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US-Repräsentantenhaus: Republikaner Mike Johnson ist neuer Speaker

Mike who? Trump-Getreuer wird neuer Speaker – die Wahl in 8 Punkten

Ende des Machtvakuums an der Spitze des amerikanischen Repräsentantenhauses: Am Mittwoch hat die grosse Kammer des Kongresses einen neuen Vorsitzenden gewählt. Auf Mike Johnson wartet nun ein Haufen Arbeit.
26.10.2023, 07:2126.10.2023, 07:21
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Nach einem wochenlangen Machtkampf in den Reihen der US-Republikaner ist ein konservativer Hardliner und Unterstützer von Ex-Präsident Donald Trump auf den mächtigsten Posten im amerikanischen Parlament aufgerückt.

Rep. Mike Johnson, R-La., takes the oath to be the new House speaker from the Dean of the House Rep. Hal Rogers, R-Ky., at the Capitol in Washington, Wednesday, Oct. 25, 2023. (AP Photo/Alex Brandon)
Der Abgeordnete Mike Johnson legt am Mittwoch nach seiner Wahl zum Speaker des Repräsentantenhauses den Amtseid ab.Bild: keystone

Die Mehrheit der Republikaner im Repräsentantenhaus wählte den Abgeordneten Mike Johnson am Mittwoch zum Vorsitzenden der Repräsentantenhauses. Der 51-Jährige ist damit die neue Nummer drei der staatlichen Rangfolge nach dem US-Präsidenten und dessen Vize. Mit seiner Wahl ist die Parlamentskammer nach mehr als drei Wochen des weitgehenden Stillstands wieder arbeitsfähig. Der wenig erfahrene und kaum bekannte Johnson hat allerdings grosse Herausforderungen vor sich. Demokraten äusserten sich besorgt über die Personalie.

Die Übersicht

Die Vorgeschichte

Der vorherige Vorsitzende der Parlamentskammer, Kevin McCarthy, war Anfang Oktober in einer historischen Abstimmung abgewählt worden. Radikale Republikaner hatten ihn aus dem Amt getrieben. Danach versank die Parlamentskammer im Chaos: Die tief zersplitterte republikanische Fraktion konnte sich nicht auf einen neuen Frontmann verständigen. Drei Kandidaten vor Johnson schmissen hin, weil ihnen der Rückhalt in den eigenen Reihen fehlte – zwei davon, bevor es überhaupt zu einer Abstimmung im Plenum kam. Der Republikaner Jim Jordan liess drei erfolglose Wahlgänge in der Kammer über sich ergehen, bevor seine Fraktion ihn aus dem Rennen nahm. Die gesetzgeberische Arbeit in der Kammer stand in der Zwischenzeit weitestgehend still, was den Republikanern viel Kritik einbrachte.

Die Wahl

Auch republikanische Abgeordnete äusserten sich in den vergangenen Tagen zunehmend frustriert und verärgert. Die Fraktion bemühte sich daher nun um ein Signal der Einigkeit und wählte Johnson bei dessen erstem Anlauf einstimmig auf den Spitzenposten. Johnson versicherte nach seiner Wahl, die Fraktion sei nun geeint und gehe gestärkt aus den Turbulenzen hervor. «Wir haben eine Menge Lektionen gelernt», sagte er. «Durch Widrigkeiten wird man stärker.» Das Repräsentantenhaus sei nun zurück und seine Fraktion werde hart arbeiten, Teamwork zeigen und für das amerikanische Volk abliefern.

Wer ist Mike Johnson?

Der Jurist und frühere Radiomoderator aus dem Bundesstaat Louisiana sitzt seit 2017 im Repräsentantenhaus. Der vierfache Vater ist evangelikaler Christ. Johnson war bislang Teil der erweiterten Fraktionsführung der Republikaner, ist auf nationaler Bühne aber weitgehend unbekannt und hat im Repräsentantenhaus bislang nicht mal einen Ausschuss geleitet. Selbst Parteikollegen machten keinen Hehl daraus, dass Johnson für den Posten vergleichsweise wenig Erfahrung aufweist. «Er wird ein wenig lernen müssen», sagte der Republikaner Tom Cole der «Washington Post». Ein anderer, nicht namentlich genannter Parlamentarier wurde zitiert mit den Worten: «Seine Bilanz ist nicht überragend.»

Wie hat er es dann auf den Spitzenposten geschafft?

Die wochenlangen Machtkämpfe, die das Repräsentantenhaus weitgehend lahmlegten, brachten den Republikanern den Vorwurf ein, komplett dysfunktional und politisch unfähig zu sein. Sie standen daher unter wachsendem Druck, einen neuen Vorsitzenden zu bestimmen. Johnson ist inhaltlich ein Hardliner, tritt vom Stil her aber moderater auf als andere und hat in der Fraktion keine persönlichen Feindschaften entwickelt – im Unterschied zu prominenteren Gesichtern vom rechten Rand. Vor allem aber hat er einen gewichtigen Fürsprecher: Donald Trump. Der frühere US-Präsident, der gegen einen vorherigen moderateren Kandidaten offen Stimmung gemacht hatte, warb für Johnson. Demokraten argumentierten, es sei bei der Kandidatenauswahl allein darum gegangen, Trump zu besänftigen. Die Demokratische Parteizentrale bezeichnete Johnson als «Marionette, die im Repräsentantenhaus nach Trumps Pfeife tanzt».

Wo steht Johnson politisch?

Johnson gehört zur religiösen Rechten seiner Fraktion, ist Abtreibungsgegner und lehnt die gleichgeschlechtliche Ehe ab. Er zählt zu Trumps loyalen Anhängern. Johnson weigerte sich seinerzeit, Trumps Niederlage gegen Biden bei der Präsidentenwahl 2020 anzuerkennen, und unterstützte damals auf juristischem Weg Trumps Bemühungen, den Wahlausgang nachträglich ins Gegenteil umzukehren. Johnson war auch im Verteidigerteam bei Trumps Amtsenthebungsverfahren.

Und was ist mit Trump?

Radikale Abgeordnete, darunter die acht Parlamentarier, die McCarthys Sturz initiiert hatten, feierten Johnsons Wahl – auch als Zeichen eines Erstarkens des rechten Flügels. Tatsächlich zeigt die Personalie, wie weit die republikanische Fraktion im Repräsentantenhaus nach rechts gerückt ist und welchen Einfluss Trump dort hat. Der Ex-Präsident konnte sich zwar nicht durchsetzen mit seinem Wunsch-Hardliner Jim Jordan, für den er sich stark gemacht hatte. Doch zeigte Trump eindrucksvoll seine Fähigkeit, Chaos zu stiften und den Wahlprozess zu lenken durch Wortmeldungen in die eine oder andere Richtung. Ob es dem wenig erfahrenen Johnson nun gelingen wird, das Chaos dauerhaft zu beenden und die weiter zersplitterte Fraktion bei kommenden Abstimmungen zusammenzuhalten, ist fraglich.

Was steht nun an?

Tatsächlich hat die Parlamentskammer jede Menge zu tun. Bis Mitte November muss der Kongress einen neuen Haushalt verabschieden, sonst droht ein Stillstand der Regierungsgeschäfte – ein «Shutdown». Dann läuft nämlich ein Übergangshaushalt aus. Das Parlament muss sich auch mit dem Gaza-Krieg und dem Langzeitkonflikt in der Ukraine beschäftigen. US-Präsident Joe Biden beantragte vergangene Woche ein mehr als 100 Milliarden US-Dollar schweres Hilfspaket beim Kongress, das Unterstützung für die Ukraine und Israel enthält. Es ist aber fraglich, ob der Kongress zustimmen wird. Eine wachsende Zahl von Republikanern sieht die Hilfe für Kiew zunehmend kritisch oder lehnt sie gar völlig ab. Johnson selbst hat sich in der Vergangenheit gegen US-Hilfen für das von Russland angegriffene Land gestellt.

Wie geht es mit der Ukraine-Hilfe weiter?

Die USA sind der wichtigste Unterstützer der Ukraine im Abwehrkampf gegen Russland. In dem verabschiedeten Übergangshaushalt sind auf Druck von Teilen der republikanischen Fraktion keine weiteren Hilfen für das Land vorgesehen. Und das bisher vom Kongress genehmigte Geld für Kiew geht zur Neige, neue Mittel müssen deshalb dringend her. Ob die Ukraine bei einem Repräsentantenhaus unter Johnsons Führung mit baldigen Hilfen rechnen kann, ist unklar. Das wiederum könnte bedeutsame Auswirkungen auf das Kriegsgeschehen haben. In seiner Antrittsrede erwähnte Johnson die Ukraine nicht, sondern sprach lediglich über den Konflikt in Israel. Als erste Amtshandlung liess er über eine allgemeine Resolution zur Unterstützung Israels abstimmen. (sda/dpa)

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13 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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moderat
26.10.2023 02:05registriert Juni 2022
Nein, nicht Vernunft - eine Katastrophe. Er ist Trump-Jünger, Wahlresultat-Leugner, Abtreibungsgegner, gegen Homo-Ehen, gegen Ukraine-Inteestützing, etc. Die Reps konnten keinen moderaten Kandidaten zum Erfolg führen. Bin auch von den Dems enttäuscht. Statt alle für ihren chancenlosen Kandidaten zu stimmen hätten sie einen moderaten Rep ins Speakeramt heben können. Aber was für das Land das Beste wäre interessiert keinen - auf beiden Seiten.
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Simonscat
26.10.2023 09:18registriert August 2019
Das kann ja heiter werden. Ein erzkonservativer young earth creationist und Abtreibungsgegner der glaubt, die Erde sei 6'000 Jahre alt, Dinosaurier wären erfunden und Frauen seien Babyfabriken.
Ist es wirklich so schwierig in einem Land mit 300 Millionen Einwohnern wenigstens eine Handvoll vernünftiger Personen für derartige Führungspositionen zu finden?
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Auster N
26.10.2023 02:04registriert Januar 2022
Bleibt der bis Weihnachten. Kaum, oder.
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