Angesichts der schweren Lage an der Front hat der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj seine Landsleute zum Durchhalten aufgerufen. «Wir befinden uns jetzt in einem Stadium des Krieges, in dem es für unsere Gesellschaft und unsere Partner wichtig ist, das Gefühl für den Weg, der vor uns liegt, nicht zu verlieren», sagte Selenskyj in seiner abendlichen Videobotschaft am Dienstag.
Im ostukrainischen Bachmut, wo die Situation besonders angespannt ist, berichtete unterdessen die berüchtigte russische Söldnertruppe Wagner von eigenen Erfolgen. In Russland selbst wurde ein Gesetz verabschiedet, das dem Staat die Rekrutierung von Männern für die Front deutlich erleichtern soll.
«Im Vergleich zum vorigen Jahr ist es jetzt an vielen Orten ruhiger», sagte Selenskyj. «Das heisst aber nicht, dass Sie den Krieg irgendwo ignorieren oder sich weniger darauf konzentrieren können, dem Staat zu helfen», richtete er sich an die ukrainische Bevölkerung. Der ukrainische Staatschef betonte, es sei nun keinesfalls an der Zeit, «sich auf den Lorbeeren auszuruhen»: «Der Weg liegt noch vor uns.»
Mehr als ein Jahr nach Beginn des russischen Angriffskriegs steht die ukrainische Armee derzeit insbesondere im Osten rund um die Stadt Bachmut unter Druck, wo seit Monaten verlustreiche Kämpfe toben.
Russland testete eigenen Angaben zufolge eine Interkontinentalrakete. In der südlichen Region Astrachan am Kaspischen Meer sei die ballistische Langstreckenwaffe am Dienstag auf dem Übungsplatz Kapustin Jar erfolgreich von einem bodengestützten Raketensystem aus abgefeuert worden, teilte das Verteidigungsministerium in Moskau in der Nacht zum Mittwoch mit. Der Trainingssprengkopf sei später planmässig auf einem Testgelände im verbündeten Nachbarland Kasachstan in Zentralasien eingeschlagen, hiess es in der Mitteilung - und weiter: «Das Ziel bestand darin, die perspektivische Kampfausrüstung von Interkontinentalraketen zu testen.»
Insbesondere seit Beginn des Angriffskriegs gegen die Ukraine vor mehr als einem Jahr werfen internationale Beobachter Russland immer wieder vor, militärische Drohkulissen aufzubauen. Zuletzt sorgte Moskau etwa mit der Ankündigung für Aufsehen, taktische Atomwaffen im Nachbarland Belarus zu stationieren. Dabei handelt es sich allerdings um Waffen mit geringerer Reichweite als Interkontinentalraketen.
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Ihren eigenen Angaben zufolge erzielte die russische Söldnereinheit Wagner in der Stadt, in der vor Kriegsbeginn rund 70'000 Menschen lebten, zuletzt weitere Geländegewinne. «In Bachmut ist der Grossteil, das sind mehr als 80 Prozent, unter unserer Kontrolle», sagte der Chef der Wagner-Söldner, Jewgeni Prigoschin, in einem bei einem russischen Militärblogger veröffentlichten Video. Unabhängig können die Angaben nicht überprüft werden. Die Ukraine erklärt immer wieder, russische Angriffe auf Bachmut abzuwehren.
In Russland können Männer künftig deutlich leichter zum Kampf gegen die Ukraine eingezogen werden als bisher. Die Einberufungsbescheide müssen nun nicht mehr persönlich überreicht werden, sondern können auf elektronischem Weg über das staatliche Serviceportal «Gosuslugi» zugestellt werden, entschieden die Abgeordneten der Staatsduma.
Die ausstehende dritte und letzte Lesung und eine Unterschrift von Kremlchef Wladimir Putin gelten als Formsache. Durch die Änderungen ist ein Wehrpflichtiger elektronisch erfasst und kann bis zur Vorstellung bei der Einberufungsstelle etwa das Land nicht mehr verlassen. Beobachter befürchteten, dass mit der neuen Methode eine neue Mobilmachung für den Krieg vorbereitet werde. Kremlsprecher Dmitri Peskow wies das zurück.
US-Verteidigungsminister Lloyd Austin erfuhr nach eigenen Angaben am vergangenen Donnerstag von dem Datenleck bei Geheimdienstdokumenten zum Krieg in der Ukraine. «Ich wurde erstmals am Morgen des 6. April über die Berichte über die unbefugte Weitergabe von sensiblem und geheimem Material unterrichtet», sagte Austin in Washington. Seitdem habe er sich täglich mit leitenden Mitarbeitern seines Ministeriums beraten und Sofortmassnahmen über Ressortgrenzen hinweg ergriffen. «Wir haben die Angelegenheit an das Justizministerium weitergeleitet, das eine strafrechtliche Untersuchung eingeleitet hat.»
Seit Wochen kursieren im Internet offenbar geheime Dokumente von US-Stellen zum russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine. US-Medien berichten seit Tagen über sensibles Material zu beiden Kriegsparteien, ohne die Dokumente selbst zu veröffentlichen. Unklar ist, wer die schon vor Wochen bei prorussischen Kanälen verbreiteten Dokumente publizierte. (con/sda/dpa)