International
USA

Trump erneuert in 46-minütigem Video unbelegte Betrugsvorwürfe

Präsident Donald Trump will seine Niederlage nicht eingestehen.
Präsident Donald Trump will seine Niederlage nicht eingestehen.screenshot twitter

«Das ist meine wichtigste Rede» – und dann kommen 46 Minuten voller unbelegter Vorwürfe

Der amtierende US-Präsident Donald Trump hat in einem 46-minütigen Video aus dem Weissen Haus seine unbelegten Wahlbetrugsvorwürfe erneuert.
03.12.2020, 01:4003.12.2020, 04:40
Mehr «International»

In der am Mittwochabend (Ortszeit) veröffentlichten Ansprache machte er mit einer ganzen Reihe von Anschuldigungen gegen seine politischen Gegner deutlich, dass er sich nicht mit seiner Niederlage gegen den Demokraten Joe Biden abfinden will – und dass er sich weiterhin als Sieger der Wahl sieht. «Die Demokraten hatten diese Wahl von Anfang an manipuliert», sagte Trump.

Wieso gerade jetzt?

US-Justizminister William Barr hatte am Dienstag gesagt, dass es keine Beweise für Betrug in einem Ausmass gebe, das den Ausgang der Wahl ändern würde. Die «New York Times» berichtete unter Berufung auf einen Mitarbeiter des Weissen Hauses, das Video sei bereits vergangene Woche aufgenommen worden. Warum es ausgerechnet am Mittwoch veröffentlicht wurde, war zunächst unklar.

Hat Trump was neues gesagt?

Nicht wirklich. Trump leitete seine Ansprache zwar mit diesen Worten ein: «Das ist vielleicht die wichtigste Rede, die ich je gehalten habe.» Seine unbelegten Vorwürfe waren aber bereits bekannt. Er warf den Demokraten zum Beispiel vor, mit der Ausweitung der Briefwahl den Grundstein für «systematischen und weit verbreiteten» Wahlbetrug gelegt zu haben. Trump hatte schon im Wahlkampf Stimmung gegen die Briefwahl gemacht, die wegen der Corona-Pandemie vor allem viele Wähler der Demokraten nutzten. Die Abstimmung per Post ist in den USA eine etablierte Form der Stimmabgabe.

Legte Trump Beweise vor?

Nein, Trump selbst hat keine Beweise für Wahlbetrug in grossem Stil vorgelegt. Die zuständigen US-Behörden hatten die Wahl am 3. November als sicherste in der Geschichte der USA bezeichnet. Trump kündigte am Mittwochabend an, weiter juristisch gegen das Wahlergebnis vorzugehen. «Was für eine Katastrophe diese Wahl war», sagte er. «Eine totale Katastrophe. Aber wir werden es aufzeigen. Und hoffentlich werden es die Gerichte sehen, besonders der Supreme Court der Vereinigten Staaten.»

Die Richter müssten das Richtige tun, forderte er «respektvoll». «Weil unser Land mit so einer Wahl nicht leben kann.» Er hätte kein Problem damit, eine Wahl zu verlieren, sagte Trump. Es müsse aber auf faire Weise geschehen.

Hat Trump bereits was vor Gericht erreicht?

Nein. In den besonders umkämpften Bundesstaaten – den sogenannten Swing States – seien Millionen illegale Stimmen abgegeben worden, behauptete Trump. «Und wenn das der Fall ist, müssen die Ergebnisse der einzelnen Swing States gekippt werden, und zwar sofort.» Er habe diese Bundesstaaten «sehr leicht» gewonnen. Tatsächlich hat nach den beglaubigten Ergebnissen von sechs wichtigen Swing-States dort jeweils Biden gewonnen.

Für Trumps Behauptung, dass Millionen illegale Stimmen gezählt worden seien, gibt es keinerlei Belege – oder auch nur Hinweise darauf. Weder Klagen von Trumps Anwälten noch Neuauszählungen haben bislang zur Änderung eines Wahlergebnisses auch nur in einem einzigen Bundesstaat geführt.

Trump kritisierte nun erneut, dass er bei fortlaufender Stimmenauszählung in manchen Bundesstaaten in der Wahlnacht vom 3. auf den 4. November seinen Vorsprung einbüsste. Nicht nur Kritiker des Präsidenten wenden ein, dass sich Mehrheitsverhältnisse im Laufe von Stimmenauszählungen in einer Demokratie verändern können.

Was will Trump damit erreichen?

Biden war – wie in den USA üblich – von wichtigen Medien zum Sieger der Wahl ausgerufen worden. Trump schien am Dienstag vor Mitgliedern der Republikanischen Partei bei einer Weihnachtsfeier im Weissen Haus angedeutet zu haben, bei der nächsten Wahl in vier Jahren erneut für die Präsidentschaft kandidieren zu wollen. Das Nachrichtenportal «Politico» hatte darüber berichtet, weitere US-Medien zogen nach. Spekulationen über eine mögliche Kandidatur 2024 wollte Trump bislang nicht öffentlich kommentieren. Spekuliert wird aber darüber, dass er sein Narrativ der manipulierten Wahl dafür nutzt um an Spendengelder seiner Unterstützer zu gelangen.

Wann tritt Trump das nächste Mal auf?

Schon bald. Zur Unterstützung von zwei republikanischen Kandidaten für den US-Senat will Trump am kommenden Samstag eine Wahlkampfveranstaltung im Bundesstaat Georgia abhalten – die erste Kundgebung seit seiner Niederlage vor einem Monat. Die Stichwahlen am 5. Januar sind von herausragender Bedeutung, weil sie über die Mehrheitsverhältnisse in der mächtigen Parlamentskammer entscheiden – und damit über die Erfolgsaussichten wichtiger Personalentscheidungen und Reformpläne des künftigen US-Präsidenten. (jaw/sda/dpa)

DANKE FÜR DIE ♥
Würdest du gerne watson und unseren Journalismus unterstützen? Mehr erfahren
(Du wirst umgeleitet, um die Zahlung abzuschliessen.)
5 CHF
15 CHF
25 CHF
Anderer
twint icon
Oder unterstütze uns per Banküberweisung.
Diese Republikaner haben sich von Trump abgewandt
1 / 20
Diese Republikaner haben sich von Trump abgewandt
Der ehemalige republikanische Präsident George W. Bush hat Biden und Harris bereits einen Tag, nachdem sie als Gewinner und Gewinnerin verkündet wurden, gratuliert.
quelle: keystone / rich schultz
Auf Facebook teilenAuf X teilen
Dave Chappelle hat «N*****-Lektionen» für weissen Amerikaner nach Trumps Niederlage
Video: watson
Das könnte dich auch noch interessieren:
97 Kommentare
Weil wir die Kommentar-Debatten weiterhin persönlich moderieren möchten, sehen wir uns gezwungen, die Kommentarfunktion 24 Stunden nach Publikation einer Story zu schliessen. Vielen Dank für dein Verständnis!
Die beliebtesten Kommentare
avatar
Therealmonti
03.12.2020 02:18registriert April 2016
Steckt ihn endlich in eine Zwangsjacke!
56013
Melden
Zum Kommentar
avatar
Licorne
03.12.2020 05:35registriert Januar 2014
Ich hoffe sehr, dass diese wirren Reden den Demokratischen Kandidaten für den Senat in Georgia mehr helfen als schaden.
Alleine das Schweigen des Grossteils der Reps zu diesem Theater muss Konsequenzen haben.
5037
Melden
Zum Kommentar
avatar
bruuslii
03.12.2020 06:11registriert April 2019
«Was für eine Katastrophe diese Wahl war»
ja, donald du hast verloren. und für dich ist das eine katastrophe.

«Weil unser Land mit so einer Wahl nicht leben kann.»
nein, donald, du solltest nicht von dir auf andere schliessen! auch rep-wähler, wissen, dass das halt einfach so ist. also akzeptier es und sei ein guter verlierer.

da muss man ja wie mit einem kindergärtner argumentieren. leider ist das riesenbaby an der mächtigsten position der welt 😒
31011
Melden
Zum Kommentar
97
Mann in Hongkong mit Affenvirus infiziert – Intensivstation
In Hongkong hat sich ein Mann mit einem gefährlichen Virus infiziert – offenbar durch den Kontakt mit einem Affen. Welche Folgen die Erkrankung haben kann.

Der Kontakt mit einem Affen ist einem Mann in Hongkong zum Verhängnis geworden. Der 37-Jährige war bereits im März in das Yan-Chai-Krankenhaus eingeliefert worden. Er hatte Fieber und verlor immer wieder sein Bewusstsein. Die Ärzte brachten ihn umgehend auf die Intensivstation, sein Zustand gilt als kritisch, berichtet das Hongkonger Gesundheitsministerium.

Zur Story