Der Machtkampf in Russland zwischen dem Kreml und Wagner-Chef Jewgeni Prigoschin spitzt sich weiter zu. Auslöser dafür sind schwere Vorwürfe Prigoschins, der nun Vergeltung gegen Verteidigungsminister Sergej Schoigu fordert. Das lässt der Kreml nicht auf sich sitzen – eine Übersicht.
Innerhalb der russischen Streitkräfte scheint die Lage zu eskalieren – dies behauptet zumindest Jewgeni Prigoschin. Der Boss der Wagner-Söldner hat am Freitag dem russischen Verteidigungsministerium vorgeworfen, seine Truppen bombardiert zu haben. Durch den Angriff sei eine «sehr grosse» Zahl an Wagner-Söldnern getötet worden. Prigoschin publizierte ein Video, welches die Folgen der Attacke auf seine Leute zeigen soll.
⚡️Prigozhin announcing what sounds like a civil war in Russia as he says this evening he’s going to battle with the country’s military leadership after an alleged MOD attack on a Wagner camp. Says the presidential administration and non-military state structures won’t be touched. pic.twitter.com/FlHegX4Iji
— Matthew Luxmoore (@mjluxmoore) June 23, 2023
Hauptverantwortlicher des Angriffs ist laut Prigoschin Verteidigungsminister Sergej Schoigu. Dieser soll, so der Wagner-Chef, extra nach Rostow am Don an der Grenze zur Ostukraine gereist sein, um die Attacke zu koordinieren. «Er benutzte Schützen und Piloten in Helikoptern, um uns im Dunkeln zu zerstören», schreibt Prigoschin auf seinem Telegram-Kanal.
Die Führungsriege von Wagner habe deshalb einen Entschluss gefasst: «Das Böse, das durch die Militärführung gebracht wurde, muss gestoppt werden», so Prigoschin, womit er Schoigu direkt droht. «Diejenigen, die heute unsere Jungs getötet haben, die Zehntausende Leben russischer Soldaten zerstört haben, werden bestraft.»
Dazu kündigte der Wagner-Boss einen «Marsch der Gerechtigkeit» und forderte das russische Militär auf, dabei auf Widerstand zu verzichten. Schoigu soll derweil gemäss Prigoschin bereits wieder aus Rostow am Don geflohen sein – «feige wie ein Weib», wie es Prigoschin ausdrückt. Gleichzeitig forderte Prigoschin seine Landsleute dazu auf, der Wagner-Truppe beizutreten. «Wir müssen diese Schande beenden», fordert er. Und am Gelingen seiner Pläne hat er keine Zweifel: «Die Mehrheit des Militärs unterstützt uns nachdrücklich.»
Das russische Verteidigungsministerium äusserte sich kurze Zeit später zu den Vorwürfen und sagte, Prigoschons Video zeige nicht die Wahrheit. Es handle sich um eine Provokation.
Nur wenig später meldete sich auch der Kreml zu Wort. «Präsident Putin ist über die Vorgänge rund um Jewgeni Prigoschin informiert worden. Es werden die notwendigen Massnahmen ergriffen», liess Sprecher Dmitri Peskow verlauten.
Konkret bedeutet dies laut der russischen Agentur Tass, dass ein Verfahren gegen Prigoschin wegen Anstiftung zum bewaffneten Aufstand eingeleitet wird. Der nationale Ausschuss für Terrorismusbekämpfung soll Prigoschin aufgefordert haben, alle illegalen Handlungen einzustellen.
Laut dem Portal Rybar wird Prigoschin zudem auf die offizielle Liste ausländischer Agenten gesetzt. Zudem ermittelt der russische Geheimdienst FSB wegen versuchten Militärputsches. Das Nationale Anti-Terror-Komitee wirft dem Wagner-Boss laut der Nachrichtenagentur Interfax vor, zum Kampf gegen Moskaus Militärführung aufgerufen zu haben.
Weitere Medien schreiben, die Sicherheitskräfte in Moskau seien in höchster Alarmbereitschaft, um den Schutz des Innenministeriums zu gewährleisten. Auf dem Weg in die Hauptstadt sollen Strassensperren errichtet worden sein, die Verantwortlichen werden dazu angehalten, «im Falle einer Bedrohung» das Feuer zu eröffnen. Bürgermeister Sergej Sobjanin hat «Anti-Terror-Massnahmen» in Kraft gesetzt.
Zwischen Prigoschin und der Moskauer Militärführung herrscht seit Monaten ein sich stetig zuspitzender Konkurrenzkampf. Prigoschins Wagner-Truppe war massgeblich an der blutigen Eroberung der Stadt Bachmut im Gebiet Donezk beteiligt. Schon dabei klagte er über Sabotage vonseiten der regulären Truppen. Seine Einheiten würden nicht ausreichend mit Munition versorgt, so der Vorwurf.
Zuletzt hatte der Generalstab in Moskau durchgesetzt, dass die vielen Privatarmeen, die aufseiten Moskaus im Angriffskrieg gegen die Ukraine kämpfen, sich per Vertrag dem Verteidigungsministerium unterstellen. Prigoschin hatte sich dagegen stark gewehrt und der Spitze des Ministeriums vorgeworfen, ein falsches Lagebild von der Front zu geben – und damit auch Präsident Wladimir Putin zu täuschen.
(dab/sda/dpa)
Wäre zumindest ein möglicher Schritt Richtung Beendigung des Krieges und Kapitulation Russlands.
1. Prigoschin hat die Unterstützung des FSB (Geheimdienst) und Putins und putscht gegen die Armeeführung unter Schoigu und Gerasimov
2. Putin hat Prigoschin die Unterstützung entzogen (sie waren lange sehr vertraut) und Prigoschin sieht diesen Aufstand als einzige Möglichkeit, dem Sturz aus dem Fenster zu entgehen.
Wie auch immer, es scheint, dass ein zweiter russischer Bürgerkrieg näher im Bereich des Möglichen liegt als vor noch nicht allzulanger Zeit gedacht.