Westjordanlandes, Beeinträchtigung des historischen Status quo der heiligen Stätten, Abrissen (von Häusern) und Zwangsräumungen sowie der Anstachelung zur Gewalt» gewarnt, ohne sich namentlich auf Netanjahu zu beziehen.
(yam/sda/dpa)