Mehr als zweieinhalb Jahre sind seit dem russischen Überfall auf die Ukraine vergangen. Der Krieg tobt immer noch – und mehr als 650'000 russische Soldaten sind laut ukrainischen Angaben verwundet oder getötet worden. Selbst wenn die ukrainischen Zahlen zu hoch angesetzt sind – die russischen Verluste dürften erheblich sein.
Deshalb braucht der russische Präsident Wladimir Putin dringend Nachschub auf dem Schlachtfeld, um den Krieg gegen die Ukraine weiterführen zu können. Dieser Nachschub soll mittlerweile auch aus Nordkorea kommen, wie mehrere Medien, darunter der britische «Guardian», berichten.
In seiner abendlichen Videobotschaft erklärte der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj am Samstag, mittlerweile liefere Nordkorea nicht nur Waffen an Russland, sondern auch Bodentruppen würden in die russischen Streitkräfte eingegliedert. «Es gibt eine gestärkte Allianz zwischen Moskau und Regimen wie dem des koreanischen Machthabers Kim Jong-un», so Selenskyj.
Bislang konnten Journalisten und westliche Aufklärungsdienste jedoch nicht eindeutig beweisen, dass Kims Soldaten wirklich in der Ukraine kämpfen. Die für gewöhnlich gut informierte US-Denkfabrik «Institute for the Study of War» (ISW) allerdings bezog sich auf einen Insider der «Washington Post» und berichtete am Samstag, dass mehrere tausend nordkoreanische Soldaten in Russland eingetroffen seien und auf ihren Einsatz in der Ukraine vorbereitet würden.
Die Quelle der «Washington Post», die im Militärgeheimdienst der Ukraine arbeitet, sagte der Zeitung am Freitag ausserdem, dass «Tausende» nordkoreanische Soldaten zurzeit ihr Training in Russland durchlaufen würden und ab dem Jahreswechsel 2025 auf den Schlachtfeldern der Ukraine eingesetzt werden könnten.
President Zelensky calling on allies to be bolder in supporting #Ukraine before it's too late. Said "We see an increasing alliance between Russia and regimes like North Korea. This is no longer just about transferring weapons. It is actually about transferring people from North… pic.twitter.com/UcuhNS5psM
— Glasnost Gone (@GlasnostGone) October 13, 2024
Doch damit nicht genug: Neben den Infanteristen in russischer Ausbildung befänden sich Offiziere der nordkoreanischen Streitkräfte bereits in der Ukraine, um die geografischen Begebenheiten vor Ort kennenzulernen und um die russischen Soldaten im Kampfeinsatz zu beobachten.
Nach einem ukrainischen Raketenangriff auf eine russische Basis in der Nähe von Donezk in der vergangenen Woche meldeten sowohl ukrainische als auch südkoreanische Geheimdienste, dass unter den Toten auch nordkoreanische Soldaten seien.
Nicht nur auf dem Feld, sondern auch bei der Kriegstechnik scheinen Nordkoreaner Putins Truppen zu unterstützen. Nordkoreanische Militäringenieure sollen russischen Truppen in den besetzten ukrainischen Gebieten dabei helfen, die Abschussvorrichtungen für die von Nordkorea gelieferten KN23-Raketen zu kalibrieren. Das berichtet der britische «Guardian» unter Berufung auf eine nicht näher genannte ukrainische Quelle.
Pjöngjang unterstützt den im Februar 2022 begonnenen russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine bereits mit Waffen und Munition. Einem Bericht des südkoreanischen Geheimdienstes zufolge liefert das international weitgehend isolierte Land vor allem Artilleriegeschosse und Kurzstreckenraketen. Doch auch die ballistischen Raketen vom Typ KN23 haben ihren Weg nach Russland gefunden.
What does North Korean (?) aid to Russia look like?
— CJ (@CasualArtyFan) October 9, 2024
It’s ammo and WW2 Howitzers.
This the first time I’ve seen the D-74 (1944) 122mm towed gun in action in Ukraine. It’s likely being used now due to a lack of other, newer options.
1 | 3 pic.twitter.com/plY7ZSnRDY
Diese KN23-Raketen sollen laut «Guardian» im Frühjahr von Pjöngjang an Moskau geliefert worden sein. In vielen ihrer Eigenschaften ähneln sie dem russischen Iskander-Modell. Experten vermuten deshalb, dass die KN23, auf Koreanisch «Hwasong-11Ga», mithilfe der russischen Geheimdienste entwickelt wurde. Nur so könne Nordkorea aufgrund des internationalen Embargos gegen das Land imstande sein, relativ fortschrittliche Militärtechnik zu entwickeln, schreibt die Website «missilethreat.csis.org».
Was aber gewinnt der nordkoreanische Machthaber Kim Jong-un, wenn er seine Soldaten auf Russlands Seite in die Ukraine schickt? Zum einen bekommen seine Soldaten Kampferfahrung. Zum anderen kann Kim die von seiner Armee entwickelte Technik auf dem Schlachtfeld testen. Drittens schafft er es durch die Unterstützung Russlands, dass sein Land weiterhin als stark wahrgenommen wird.
Russland und Nordkorea haben im Sommer einen Sicherheitspakt geschlossen, der beide Länder zum Eingreifen verpflichtet, wenn eines der Länder angegriffen wird. Deshalb könnte die Anwesenheit nordkoreanischer Truppen auch mit der ukrainischen Kursk-Offensive zusammenhängen.
«Für Nordkorea, das Russland mit vielen Granaten und Raketen beliefert hat, ist es von entscheidender Bedeutung, den Umgang mit verschiedenen Waffen zu erlernen und praktische Kampferfahrungen zu sammeln», erklärt Lim Eul-chul, Professor am Institut für Fernoststudien in Seoul, im Gespräch mit der Nachrichtenagentur AFP. «Dies könnte sogar ein Grund für die Entsendung nordkoreanischer Soldaten sein – um ihnen vielfältige Erfahrungen und ein Kriegstraining unter echten Bedingungen zu ermöglichen.»
Ein Ende der Zusammenarbeit scheint nicht in Sicht. Im Oktober gratulierte Kim Wladimir Putin zum Geburtstag – und bezeichnete ihn in einem Brief als seinen «wichtigsten Genossen». Russland könnte Nordkorea laut «Guardian» helfen, endlich einen funktionierenden Spionagesatelliten ins Weltall zu schicken. Die vergangenen Versuche der ostasiatischen Diktatur, diese Aufgabe selbst zu bewerkstelligen, endeten in Explosionen und anderen Fehlschlägen, die für den Machthaber Kim Jong-un peinlich sind.
Nach Jahrzehnten, in denen sich die Kim-Diktatur durch das eigene Atomprogramm international selbst isoliert hat, führen die aktuellen geopolitischen Konflikte dazu, dass Moskau und Peking dem nordkoreanischen Diktator zunehmend die Hand ausstrecken. Kim will ein Bündnis gegen «westliche Hegemonie und den Imperialismus» schmieden, wie der Diktator in einer Ansprache im Juni betonte.
Diese Strategie zahlte sich für Nordkorea im März aus, als Russland sein Veto im UN-Sicherheitsrat nutzte, um die Überwachung von Sanktionsverstössen seitens Nordkorea durch die Vereinten Nationen zu beenden – ein Schritt, der von Pjöngjang öffentlich begrüsst wurde.
Verwendete Quellen:
Es soll sich ein Loch öffnen zur Hölle,dann können die zwei händchenhaltend dort ihr unwesen treiben.