«Sie haben es darauf ankommen lassen, dass es einmal einen Toten geben wird – jetzt haben sie ihn.» Das sagte am Osterwochenende die verzweifelte Mutter des 26-jährigen Joggers, der letzte Woche bei einer Trainingsrunde in den Wäldern über seinem Wohnort Caldes im Trentino von einem Bär angefallen und getötet wurde.
Die Familie des Joggers hat einen Anwalt engagiert und strebt eine Klage gegen die Behörden an. «Wir wollen Gerechtigkeit», sagte die Mutter. Es könne doch nicht sein, dass ihr Sohn unweit seines Wohnorts auf diese Weise sein Leben habe lassen müssen – die Behörden seien auch für den Schutz der Menschen verantwortlich, nicht nur für den Schutz der Bären.
Auch viele andere Einheimische sind erschüttert über den Tod des jungen Mannes – und trotz des schönen Wetters trauten sich an Ostern auch kaum noch Touristen in die Wälder rund um Caldes. Es ist das erste Mal seit Menschengedenken, dass in Norditalien ein Mensch von einem Braunbären attackiert und getötet wurde. Der Jogger hatte sich offenbar noch mit einem Holzstock zu wehren versucht, hatte aber gegen den Bär, das grösste Landraubtier Europas, keine Chance.
Normalerweise leben die Braunbären scheu im Wald und meiden die Menschen, die für sie auch keine Beute darstellen. Eine Ausnahme bilden die sogenannten «Problembären», die sich an die Präsenz der Menschen gewöhnt haben, in menschliche Siedlungsgebiete vordringen und in Hühnerhöfe und Ställe einbrechen.
Gefährlich kann aber auch ein «normaler» Bär werden – wenn er in seinem Lebensraum von einem Menschen überrascht wird und sich bedroht fühlt. Besonders aggressiv verhalten sich Bärinnen, die ihre Jungen beschützen.
Auch wenn Zwischenfälle mit Bären relativ selten sind und meist einigermassen glimpflich enden: Nach dem Tod des Joggers steht nun das gesamte Bärenschutz-Projekt im Nationalpark Adamello-Brenta am politischen Pranger. «Life Ursus» wurde Ende der Neunzigerjahre ins Leben gerufen und wird von der EU mitfinanziert: Nachdem vom natürlichen einheimischen Bärenbestand im Trentino nur noch drei männliche Tiere übrig geblieben waren, wurden zehn Jungbären aus Slowenien importiert und ausgewildert.
Der Erfolg des Projekts überraschte selbst die Experten: Die Bären vermehrten sich rasant, und heute wird der Bestand bereits auf über 100 erwachsene Tiere und 20 Bärenbabys geschätzt. Fünfzehn Bären sollen sich allein in der Umgebung von Caldes tummeln.
Das erscheint den Lokalbehörden nun als zu viel des Guten. Der Präsident autonomen Provinz Trentino, Maurizio Fugatti von der rechtsnationalen Lega, hat bereits den Abschussbefehl für den mutmasslichen «Täter» gegeben, der freilich mit Hilfe von DNA-Analysen erst noch identifiziert werden muss. Von Fugattis Abschuss-Order sind gleich noch drei weitere «Problembären» betroffen.
Fugatti ist bezüglich der Braunbären bekannt als Hardliner, konnte sich aber gegen die nationalen Behörden und gegen das Umweltamt Ispra nie durchsetzen. Jetzt sieht er die Stunde der «vendetta», der Rache, gekommen: Neben den vier Problembären will er gleich auch noch die Hälfte des Bärenbestandes ausmerzen, also mindestens fünfzig weitere Tiere. Sein Fernziel ist aber letztlich ein Trentino ganz ohne Bären: Nach dem Tod des Joggers könne das Projekt Life Ursus insgesamt «nicht von Dauer» sein, erklärte Fugatti.
So weit wird es wohl nicht kommen, schon allein deshalb, weil die Braunbären in der EU unter strengem Artenschutz stehen. Tier- und Naturschutzorganisationen machen bereits mobil gegen die geplanten Ausmerz-Aktionen: Der nationale Tierschutzbund Enpa spricht von einem drohenden «Pogrom» gegen die Bären, das nichts mit Prävention zu tun habe.
Die grösste italienische Umweltorganisation, Legambiente, reagierte etwas nüchterner: Nach der tödlichen Bärenattacke in Caldes sei es «offensichtlich, dass es in der Provinz ein Problem beim Zusammenleben zwischen den Menschen und den Wildtieren gebe». Ein Massen-Abschuss könne aber nicht die Lösung sein; es müsse konstruktivere Wege geben, die Interessen der einheimischen Bevölkerung und der Touristen mit dem Schutz der Bären in Einklang zu bringen.
Tatsächlich werden Lega-Mann Fugatti Versäumnisse bei der Prävention vorgeworfen. Der ehemalige Umweltminister Sergio Costa betont, dass er die lokalen Behörden mehrfach aufgefordert habe, die Bären mit Sendern auszustatten, damit man wisse, wo sie sich befänden. Das Resultat: «Es ist nichts geschehen: Fugatti kennt als Lösung nur den Abschuss.»
Andere Nationalparks mit Bärenpopulationen, etwa in den Abruzzen, sind in der Tat viel weiter. In den Abruzzen sind Wanderwege wegen der Präsenz von Bären für Mountainbiker gesperrt worden; Hunde müssen an die Leine, Warnschilder machen auf die Tiere aufmerksam und bieten Tipps für das Verhalten bei einer Begegnung mit einem Bären. Allein mit diesen wenigen Massnahmen könne das Risiko einer Bären-Attacke massiv gesenkt werden. «Was wir brauchen, sind nicht mehr Gewehre, sondern mehr fähige und verantwortungsvolle Lokalbehörden», betont Costa. (bzbasel.ch)
Aber wenn wir nicht mehr lernen können uns mit Tieren, deren Lebensraum wir uns ohne zu fragen angeeignet haben, zu leben dann bleibt als Alternative nur noch alles und wirklich ALLES abzuknallen, was uns nicht passt oder gefährlich werden kann. Die einzigen Raubtiere sind dann noch gefühlt 10 Mia Büsis.......
Ein respektvolles nebeneinander, wie das anderswo auch gelebt wird, wäre mal wunschenswert!!!
Wenn wir uns als Menschen in einem Bärengebiet bewegen, kann von uns erwartet werden, dass wir uns entsprechend schützen. Sonst sind wir selber Schuld. Wir haben keinen Anspruch auf den Spitzenplatz in der Nahrungskette.