Millionen an Franken an Bestechungsgeldern. Geflossen in einigen der ärmsten Länder der Welt vom Tochterkonzern eines Schweizer Rohstoffgiganten.
Genau dafür wurde der Rohstoffhändler Glencore am Donnerstag von einem Londoner Gericht verurteilt – und zur Zahlung von umgerechnet rund 316 Millionen Franken Strafe verdonnert.
Dass bei Glencore Bestechungsgelder dazu gehörten, ist nicht neu. Ab jetzt soll sich alles ändern, verspricht Glencore.
Der Fall Glencore-Schmiergelder in Afrika im Überblick:
So viel sei vorweggenommen: Die britische Tochter des in Baar beheimateten Rohstoffhändlers Glencore bekannte sich der Bestechung und Manipulation in fünf afrikanischen Ländern in sieben Fällen schuldig und zeigte sich reuig. Die Story hinter dieser Einsicht geht so:
2011 wurde der Südsudan unabhängig vom Sudan. Nicht einmal einen Monat nachdem die Unabhängigkeit beschlossen war, reiste eine Delegation des englischen Ablegers von Glencore mit einem Privatjet in das ostafrikanische Land. Insgesamt hatten die Vertreter des Schweizer Konzerns 800'000 Dollar in bar dabei. Ihre Mission: Zugang zu Öl beschaffen.
Der Händler «GE7», ein Mitglied des Ethikausschusses des Unternehmens für das Londoner Büro, war auserkoren worden, den Präsidenten des Südsudan zu überzeugen, dem südsudanesischen Joint Venture von Glencore einen Vertrag für den Verkauf des landeseigenen Öls zu erteilen.
Zwei weitere Mitarbeiter transportierten die 800'000 US-Dollar derweilen in die südsudanesische Hauptstadt Juba, um ein Büro zu eröffnen. «Das Bargeld diente vordergründig für den Erwerb von Büroinfrastruktur, Gehälter, Autos usw.», zitiert Bloomberg aus der Gerichtsverhandlung. Tatsächlich wurde ein Teil des Geldes eingesetzt, um Bestechungsgelder zu bezahlen, wie die britische Betrugsbekämpfungsbehörde Serious Fraud Office (SFO) vor Gericht minutiös darlegte.
Einige Monate nach Ankunft der Rohstoffhändler im Südsudan besuchte der Assistent des südsudanesischen Präsidenten die Glencore-Führungskräfte in Zürich. Im Anschluss hob «ein leitender Angestellter von Glencore 275'000 Dollar beim Schweizer Hauptsitz ab», schreibt Bloomberg. Und am nächsten Tag wurde der südsudanesischen Einheit von Glencore ein Ölgeschäft angeboten. Um die Bestechungsgelder zu beschaffen, habe Glencore über je einen Bargeldschalter in London (bis 2011) und in Baar (bis 2016) verfügt, so SFO.
Der verantwortliche Richter, Peter Fraser, urteilte über dieses Detail:
Während der Verhandlungen zeigte SFO auf, wie Glencore von 2011 bis 2016 in fünf afrikanischen Ländern – Kamerun, Elfenbeinküste, Nigeria, Äquatorialguinea und Südsudan – mehr als 28 Millionen US-Dollar an Bestechungsgeldern investierte: Die Rohstoffhändler lieferten grosse Mengen an Bargeld an Regierungsbeamte ab. Sie schalteten sich in Regierungsgeschäfte ein, die zu Vorzugskonditionen ausgehandelt worden waren. Sie versuchten, von politischen Unruhen zu profitieren.
Während der Verhandlungen beschrieb SFO, wie alleine in Nigeria Millionen von Dollar an einen Mittelsmann gezahlt wurden, der das Geld zur Bestechung von Beamten der staatlichen Ölgesellschaft verwendete. Scheinverträge sollen dabei den wahren Zweck der Zahlungen verschleiert haben. Der Mittelsmann habe das Geld auch per Privatjet nach Kamerun und Mali verschoben, wo wiederum Beamte von Raffinerien bestochen wurden. Teilweise seien kostenlose Kredite vergeben worden.
Aufgrund von sieben nachgewiesenen Bestechungsdelikten im Zusammenhang mit Erdölgeschäften in Afrika verhängte der in London zuständige Richter Fraser am Donnerstag, 3. November 2022, eine Busse von 182,9 Millionen Pfund sowie eine Beschlagnahmung in Höhe von weiteren 93,5 Millionen Pfund. Das entspricht umgerechnet etwa 316 Millionen Schweizer Franken.
Bei der Anhörung erklärte der Anwalt des Unternehmens, dass Glencore «den durch diese Vergehen verursachten Schaden vorbehaltlos bedauert».
Glencore selbst äusserte sich in einem Communiqué zum Urteil am Donnerstagnachmittag. Das Verhalten sei unentschuldbar und habe beim Konzern keinen Platz. Darum habe Glencore bei den Ermittlungen auch kooperiert und ein umfassendes Programm zur Unternehmensreform eingeleitet.
Und so bescheinigt die Urteilsverkündung aus London dem Schweizer Konzern auch:
Mit dem Urteil in London enden jahrelange Untersuchungen in mehreren Ländern gegen Glencore, die 2018 in den USA ihren Anfang genommen hatten.
Und so sind die Enthüllungen über den Handel von Glencore in Afrika kein Einzelfall. Sie kamen, nur sechs Monate nachdem sich das Unternehmen in ähnlichen Fällen in den USA und Brasilien schuldig bekannt hat – und dafür 1,1 Milliarden US-Dollar bezahlen muss.
Aktuell gibt es noch offene Verfahren in den Niederlanden und in der Schweiz. Die Bundesanwaltschaft hat vor zwei Jahren ein Verfahren eröffnet aufgrund von Korruptionsvorwürfen in Kongo-Kinshasa. Zum Stand der Untersuchung wollte sich die Behörde gegenüber der NZZ nicht äussern.
Die SFO stellte fest, dass Glencore zum Zeitpunkt des Fehlverhaltens in allen Ländern über Antikorruptionsrichtlinien verfügte, die jedoch weitgehend ignoriert wurden – «da Korruption auf einer sehr hohen Ebene innerhalb des Unternehmens geduldet wurde.» Die USA verpflichteten Glencore darum auch dazu, in den nächsten Jahren die Compliance-Prozesse von einer externen Stelle überwachen und testen zu lassen.
Glencore erzielte in den ersten sechs Monaten des laufenden Jahres einen Reingewinn von 12,1 Milliarden Dollar. Der Konzern habe für «rechtliche Probleme» bereits 1,5 Milliarden Franken an Rückstellungen angelegt, wie die NZZ schreibt.
Das Urteil habe den Aktienkurs in keinster Weise belastet, wie die NZZ analysierte. Was darauf hindeute, dass die Höhe der Busse vom Markt erwartet worden sei.
Alexandra Gillies, Autorin eines Buchs über Korruption in der Ölindustrie, urteilt nach dem Prozess gegenüber der Nachrichtenagentur Bloomberg:
Rohstoffhändler versuchen bereits seit Jahren, sich von ihrem angekratzten Image zu distanzieren. Sie präsentieren sich stattdessen als Logistikunternehmen, die Rohstoffe von A nach B transportieren. Auch das weltweit grösste Unternehmen im Rohstoffhandel und Bergwerksbetrieb, eben Glencore, begrüsst die Besuchenden online mit Beiträgen über «Die Reise des Nickels» oder «Recycling auf dem Weg zu einer Kreislaufwirtschaft». Bestechung wird nicht als Geschäftszweig genannt.
🤣🤣🤣
Wir haben in der CH eine viel zu hohe Dichte an kriminellen Saftläden!