Ein amerikanischer Geheimdienstchef nannte ihn kürzlich einen «widerlichen Menschen». Doch nun könnte Viktor Bout, ein russischer Waffenschieber mit dem Beinamen «Händler des Todes», der Schlüssel für die Lösung einer Krise sein, die das Verhältnis zwischen Washington und Moskau derzeit stark belastet.
Erstmals bestätigte der amerikanische Aussenminister Antony Blinken am Mittwoch öffentlich, dass die Regierung von Präsident Joe Biden dem Kreml ein «substanzielles Angebot» unterbreitet habe, um die in Russland festgehaltenen Spitzensportlerin Brittney Griner und den ehemaligen Berufsmilitär Paul Whelan freizubekommen.
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Und obwohl Blinken nicht ausführte, wie denn dieser Vorschlag im Detail aussieht, sickerte umgehend durch, dass Bout ein Teil des Tauschhandels sein solle. Der 1967 in der damaligen Sowjetunion geborene Waffenhändler sitzt seit 2012 eine langjährige Haftstrafe in einem bundesstaatlichen Gefängnis in Marion (Indiana) ab; laut den Angaben des Justizministeriums in Washington wird der Häftling mit der Nummer 91641-054 frühestens im August 2029 in die Freiheit entlassen.
Unklar ist, warum Blinken sich ausgerechnet jetzt dazu entschied, diesen höchst delikaten Vorschlag zum Austausch prominenter Gefangenen publik zu machen. Denn angeblich wurde das Angebot der Regierung Biden, übrigens gegen recht heftigen internen Widerstand, den Russen bereits vor «einigen Wochen», wohl noch im Juni, unterbreitet. Und der Kreml soll kühl auf die Idee reagiert haben, obwohl die Freilassung von Bout schon lange recht weit oben auf der Prioritätenliste des russischen Präsidenten Wladimir Putin steht.
Griner, 31 Jahre alt und eine der besten Basketballspielerinnen Amerikas, wird derzeit in einem Vorort von Moskau der Prozess gemacht. Sie steht vor Gericht, weil in ihrem Gepäck bei ihrer Einreise nach Russland im Februar 2022 eine geringe Menge Cannabis gefunden wurde. Damit verstiess sie gegen die notorisch harten russischen Drogengesetze. Griner erklärte sich an einem früheren Verhandlungstag für schuldig, bezeichnete ihren Übertritt am Mittwoch aber als Versehen. (Das Verfahren gegen sie wird wohl erst im August abgeschlossen.)
Whelan wiederum, 52 Jahre alt, wird seit dreieinhalb Jahren in Russland festgehalten. Der ehemalige Marineinfanterist solle in Moskau spioniert haben, lautet der (konstruiert wirkende) Vorwurf der russischen Behörden. Whelan sitzt in einem Gefangenenlager fest; angeblich ist seine Gesundheit angeschlagen.
Blinken kündigte am Mittwoch an, dass er in den nächsten Tagen mit seinem russischen Aussenminister Sergei Lawrow telefonieren werde. Er hoffe, dass die Unterredung mit Lawrow die Suche nach einer Lösung beschleunigen werde, sagte der US-Aussenminister. Es wäre dies das erste direkte Gespräch zwischen den beiden Chefdiplomaten seit dem Ausbruch des Ukraine-Krieges.
Biden steht unter grossem Druck, die beiden US-Bürger bald nach Hause zu bringen. Allerdings gibt es auch Stimmen, die einem Gefangenenaustausch kritisch gegenüberstehen. Sie stellen sich auf den Standpunkt, dass sich Washington erpressbar mache, wenn es Russland gelinge, einen notorischen Kriminellen freizupressen.