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Israel-Offensive in Gaza – eine Reportage aus dem Grenzgebiet

Erste Vorstösse der israelischen Armee nach Gaza – Eindrücke aus dem Grenzgebiet

Israelische Panzer und Infanterie sind in Gaza eingedrungen. Jerusalem droht den Bewohnern des Küstenstreifens mit «totaler Vernichtung», falls die Geiseln nicht freikämen und die Hamas von der Macht verdrängt werde.
20.03.2025, 07:43
Kurt Pelda, Mefalsim / ch media
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Der Sattelschlepper müht sich die Steigung hinauf. Seine Ladung ist schwer: ein israelischer Merkava-Kampfpanzer mit einem Gewicht von mehr als 60 Tonnen. Kurz vor der Grenze zum Gaza-Streifen taucht ein Kontrollposten auf. Ein dicker schwarzer Wachsoldat verwirft die Hände, als das lange Gefährt eine metallene Abschrankung mitreisst und umwirft. Der Sattelschlepper passiert die Strassensperre, ohne dass sich der Chauffeur um das kleine Missgeschick kümmert.

Israel Gaza Krieg Offensive
Ein Merkava-Kampfpanzer auf dem Weg zur Grenze.Bild: kurt pelda / ch media

Panzer und Infanteristen dringen am Mittwoch nach Gaza ein. Fokus der israelischen Kräfte ist der Netzarim-Korridor, der den Küstenstreifen in eine nördliche und südliche Hälfte teilt. Dort waren die Invasionstruppen schon vor der jüngsten Waffenruhe stationiert. Aber auch im Süden soll es inzwischen zu Vorstössen gekommen sein. Bei einem Augenschein am Mittwochnachmittag ist davon aber noch nichts zu sehen.

Wenig Aufregung auf der israelischen Seite

Auf der israelischen Seite des Grenzzauns gibt es viel Verkehr: Neben Merkavas werden amerikanische M-109-Panzerhaubitzen und schwere Namer-Schützenpanzer zu ihren Stellungen gebracht. Auch Tanklastwagen mit Diesel und Lastwagen voller Artilleriemunition sind unterwegs. Ständig hört man die Triebwerke von Kampfjets, aber nur selten kracht es jenseits der Grenze. Dann wachsen schwarze Rauchpilze in den Himmel.

Während nun viele Palästinenser in Gaza wieder auf der Flucht sind, nimmt das Leben der Israeli nahe der Grenze seinen normalen Lauf. An einer Tankstelle stehen Soldaten und Zivilisten vor einer Imbissbude Schlange. Zwei Motocross-Fahrer üben auf einem Gelände in der Nähe, obwohl Gaza in Luftlinie nur etwa drei Kilometer entfernt ist. Auch Bauern gehen auf den Äckern und Plantagen ihrer Arbeit nach, als ob bei den Palästinensern nebenan nicht erneut die Hölle ausgebrochen wäre.

Israel Gaza Krieg Offensive
Israelische Soldaten an einem Imbiss.Bild: kurt pelda / ch media

Mit den makaberen Schauspielen bei der Freilassung von Geiseln und der Übergabe von ermordeten Entführten haben die palästinensischen Terroristen während der ersten Phase des Waffenstillstands den Hass vieler Israeli auf die Hamas und ihre Verbündeten geschürt. Dennoch ist die Gesellschaft im Judenstaat tief gespalten: Während viele Ultrareligiöse den Bruch der Waffenruhe durch Israel beklatschen, fürchtet ein Grossteil der Bevölkerung, dass die Hamas die restlichen Geiseln nun ermorden wird.

Es befinden sich noch knapp 60 Menschen in der Gewalt der Terroristen, wobei etwa die Hälfte davon bereits tot sein soll. Hinter vorgehaltener Hand sagen israelische Gesprächspartner, dass Jerusalem vordergründig auf die Forderungen der Hamas eingehen solle, damit alle Entführten endlich freikämen. Danach könne man die Hamas ja immer noch vernichten und den Gaza-Streifen plattmachen.

Netanyahus harte Haltung

Die Hamas zeigt sich bereit, wieder zum ursprünglichen Abkommen mit Israel zurückzukehren und weiterzuverhandeln – also die geplante zweite Phase der Waffenruhe anzugehen. Doch seit Anfang März, dem Ende der ersten Phase, hat die Terrororganisation keine einzige Geisel mehr freigelassen.

Ausserdem wirft Israel den Terroristen vor, ihre stark ausgedünnten Reihen während der zwei Monate, in denen die Waffen schwiegen, durch neue Rekruten aufgefüllt zu haben. Nun weise die Hamas – inklusive verbündeter Organisationen – wieder eine Stärke von schätzungsweise 25'000 Mann auf. Es ist aber anzunehmen, dass diese neuen Kämpfer nicht über die Erfahrung und die Ausrüstung verfügen, die ihre mittlerweile gefallenen Kameraden zu Beginn des Kriegs hatten. Bis jetzt haben die Terroristen auch noch keine Rakete auf Israel abgefeuert. Denkbar ist aber auch, dass die Hamas einlenkt und sich doch noch zur Freilassung weiterer Geiseln bereit erklärt.

Israel Gaza Krieg Offensive
Ein israelischer Armeeposten; im Hintergrund der Gaza-Streifen.Bild: kurt pelda / ch media

Premierminister Netanyahu lehnt eine neue Waffenruhe allerdings ab. Verhandlungen könnten ab jetzt nur noch während des Kriegs stattfinden, liess er verlauten. Und sein Verteidigungsminister Katz drohte den Bewohnern von Gaza mit der «totalen Vernichtung», falls nicht alle Geiseln freikämen und die Hamas von der Macht verdrängt werde.

Die Ausgangslage ist diesmal etwas anders als bei der ersten Bodenoffensive nach den Pogromen vom 7. Oktober 2023: Mit Donald Trump als US-Präsident muss Israel weniger Rücksicht auf seinen wichtigsten Verbündeten nehmen. Im Gegensatz zu Präsident Biden, seinem Vorgänger, hat Trump damit gedroht, dass sich die «Tore der Hölle» für Gaza öffnen würden, wenn die Terroristen nicht einlenkten.

Israel Gaza Krieg Offensive
Merkava-Kampfpanzer in einem Stützpunkt.Bild: kurt pelda / ch media

Diese Rhetorik hat nun auch die israelische Regierung übernommen. Wie um ihre Drohungen zu unterstreichen, hat Israel die Versorgung von Gaza mit Nahrungsmitteln ausgesetzt. Die Leidtragenden sind einmal mehr die Zivilisten in Gaza. Ihr Schicksal kümmert weder die Hamas noch Israel. Falls die Terroristen nicht aufgeben, kommen noch härtere Zeiten auf Gaza zu. (aargauerzeitung.ch)

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19 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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kristu
20.03.2025 08:31registriert Dezember 2017
Sogar das SRF hat eingesehen, dass es hier einzig und alleine um den Machterhalt von Netanyahu geht. Und das auf die Kosten von vielen unschuldigen Menschen. Es dreht mir den Magen um.
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