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Riesiges Gefängnis in El Salvador: Erste 2000 Häftlinge in «CECOT» verlegt

Video: watson/lucas zollinger

El Salvador sperrt die ersten Häftlinge ins Giga-Gefängnis

Ende Januar eröffnete El Salvadors Präsident ein riesiges, neues Gefängnis. Die Regierung geht in einer beispiellosen Aktion gegen Bandenmitglieder vor – diese sorgt für Kritik, so auch die Bilder der Inhaftierung der ersten Häftlinge.
28.02.2023, 10:0701.03.2023, 13:41
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El Salvador galt lange als gemeinhin gefährlichstes Land der Welt. Die Mordrate im mittelamerikanischen Kleinstaat ist so hoch wie nirgendwo sonst. Problematisch ist besonders die Bandenkriminalität – dieser hat die Regierung von Präsident Nayib Bukele vor einem Jahr den Kampf erklärt. Seither sind rund 60'000 mutmassliche Bandenmitglieder verhaftet worden.

epa10488944 A handout photo made available by the government of El Salvador shows prisoners sitting in the Terrorism Confinement Center (CECOT) in Tecoluca, El Salvador, 24 February 2023. The Governme ...
Die ersten 2000 Häftlinge wurden in El Salvadors neues Riesengefängnis gebracht.Bild: keystone

Um deren Unterbringung sicherzustellen, hat Bukele, der seinen Hang zu gigantischen Projekten schon des Öfteren offenbart hat, beschlossen, ein gewaltiges Gefängnis bauen lassen, welches Ende Januar eröffnet wurde. Bis zu 40'000 Insassen sollen im «Centro de Confinamiento del Terrorismo», kurz CECOT, Platz finden.

Video: watson/lucas zollinger

Der Transfer der Häftlinge

Am vergangenen Wochenende sind nun die ersten rund 2000 Häftlinge in die neu eröffnete Anstalt in der Nähe der kleinen ländlichen Gemeinde Tecoluca überführt worden. Präsident Bukele veröffentlichte ein Video der Ankunft der Sträflinge gleich selbst auf Twitter. Dieses ist aufwendig inszeniert und soll der Bevölkerung und der Welt wohl vermitteln, mit welcher Konsequenz und Radikalität die salvadorianische Regierung den Kampf gegen die Bandenkriminalität führen will.

Im Video ist zu sehen, wie einheitlich, nur mit einer weissen Hose bekleidete Männer im Gefängnis ankommen und sich mit den Händen über dem Kopf in Reih und Glied hinknien müssen. Die Häftlinge tragen Tätowierungen, viele davon jene der berüchtigten «Mara Salvatrucha», kurz MS-13, die ihren Ursprung in El Salvador hat und mittlerweile zu den berüchtigtsten kriminellen Vereinigungen der Welt gehört. Die «Maras» verdienen ihr Geld mit Drogen- und Waffenhandel, Prostitution sowie Autoschmuggel und Menschenhandel.

Die Offensive gegen Bandenkriminalität

Die Regierung von Präsident Bukele hat 2019 einen Plan mit mehreren Schritten vorgelegt, wie die Bandenkriminalität und die Macht der Maras eingeschränkt werden sollen. Seit vergangenem März befinde man sich in Phase Nummer 5, in der Verhaftungen im grossen Stil durchgeführt werden sollen, wie die NZZ schreibt. Insgesamt sind seither deutlich über 60'000 mutmassliche Bandenmitglieder festgenommen worden.

Laut Präsident Bukele ist die grossangelegte Militärintervention gegen die Banden der einzige Weg, wie El Salvador dem Bandenproblem Herr werden kann. Bukele behauptet, dass die Offensive das einst gefährlichste Land zum sichersten in ganz Lateinamerika gemacht habe. Nach offiziellen Zahlen ist die Mordzahl von über 6000 im Jahr 2015 auf aktuell unter 500 gesunken – allerdings war die Zahl bereits Jahre vor Bukeles Amtsantritt in der Tendenz sinkend und nicht erst seit der Grossoffensive gegen die Bandenkriminalität.

Die Kritik und die Bedenken

Das Vorgehen der salvadorianischen Regierung sorgt seit Längerem für verschiedenste Kritik, insbesondere von Menschenrechtsorganisationen. So auch im aktuellen Fall des Gefangenentransfers. Einige der Vorwürfe im Überblick:

  • Die Grossoffensive der Regierung erfolgte, nachdem der Notstand verhängt wurde. Dieser ermöglicht es beispielsweise, mutmassliche Gangmitglieder ohne Haftbefehl festzunehmen und sie verlieren ihren Anspruch auf juristische Hilfe. Gemäss Menschenrechtsorganisationen wurden so auch Unschuldige eingesperrt.
  • Durch die Verhaftungswelle ist die Zahl der Gefängnisinsassen im Land massiv angestiegen. Von rund 6,5 Millionen Einwohnerinnen und Einwohnern sitzen mittlerweile gut 100'000 hinter Gittern. El Salvador hat damit die höchste Zahl an Inhaftierten pro Einwohner weltweit.
  • Der Bau des Riesengefängnisses in Tecoluca erfolgte in nur sieben Monaten, die Bedingungen und die Auftragsvergabe waren dabei alles andere als transparent. Wer finanziell wie viel vom Riesenprojekt profitiert, ist unklar.
  • Kritiker werfen Präsident Bukele zudem vor, dass er das Land mehr und mehr autoritär regiere – insbesondere auch, weil der verhängte Ausnahmezustand grundlegende Menschenrechte einschränkt.

Obwohl Bukeles Regierung rigoros vorgeht und die Menschenrechte in El Salvador einschränkt, scheint er in der Bevölkerung nach wie vor grossen Rückhalt zu geniessen. Laut der NZZ schwanken seine Beliebtheitswerte zwischen 85 und 90 Prozent. Die Bewohner des mittelamerikanischen Landes litten jahrelang unter der massiven Gewalt der Banden – und sind für eine Beruhigung der Situation offenbar auch bereit, Einschränkungen der Grundrechte hinzunehmen.

So sah es aus, als das Gefängnis vor wenigen Wochen eingeweiht wurde:

Video: watson/lucas zollinger
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150 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Mr. Feinripp
28.02.2023 09:20registriert März 2022
60.000 Schwerstkriminelle, die alle ein starkes Gemeinschaftsgefühl haben (Gangzugehörigkeit), zusammen mit ihren Kumpels auf engstem Raum zusammenzupferchen... Was soll schon schief gehen?
20113
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Junkrat
28.02.2023 09:05registriert März 2019
Der Artikel liest sich so, als wäre Bukele hier der Böse.. Ich finde es gut, dass er so entschieden gegen die Banden vorgeht.. natürlich kann man jetzt darüber diskutieren wer jetzt wo und wann profitiert hat aber ist das nicht gang und gäbe in Lateinamerika? Die meisten Politiker machen lieber die Hand auf und halten die Füsse still aus Angst vor Anschlägen auf sie oder ihre Familien.
Dass jetzt Unschuldige hinter Gitter landen ist natürlich nicht gut, dennoch finde ich, ist ein hartes Vorgehen das einzigste Mittel gegen das Bandenproblem. Die Bevölkerung siehts ha anscheinend ähnlich.
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Fred Feuerstein
28.02.2023 09:45registriert Januar 2022
Heisst dann auch, dass rivalisierende Banden im gleichen Gefängnis sind? Das schafft immer wieder neuen Platz für die nächsten Insassen.....
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