Dass der Chef der Söldnertruppe Wagner, Jewgeni Prigoschin, die Militärführung kritisiert, ist nichts Neues. Seit Wochen, gar Monaten, schiesst er auch immer wieder direkt Richtung Putin.
Die Gruppe Wagner ist für die schmutzigeren Geschäfte Russlands zuständig. Zwar bestreitet der Kreml nach wie vor, etwas mit den Machenschaften der Söldner zu tun zu haben, Prigoschin wird allerdings auch als «Putins Koch» bezeichnet.
So gab es beispielsweise die militärische Operation «Fleischwolf» in der lang umkämpften ostukrainischen Stadt Bachmut. Dort verloren auch zahlreiche russische Soldaten ihr Leben.
Den Namen brachte ihm allerdings eine Firma ein, die auch das Catering im Kreml betreibt: Concord Management and Consulting Group. Über deren Account stellt Prigoschin immer wieder Videos und Audio-Nachrichten auf Telegram online.
Prigoschin machte jüngst den Kreml dafür verantwortlich, dass ihm die Söldner ausgingen und Munition fehle.
In einem Video stand er dabei vor einem Berg an Leichen, auf die er zwischendrin immer wieder zeigte, um zu verdeutlichen, was das Problem sei.
In einer Audio-Nachricht auf Telegram legte Prigoschin nun noch einmal nach und zielte bis nach ganz oben.
Kaum ein Tag vergeht aktuell, an dem Prigoschin nicht gegen den Kreml wettert – besonders seit der durch ihn erklärten Einnahme von Bachmut Mitte Mai.
Jetzt wirft der Wagner-Chef der Militärführung allerdings vor, die russischen Verluste mit Absicht zu verbergen, und warnt eindringlich davor, dass Russland die Krim verlieren könnte.
Die ukrainische Halbinsel Krim wurde 2014 von Russland annektiert und später entgegen international geltender Regeln ins eigene Staatsgebiet eingegliedert.
«Wenn die Dinge so weitergehen, werden die Russen eines Tages aufwachen und die Krim ist ukrainisch», sagte Prigoschin in der Audio-Nachricht. «Wenn das so weitergeht, werden wir ohne das Wichtigste dastehen – ohne Russland.»
Die Audio-Nachricht wurde als Reaktion auf eine Anfrage der Redaktion des russischen Portals «Mos.News» auf Telegram veröffentlicht. «Die stellvertretende ukrainische Verteidigungsministerin Anna Malyar sagte heute, die Gegenoffensive der ukrainischen Streitkräfte verlaufe ‹nach Plan›. Bitte kommentieren Sie ihre Worte», heisst es darin.
"Russia will wake up one day and find out that Crimea has already been given to Ukrainians. If it goes on like this, we will be left without the most important - without Russia" - Prigozhin.
— Anton Gerashchenko (@Gerashchenko_en) June 21, 2023
He is talking about the situation on the frontlines in panic. pic.twitter.com/mM6BWKcKxe
Der Berater des ukrainischen Innenministeriums, Anton Gerashchenko, meint, Prigoschin sei wegen der Situation an der Front in Panik.
Prigoschin geht in seiner vierminütigen Audio-Nachricht noch einen Schritt weiter und attackiert die Militärführung direkt. Er wirft dem Kreml vor, das Volk zu belügen, vor allem, was den Verlauf der ukrainischen Gegenoffensive angeht.
«Sie belügen das Volk», sagte er erbost. Die Ukraine hatte vor kurzem ihre lang erwartete und viel diskutierte Gegenoffensive im Süden und Osten der Ukraine gestartet. Putin tat diese als Fehlschlag ab und erinnerte wiederholt daran, dass bei seinen eigenen Truppen alles nach Plan verlaufe.
❗️Prigozhin accuses the Russian MoD of hiding facts about the Ukrainian offensive and Russian losses.
— Dmitri (@wartranslated) June 21, 2023
In a 4-minute audio message, Prigozhin declares there are areas where no military reporters are allowed to hide the truth about casualties Russia is taking during the… pic.twitter.com/yuUXSZRLYA
Dem russischen Verteidigungsministerium um Sergei Schoigu wirft Prigoschin indes Untätigkeit vor. Er erinnerte in der Nachricht an die toten Matrosen des Kreuzers Moskwa, den Russland im letzten Frühjahr verloren hat. Diese habe Schoigu im Stich gelassen. Das Schiff war eines von Putins Flaggschiffen – sein Untergang ein schwerer Rückschlag.
Sichtbare Sanktionen wegen Prigoschins Hasstiraden auf den Kreml blieben bisher offenbar aus. Doch laut Gerashchenko hat es in den vergangenen Tagen ein Treffen zwischen Putin und Prigoschin gegeben. Darin soll der russische Machthaber dem Söldner-Chef verdeutlicht haben, dass er sich Schoigu unterordnen solle. Allerdings lassen sich diese Informationen nicht unabhängig überprüfen.