Die ganze Welt schaut auf die Ukraine, könnte man meinen. In Europa tut man es zumindest. Anderswo grassieren aber gerade ganz andere Krisen und Konflikte mit schwerem Ausmass, von denen du wahrscheinlich gar nicht erst weisst.
Das «Norwegian Refugee Counsil» (NRC) gibt jedes Jahr ein Ranking der zehn am meisten vernachlässigten und vergessenen Krisen heraus. Warum sind diese überhaupt vergessen? Das NRC gibt drei Gründe dafür an:
Et voilà, es ergibt sich eine Krise, von der du wahrscheinlich einmal gehört (und sofort wieder vergessen) hast und die dir jetzt einen «ah ja, voll»-Moment beschert.
Gleich zwei Militärputsche erschütterten das Land im Westen Afrikas 2022 – mit gravierenden Folgen. Nachdem Burkina Faso seit einem ersten Putsch 2015 an Stabilität verloren hatte, sind weitgehende Teile im Norden des Landes unter Kontrolle des «Islamischen Staats» und anderer dschihadistischen Milizen.
Bereits 14'000 Burkinabe sind den Konflikten zum Opfer gefallen – die Hälfte davon seit dem ersten der beiden Putsche im 2022. 2 Millionen Menschen wurden bislang vertrieben, 4.9 Millionen sind laut dem NRC-Bericht hilfsbedürftig. Rund 6200 Schulen wurden von den fundamentalistisch-radikalen Milizen geschlossen, über eine Million Kinder sind betroffen.
Nebst politischer Instabilität ist auch die wirtschaftliche Lage prekär. watson hat mit Franziska Koller, Projektleiterin im Bereich Internationale Zusammenarbeit bei der Caritas, gesprochen. Dürren und Teuerung machen den Burkinabe das Leben schwer, erklärt sie:
Die DR Kongo hat es geschichtlich bedingt nicht leicht gehabt – und hat es auch jetzt nicht leicht. Im Osten des Landes flammen seit dem Ende der Kongokriege 2003 Konflikte zwischen der regulären Armee und bewaffneten Rebellengruppen.
Seit 2022 die M23-Rebellen (Bewegung des 23. März) ihre Offensive gestartet haben, mussten bereits 1.3 Millionen Menschen ihr Zuhause verlassen angesichts der drohenden Kämpfe und Gewalt, schreibt das NRC. Viele Hilfsorganisationen mussten aus dem selben Grund ihre Arbeiten im Ostkongo einstellen.
In den improvisierten Flüchtlingslagern ist die Lage prekär: Menschen verschulden sich, um Nahrungsmittel zu kaufen, Seife und sauberes Wasser sind rar, es gibt Berichte über «Survival Sex» – Prostitution, um überleben zu können.
In Kolumbien sind rund 7.7 Millionen Menschen hilfsbedürftig – rund 15 Prozent der Einwohnerinnen und Einwohner. Seit 60 Jahren findet sich das Land im Nordwesten Südamerikas im Konflikt mit sozialistischen Guerillagruppen und Drogenkartellen.
Bereits über hunderttausend Menschen konnten wegen der Konflikte ihre Häuser oder Gemeinden nicht mehr verlassen. 2022 war die Zahl an vertriebenen Menschen in Kolumbien so hoch wie seit über einem Jahrzehnt nicht mehr.
Ein weiterer Grund für die schwierige Lage in Kolumbien kommt aus dem nicht weniger arg gebeutelten Nachbarland Venezuela: Über 2.4 Millionen Flüchtlinge leben in Kolumbien oder sind auf der Durchreise. Das Problem:
Während der Sudan im April dieses Jahres noch breit in den Medien diskutiert, analysiert und beobachtet wurde, ist er mittlerweile stark in Vergessenheit geraten. Dabei macht weiterhin eine Mischung aus politischem Chaos, bewaffnetem Bürgerkrieg und Klimawandel den Sudanesinnen und Sudanesen das Leben schwer.
Über 15.8 Millionen Menschen bräuchten humanitäre Unterstützung, so das NRC. Doch der Grossteil der Unterstützung ist seit dem Coup 2021 zum Erliegen gekommen – der Coup 2023 hat dem keine Abhilfe geschaffen.
Durch den Bürgerkrieg wurden hunderte von Dörfern in Brand gesetzt, über 300'000 Menschen mussten ihr Zuhause verlassen, rund 1000 Zivilisten verloren ihr Leben. Währenddessen ist die Zahl der Hungerleidenden dieses Jahr zum dritten Mal in Folge angestiegen.
Die Ernährungssicherheit von einem Drittel aller Venezolanerinnen und Venezolaner ist nicht gewährleistet. Der Grund dafür ist bekannt: Seit mittlerweile acht Jahren fährt die Regierung von Präsident Nicolas Maduro das Land wirtschaftlich an die Wand. Franziska Koller sagt:
Koller erklärt weiter: «Die Mangelernährung ist hoch und die Gesundheitsversorgung in einem katastrophalen Zustand». Die Folge: eine ausserordentliche Migrationswelle.
Burundi befand sich von 1993 bis 2005 in einem blutigen Bürgerkrieg, infolge dessen sich weiterhin über 300'000 Burundianer im benachbarten Tansania aufhalten. Seit 2017 sind bereits mehr als 200'000 zurückgekehrt – der Grossteil davon nicht aus freiem Willen, sondern weil sie wegen der prekären Zustände in den Flüchtlingslagern keine andere Wahl hatten.
Doch in ihrer Heimat sieht es nicht besser aus: Die Regierung unterdrückt die Bevölkerung mittels Entführungen und anderen Menschenrechtsverletzungen. Die Vereinten Nationen (UN) beauftragten 2021 einen Sonderermittler, die Lage im Land zu untersuchen, doch das Land verweigerte ihm die Einreise.
Nebst der politischen Unterdrückung ist das Land von einer Hungerkrise geprägt. 2022 verschlechterten eine verspätete Regenzeit, gefolgt von Überschwemmungen und sintflutartigen Regengüssen die Lage zusätzlich.
Rund 52 Prozent aller Kinder unter fünf Jahren sind wegen Mangelernährung verkümmert, so das NRC.
Mali ist geprägt von Konflikten zwischen der Armee, den separatistischen Tuareg und diversen (teils islamistischen) bewaffneten Milizen im Norden des Landes. Im Rahmen der UN-Mission MINUSMA sind auch Schweizer Soldaten als Beobachter vor Ort im Einsatz – aber auch Söldner der russischen Wagner-Gruppe kämpfen auf Seite der Malischen Streitkräfte.
Der Konflikt hat bis Ende letzten Jahres bereits über 412'000 Personen aus ihren Häusern vertrieben. In abgeschiedenen Regionen sind die staatlichen Dienstleistungen komplett zum Erliegen gekommen.
Kinder leiden besonders heftig: Laut Schätzungen des NRC fehlen über 150'000 Geburtsurkunden, und eine halbe Million Kinder hat keine Möglichkeit, eine Schule zu besuchen.
Die Regierung Malis unter Militärführer Assimi Goïta hatte im November Hilfsorganisationen, die vom französischen Staat finanziert werden, die Arbeit im Land verboten. Die humanitäre Lage hat sich dadurch denkbar nicht verbessert.
Auch Kamerun sieht sich bewaffneten Konflikten der Armee mit bewaffneten Gruppierungen ausgesetzt. Konkret bezwecken besagte Milizen aus englischsprachigen Gebieten eine Abspaltung vom französischsprachigen Land.
Bereits mehr als 600'000 Menschen wurden aus ihren Häusern verdrängt, Schüsse auf Wohnhäuser und Schulen gehören zum Alltag in den Konfliktregionen.
Während Anfang 2022 noch 3.9 Millionen Menschen in Kamerun humanitäre Hilfe benötigten, waren es Ende Jahr bereits 4.7 Millionen. Rasant steigende Lebensmittelpreise stellen weiterhin eine akute Gefahr für die Ernährungssicherheit der Menschen in Kamerun dar.
El Salvador, eines der ärmsten Länder Mittelamerikas, wurde vor zwei Jahren von zwei verheerenden Hurrikanen heimgesucht – und 2022 gleich noch einmal. Hurrikan Julia löste massive Überschwemmungen aus und verschlechterte die eh schon prekäre Ernährungslage für 180'000 Menschen.
Auch wenn die Mordrate in letzter Zeit merklich abgenommen hat, verschwinden weiterhin Personen auf den Strassen El Salvadors, und wegen der weiter herrschenden Gewalt wurden Zehntausende vertrieben.
Viele Salvadorianer machen sich deshalb auf in Richtung Mexiko und USA in der Hoffnung auf eine bessere Zukunft – ein gefährlicher Weg. Über 200'000 Flüchtlinge wurden 2022 aus Mexiko und den USA nach El Salvador, Guatemala und Honduras ausgeschafft.
Im November 2022 unterzeichneten die Äthiopische Regierung und die Milizen der abtrünnigen Region Tigray (allen voran die Volksbefreiungsfront von Tigray, TPLF) ein Waffenstillstandsabkommen. Seither hat sich die Lage im Konflikt etwas beruhigt, doch die humanitäre Krise ist noch längst nicht beseitigt.
Weiterhin sind mehr als 2 Millionen Äthiopierinnen und Äthiopier auf der Flucht – über 500'000 starben infolge der Kampfhandlungen und Hungersnot. Ihr Leid wird von der fünften Dürre in Folge verstärkt, erklärt Franziska Koller:
Im Süden des Landes verende das Vieh, womit vielen Menschen die Lebensgrundlage entrissen würde, so Koller.
In Asien und Afrika gäbe es noch dutzende andere und mit fortschreitendem Klimawandel/Biodiversitätsverlust wird vor allem die Ernährungskrise gepaart mit Flüchtlingskrisen der ganzen Welt zu schaffen machen.
Ohne pessimistisch zu sein: wir steuern immer mehr dem Abgrund entgegen und sollten uns echt glücklich schätzen, dass wir in einem 1. Weltland leben
Nur weil ein paar wenige der Elite/Diktatoren sich die Taschen vollstopfen wollen, auf dem Buckel ihrer Bevölkerung!
Ganz schlimm empfinde ich es in Afrika, weil da ein Häuptling/König/Militär-Guru noch mächtiger sein will als der Nebenbuhler!
Demokratie gegen Militär und Unterdrückung!
Das hat mit "Wohl" der Allgemeinbevölkerung nichts mehr zu tun!
Dafür lässt man Tausende Menschen ermorden. (Ruanda / Burundi)
Dabei ist auch die Religon das schlimmste dabei!
Alle haben sich zwar erlöst von der Kolonialherrschaft. Aber von welcher?