Der Bundesrat will mit Brüssel über die künftigen Beziehungen der Schweiz mit der EU verhandeln. Am Freitag hat er das definitive Mandat dazu verabschiedet. Verhandelt wird, sobald auch die Europäische Kommission über ihr endgültiges Mandat verfügt hat. Am Freitagnachmittag informierte der Bundesrat Ignazio Cassis in einer Medienkonferenz.
Aussenminister Ignazio Cassis will rasch nach der Verabschiedung des Verhandlungsmandats durch den Bundesrat mit den Gesprächen mit der EU beginnen. «Unsere Delegation ist bereit, die Arbeit zu beginnen – voraussichtlich noch diesen Monat.»
Das sagte Cassis am Freitag in Bern vor den Medien. Der Weg sei nun offen, rasch Verhandlungen mit der EU aufzunehmen. Ziel sei dabei, die Beziehungen zum wichtigsten Schweizer Wirtschaftspartner zu stabilisieren und weiterzuentwickeln.
In einer zunehmend instabilen Welt sei es entscheidend, stabile Beziehungen mit den Nachbarstaaten zu haben, sagte Cassis. Der Wohlstand in der Schweiz sei hoch, aber durch mehrere weltweite Krisen unter Druck. Deshalb sei es «unerlässlich», mit die Beziehungen mit der EU zu pflegen.
Zum Verhandlungspaket mit Brüssel gehört eine Neuauflage des Landverkehrsabkommens. Betroffen ist der internationale Bahnverkehr. Der Bundesrat will bei den Verhandlungen erreichen, dass der Taktfahrplan und die Schweizer Tarife respektiert werden.
Das sagte Aussenminister Ignazio Cassis am Freitag in Bern vor den Medien. Zudem solle das Kooperationsmodell beibehalten werden, und die Schweiz solle die Trassen in ihrem Netz weiterhin selber vergeben können.
Ausserdem solle die hohe Qualität des öffentlichen Verkehrs in der Schweiz und auch die Löhne in der Branche gewährleistet sein. Vom Landverkehrsabkommen seien rund fünf Prozent aller Zugverbindungen betroffen, sagte der Aussenminister.
Laut Aussenminister Ignazio Cassis wird die Schweiz nicht alle Verhandlungsziele aussenpolitisch erreichen können. «Deshalb müssen wir innenpolitisch Begleitmassnahmen finden.»
Das sagte Cassis am Freitag in Bern vor den Medien. Sowohl der Verhandlungserfolg mit Brüssel als auch die Akzeptanz des Ergebnisses in der Schweiz seien wichtig. «Beides ist schwierig.» Klar sei aber: «Je mehr wir mit der EU erreichen, desto weniger müssen wir innenpolitisch kompensieren.»
Was die Schweiz mit den Verhandlungen mit Brüssel aussenpolitisch mache, müsse sie sehr eng auf das Innenpolitische abstimmen. Das ist laut Chefunterhändler Patric Franzen die grösste Herausforderung für die kommenden Verhandlungen mit Brüssel.
«Es ist sehr wichtig, dass wir beharrlich verhandeln, mit Leidenschaft und ausdauernd», sagte Franzen am Freitag in Bern vor den Medien auf eine Journalistenfrage zur grössten Herausforderung bei den Verhandlungen. Eine enge Abstimmung des Aussenpolitischen auf das Innenpolitische ist für ihn «der Schlüssel zum Erfolg.»
Ein Punkt des Verhandlungsmandat ist die Streitbeilegung zwischen der Schweiz und der EU. Da möchte die Schweiz «Rechtssicherheit anstelle von Willkür», sagte Aussenminister Ignazio Cassis am Freitag in Bern vor den Medien.
Im Falle eines Streites solle zuerst nach einer politischen Lösung gesucht werden. Im Anschluss würde ein paritätisch zusammengesetztes Schiedsgericht befinden, fügte Cassis an. Die Auslegung und Anwendung des Schweizer, beziehungsweise EU-Rechts bleibe weiterhin in der Eigenständigkeit des jeweiligen Staates und deren Gerichten.
Die Verhandlungen solle der Chefunterhändler Patric Franzen «im Tandem» mit der oder dem jeweiligen Fachunterhändler führen. Die Kantone seien, wo sie es wünschen, auch an Bord, sagte Cassis. Zum Zeitplan wollte sich der Bundesrat nicht äussern. Es gelte «Qualität vor Tempo».
Aussenminister Ignazio Cassis verteidigt die Veröffentlichung des Verhandlungsmandats mit der EU. Auch die EU werde ihr Mandat offenlegen. Ziel dabei sei, keinen Verdacht einer Geheimverhandlung aufkommen zu lassen.
Jede und jeder solle das Resultat dereinst schwarz auf weiss oder im Internet mit dem Mandat vergleichen können, erklärte Cassis am Freitag vor den Medien in Bern.
Die Schweiz werde wohl nicht alle ihre Ziele in den Verhandlungen erreichen können, das sei normal, sagte der Vorsteher des Eidgenössischen Departements für auswärtige Angelegenheiten (EDA). Am Ende würden Bundesrat, Parlament und Volk die Bilanz ziehen.
Etliche Punkte liessen sich im Nachhinein noch innenpolitisch lösen. Im Verhandlungsmandat des Bundesrates seien indessen alle Punkte gleich prioritär.
In der Frage eines fakultativen oder obligatorischen Referendums über das Verhandlungsresultat will der Bundesrat ein Rechtsgutachten einholen. Cassis erklärte, dieses Problem sei in der Bundesverfassung nicht eindeutig geklärt. Der Bundesrat wolle auf der sicheren Seite sein und hole sich Rat.
Damit das Ergebnis der Verhandlungen mit der EU innenpolitisch mehrheitsfähig ist, braucht es die Unterstützung der Sozialpartner. Der Bund werde keinen Druck auf die Arbeitgeber- und Arbeitnehmerverbände ausüben, sagte Staatssekretärin Helene Budliger Artieda.
«Die Sozialpartner müssen sich einig werden», sagte die Staatssekretärin im Eidgenössischen Departement für Wirtschaft, Bildung und Forschung (WBF) am Freitag in Bern vor den Medien. Der Bund habe eine moderierende Rolle. «Es wäre falsch, wenn wir beginnen würden, Druck auf die Sozialpartner auszuüben.»
Am Ende will der Bundesrat gleichzeitig mit einem Paket aus Brüssel und aus den innenpolitischen Verhandlungen ankommen. Aussenminister Ignazio Cassis ergänzte, dass die innenpolitischen Begleitmassnahmen kompatibel sein müssten mit der EU. «Sonst haben wir ein Problem.»
Die EU-Kommission hat die Verabschiedung des schweizerischen Verhandlungsmandats durch den Bundesrat begrüsst, wie ein Sprecher der europäischen Institution am Freitag auf Anfrage sagte. Auch auf der EU-Seite nimmt das Dossier eine weitere Hürde.
Den ständigen Vertretungen der EU-Mitgliedstaaten wurde das Verhandlungsmandat mit der Schweiz am Freitag unterbreitet. Auf der Traktandenliste sei es als zur Annahme ohne Diskussion aufgeführt, teilte ein Sprecher der belgischen Ratspräsidentschaft auf Anfrage der Nachrichtenagentur Keystone-SDA mit. In den vergangenen Wochen prüfte die zuständige Arbeitsgruppe das von der Kommission gewünschte Mandat.
Damit ist es aber noch nicht getan, denn nur der Rat der Europäischen Union kann einen verbindlichen Entscheid treffen. Dies solle am kommenden Dienstag geschehen, war von einer EU-Quelle zu vernehmen. An diesem Tag tagt in Brüssel der Rat für Wirtschaft und Finanzen.
Sobald die EU-Kommission auch über ein Mandat verfügt, können die Verhandlungen zwischen ihr und dem Bundesrat starten. Voraussichtlich geschehe dies nach Einschätzung des Bundesrats im laufenden Monat.
Noch im März dürfte es nach Angaben des Eidgenössischen Departements für auswärtige Angelegenheiten (EDA) so weit sein. Auf Schweizer Seite hat Chefunterhändler Patric Franzen – er ist stellvertretender EDA-Staatssekretär – die Gesamtleitung. Über die einzelnen Teile des Verhandlungspakets soll parallel verhandelt werden.
Ein Verhandlungsbeginn mit der EU noch vor den Europawahlen sei für die Schweiz wichtig. EDA-Staatssekretär Alexandre Fasel erklärte, die bisherige EU-Kommission könne einmal begonnene Verhandlungen an die neue weitergeben. Neue Themen könne sie dagegen nicht mehr beginnen.
Bei früheren Äusserungen über die Verhandlungen mit der EU wurde immer die Wichtigkeit der Zeitachse unterstrichen. Wie Fasel, der Leiter der interdepartementalen Arbeitsgruppe zur Koordinierung der Arbeiten in der Schweiz mit den Verhandlungen mit der EU ist, sagte, ist sei wichtig, die Verhandlungen mit der gegenwärtigen EU-Kommission zu starten.
So erfolge der Verhandlungsbeginn vor einer möglichen Neuzusammenstellung der Kommission nach den Wahlen. Das garantiere die Kontinuität, weil die Schweizer Verhandlungsdelegation den bereits an der Sondierung Beteiligten gegenübersitze. Das sei im Interesse der Schweiz.
In Konsultationen zum Verhandlungsmandat habe eine grosse Mehrheit der befragten Akteure sich positiv geäussert zum Paketansatz für die Verhandlungen, schrieb das EDA. Der Bundesrat habe einen Grossteil der Empfehlungen aus den Anhörungen übernommen und seinen Mandatsentwurf vom Dezember angepasst.
Nicht berücksichtigt hat die Landesregierung indes Änderungswünsche im Bereich Strom – das angestrebte Stromabkommen wurde in den Anhörungen verschiedentlich kritisiert. Der Bundesrat nennt hier den Ausschluss der Stromproduktion aus dem Geltungsbereich des Abkommens sowie den Verzicht auf Massnahmen zur Marktöffnung.
Er will im Stromabkommen anstreben, dass Konsumentinnen und Konsumenten die Wahl haben, in der geschützten Grundversorgung bleiben zu können, mit regulierten Preisen. Für die Stromproduktion, namentlich aus erneuerbaren Energien, will der Bundesrat die wichtigsten staatlichen Beihilfen beibehalten.
Beim Lohnschutz will der Bundesrat Lohn- und Arbeitsbedingungen garantieren. Und für die Spesenregelung strebt er eine Lösung an, die unter Berücksichtigung des Schweizer Preisniveaus Rechtsgleichheit gewährleistet.
(hah/sda)