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Analyse

Friedensstifter Trump lässt sich von Putin und Netanjahu vorführen

President Donald Trump meets with Israel's Prime Minister Benjamin Netanyahu in the Oval Office of the White House, Tuesday, Feb. 4, 2025, in Washington. (AP Photo/Evan Vucci)
Donald Trump,Benjam ...
Donald Trump mit Benjamin Netanjahu am 4. Februar im Weissen Haus. Jetzt gab er ihm grünes Licht für die neuen Angriffe in Gaza.Bild: keystone
Analyse

Trump als Friedensstifter: Grosse Worte, k(l)eine Taten

Im US-Wahlkampf hatte Donald Trump versprochen, die Kriege in der Ukraine und in Gaza rasch zu beenden. Nun lässt er sich von Wladimir Putin und Benjamin Netanjahu vorführen.
19.03.2025, 13:3219.03.2025, 14:30
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Donald Trump ist überzeugt, er habe den Friedensnobelpreis verdient. Und das wohl mehr als jeder andere Mensch in der Geschichte – darunter macht er es bekanntlich nicht. Im letztjährigen US-Wahlkampf trat er entsprechend hochtourig auf. Den Krieg in der Ukraine werde er innerhalb von 24 Stunden nach seiner Vereidigung beenden, posaunte er.

Ähnlich äusserte er sich zum Gazakrieg: «Ich werde das schnell regeln», versprach Trump der vor allem in Michigan starken arabischstämmigen Community. Viele liessen sich blenden und verhalfen ihm im November zum Sieg im wichtigen Swing State und im ganzen Land. Am Dienstag zeigte sich, was seine grossen Worte wert waren: so gut wie gar nichts.

People wait at a traffic light to cross a street with a news ticker in the background reporting on possible phone call between Russian President Vladimir Putin and US President Donald Trump, on the fa ...
Ein Newsticker in Moskau informiert über das Telefonat von Putin mit Trump.Bild: keystone

Erst beendete Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu einseitig den Waffenstillstand mit der Hamas und liess Gaza mit voller Wucht angreifen. Mehr als 400 Menschen kamen ums Leben, ein grosser Teil davon Zivilisten. Gemäss CNN war es die höchste Opferzahl an einem Tag in den letzten 15 Monaten, und Netanjahu drohte: «Dies ist erst der Anfang.»

Pistorius spricht von «Nullnummer»

Es folgte am Nachmittag europäischer Zeit das Telefonat Trumps mit dem russischen Machthaber Wladimir Putin. Die Erwartungen waren gering, doch Putin wollte nicht einmal in die 30-tägige Waffenruhe einwilligen, zu der sich die Ukraine bereit erklärt hatte. Er bot einzig an, in diesem Zeitraum die Angriffe auf ukrainische Energieanlagen einzustellen.

Gleichzeitig stellte er unannehmbare Bedingungen wie den Stopp von Waffenlieferungen und Geheimdienstinformationen für das angegriffene Land. Für die meisten Beobachter war klar: Putin hat den US-Präsidenten gerade mal knapp vor einem Gesichtsverlust bewahrt. Der deutsche Verteidigungsminister Boris Pistorius sprach im ZDF von einer «Nullnummer».

«Er lacht uns aus»

Mit Putins Angebot werde «ausgerechnet die Infrastruktur weniger angegriffen, die in der Ukraine am besten geschützt ist», meinte der SPD-Politiker. Gleichzeitig kann Putin hoffen, dass die Ukraine die für Russland schädlichen Drohnenangriffe auf Ölanlagen stoppt. An einem echten Waffenstillstand oder gar Frieden aber hat der russische Autokrat kein Interesse.

«Er lacht uns aus», schrieb der ehemalige britische Premierminister Boris Johnson auf X. Donald Trump aber kann oder will das nicht erkennen. Auf Fox News sprach der US-Präsident von einem «grossartigen Telefonat». Wäre er nicht im Amt, würde Putin dies «niemals tun», ergänzte er in einem Interview mit dem rechten «Washington Examiner».

Putins Eishockey-Diplomatie

Tatsächlich aber hat sich Trump von Putin vorführen lassen. Das zeigt sich bei einem weiteren Thema des Gesprächs: Eishockey. Der Ausschluss von den grossen Turnieren ihres Nationalsports ist eine der Sanktionen, die Russland wirklich wehtun. Nun wurde die Tür mit möglichen Spielen gegen amerikanische NHL-Stars wieder einen Spalt weit geöffnet.

Ähnlich sieht es im Gazakrieg aus: Trump habe Israel grünes Licht für die Wiederaufnahme der Angriffe auf die Hamas gegeben, zitierte das «Wall Street Journal» einen israelischen Beamten. Dabei wurde in Katar weiter über die zweite Phase des Waffenstillstands und das Schicksal der übrigen 59 Geiseln verhandelt, von denen 24 vermutlich noch am Leben sind.

Machterhalt über alles

«Viele US-Beobachter haben schon lange vermutet, dass Netanjahu nie weiter gehen wollte als bis zur kürzlich ausgelaufenen ersten Stufe des Waffenstillstands», analysiert CNN. Der Regierungschef braucht einen «endlosen» Krieg, um sich an der Macht zu halten, auch wenn die Hamas damit erst recht keinen Grund mehr hat, die restlichen Geiseln zu übergeben.

Israelis march in a protest against Prime Minister Benjamin Netanyahu and his plans to dismiss the head of the Shin Bet internal security service, in Jerusalem on Wednesday, March 19, 2025. (AP Photo/ ...
Am Mittwoch demonstrierten in Israel Tausende gegen Netanjahu und für die Freilassung der Geiseln.Bild: keystone

Dazu passt, dass der rechtsextreme Ex-Polizeiminister Itamar Ben-Gvir in die Regierung zurückgekehrt ist. Damit hat Benjamin Netanjahu gute Chancen, bis Ende des Monats den Haushalt zu verabschieden. Andernfalls löst sich das Parlament automatisch auf und es kommt zu Neuwahlen, die der umstrittene Regierungschef unbedingt vermeiden will.

Israel als autoritärer Staat

Die Anzeichen häufen sich, dass Netanjahu versucht, die lebendige israelische Demokratie in einen autoritären Staat zu verwandeln. Er will Ronen Bar entlassen, den Chef des Inlandsgeheimdienstes Schin Bet. Auch Generalstaatsanwältin Gali Baharav-Miara ist auf seiner «Abschussliste». Dass er damit Israels Sicherheit gefährdet, kümmert ihn nicht.

Von Donald Trump hat Netanjahu nichts zu befürchten. Der US-Präsident hat den Iran im Visier und lässt seit Tagen die mit Teheran verbündete Huthi-Miliz im Jemen bombardieren. Auch das passt nicht wirklich zu einem Friedensimage, zumal Saudi-Arabien jahrelang versucht hat, die Huthis mit Luftangriffen zu besiegen, mit höchst überschaubarem Erfolg.

Dies lässt sich auch über Donald Trumps Bemühungen als Friedensstifter sagen. Noch kann er die Verantwortung für die Kriege in der Ukraine und in Gaza auf seinen Vorgänger Joe Biden abschieben, doch damit kommt er immer weniger durch. Je länger in beiden Kriegsgebieten das Blutvergiessen anhält, umso mehr beschädigt dies sein Image.

«Früher oder später könnte der US-Präsident mit harten politischen Entscheidungen konfrontiert sein, die er bislang hinausschiebt», meint CNN. Oder anders gesagt: Irgendwann erkennt der Dealmaker Donald Trump vielleicht, dass er sich von Wladimir Putin und Benjamin Netanjahu wie ein Tanzbär am Nasenring durch die geopolitische Arena führen lässt.

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quelle: keystone / abir sultan
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94 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Der Micha
19.03.2025 13:56registriert Februar 2021
Was Trump bezüglich der Ukraine als Frieden bezeichnet, ist bisher eine Kapitulation für die Ukraine. Putin tanzt ihm auf die Nase und er merkt das nicht mal.
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Gina3
19.03.2025 14:17registriert September 2023
Was Netanjahu & Putin gemeinsam haben? (außer, dass sie sich beide über Trump mockieren, der dies nicht einmal bemerkt)
➡️ Beide brauchen einen «endlosen» Krieg, um sich an der Macht zu halten.
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Martin Baumgartner
19.03.2025 14:30registriert Juni 2022
In dem er sich ständig über den Tisch ziehen lässt aber mein er sei der Deal Maker?!
Mit so jemandem könnte sogar ich erfolgreich verhandeln.
Er war nicht mal ein erfolgreicher Geschäftsmann sondern ist nur ein Poser.
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