Entsetzen und Trauer: So reagierten die Teamkolleginnen von US-Basketballstar Brittney Griner am Donnerstagabend vor einem Spiel an der US-Ostküste. Kurz vor dem Match in der Frauen-Basketballliga zwischen Griners Team, den Phoenix Mercury, und den Connecticut Sun, verkündete das Gericht in einem Vorort Moskaus sein Verdikt und verurteilte die 31-jährige Brittney Griner zu neun Jahren Haft.
«Niemand wollte spielen heute. Wie sollen man denn überhaupt bereits sein für ein solches Spiel, wenn das ganze Team vorher weinen musste?», fasste die Mercury-Spielerin Skylar Diggins-Smith die Stimmungslage in ihrem Team zusammen.
Die Mercury-Spielerinnen sahen im Fernsehen mit an, wie ihre in Russland inhaftierte Mitspielerin Griner selbst mit den Tränen kämpfen musste, als sie vor dem Urteil die russische Richterin anflehte, Milde walten zu lassen und ihr Leben «nicht hier zu beenden» für den «wahrhaftigen Fehler», den sie begangen habe.
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Brittney Griner wurde am 17. Februar dieses Jahres, also eine Woche vor Einmarsch Russlands in der Ukraine, bei ihrer Einreise nach Russland verhaftet, weil Beamte in ihrem Gepäck eine kleine Menge Haschischöl fanden. 0,5 Gramm sollen es gewesen sein, unter Sportlerinnen und Sportlern ist die Substanz weit verbreitet und in Griners Heimat ist sie legal. In Russland aber gehört sie zu den verbotenen Substanzen. Griner erklärte, sie habe das Fläschchen aus Versehen eingepackt.
Brittney Griner speaks:
— Citizen Free Press (@CitizenFreePres) August 4, 2022
"I made an honest mistake and I hope that in your ruling it doesn't end my life."pic.twitter.com/fO6lLb3OV5
Gegenüber der «New York Times» sagte die Basketballerin Jonquel Jones, die wie Griner neben ihrem US-Engagement in Russland für das Frauenteam der russischen Stadt Yekaterinburg spielt, um so das im Vergleich zum Männerbasketball bescheidene Gehalt aufzupeppen, sie hätte nie erwartet, dass so etwas passieren würde.
Erst nach Griners Verhaftung habe sie überhaupt erfahren, dass Haschischöl in Russland verboten sei. «Wir fühlten uns hier immer sicher, man behandelte uns wie Profis und ich habe nun realisiert: Genauso gut, wie es sie getroffen hat, hätte es mich treffen können.»
Griner wurde nach dem Richterspruch in die Zelle gebracht, in der sie seit ihrer Verhaftung auf ihren Prozess wartete. Ihre Anwälte haben Berufung angekündigt. Nichtsdestotrotz wird Griner wohl schon bald in ein Straflager für Frauen versetzt. Wie sie dorthin kommt und was sie dort erwartet, zeigt das Beispiel Paul Whelan.
Whelan ist ein weiterer US-Amerikaner, der in Russland inhaftiert ist und dessen Festhaltung die Amerikaner als widerrechtlich betrachten. Gegenüber USA Today schilderte dessen Bruder, was nach Whelans Verurteilung 2018 vor sich ging.
Zwischen Verurteilung und Transport zum Bestimmungsort verging rund ein Monat. «Mein Bruder kam zuerst auf eine Art Quarantänestation – danach verlor sich für ein paar Tage jede Spur von ihm. Wir hatten keine Ahnung, wie es ihm geht und wo er sich befand.» Die russischen Behörden liessen Whelans Angehörige im Dunkeln.
Später schilderte Paul Whelan aus einem Straflager in Sibirien, er hätte sich für Wochen im Gefängniszug befunden auf dem Weg zu seinem Bestimmungsort. Der fensterlose Waggon raube den Inhaftierten jegliche Orientierung.
Im Straflager selbst, die meisten von ihnen stammen aus den 1970ern und stehen wie die ehemaligen Gulags in den abgelegenen Gebieten Sibiriens, sind die Bedingungen hart. Bereits eine Erkrankung kann lebensgefährlich sein.
In einem schriftlichen Austausch mit der «New York Times» beschrieb Russlands bekanntester Oppositioneller Alexej Nawalny, selbst in einem Straflager inhaftiert, dass Häftlinge heutzutage eher psychischer denn physischer Gewalt ausgesetzt seien. So müsse er zum Beispiel täglich bis zu acht Stunden russische Propagandafilme anschauen. «Nicht einschlafen, schauen!», würden die Wärter brüllen.
The Mercury and Sun hold a 42-second moment of silence for Brittney Griner before their game 🙏
— Bleacher Report (@BleacherReport) August 5, 2022
A Russian court sentenced her to nine years in prison earlier today
(via @WNBA)
pic.twitter.com/Lyt3SvmyOS
Die Regierung Biden möchte sowohl Griner als auch Whelan in einem Gefangenenaustausch freibekommen. Washington hat dem Kreml den in den USA inhaftierten Waffenschieber Viktor Bout angeboten. Der Kreml fordert offenbar auch die Freilassung des in Deutschland inhaftierten «Tiergarten-Mörders». In manchen früheren Fällen wurde ein Gefangenenaustausch überhaupt erst möglich, nachdem ein Urteil vorlag.
Brittney Griners Familie, Teamkolleginnen und Fans hoffen, dass es bald zu einer Freilassung kommt. 42 Sekunden, Griner trägt auf dem Basket-Court die 42 auf ihrem Shirt, lagen sich am Donnerstagabend Spielerinnen beider Mannschaften, Trainerinnen und Schiedsrichter unter Tränen in den Armen und gedachten ihrer Mitspielerin.