Dramatische Szenen in der New Yorker U-Bahn: Bei einem Vorfall mit Schüssen und Rauchschwaden sind am Dienstag mitten in der morgendlichen Rush Hour im New Yorker Stadtteil Brooklyn mindestens 23 Menschen verletzt worden. «Zehn Menschen wurden durch Schüsse verletzt und weitere 13 wurden entweder verletzt, als sie aus dem Bahnhof eilten, oder sie erlitten eine Rauchvergiftung», sagte Polizeichefin Keechant Sewell bei einer Pressekonferenz am Dienstagabend (Ortszeit). Keiner von ihnen befinde sich aber in Lebensgefahr. Zuvor hatte die Polizei von mindestens 16 Verletzten gesprochen.
Ein Mann habe in einem Zug der Linie N Richtung Manhattan kurz vor der Station 36th Street plötzlich eine Art Gasmaske angezogen und dann zwei Kanister geöffnet, aus dem Nebel oder Rauch strömte, sagte Polizeichefin Keechant Sewell. Danach habe er das Feuer eröffnet. Der Täter soll mindestens 33 Mal mit einer Handfeuerwaffe geschossen haben, so Polizist James Essig. Der Mann, der eine Art Bauarbeiter-Weste trug, war zunächst auf der Flucht.
Der Schütze sei «gefährlich», sagte New Yorks Gouverneurin Kathy Hochul. Die Behörden forderten alle Bürger auf, «sehr vorsichtig und wachsam» zu sein, sagte sie. Wer Hinweise habe, solle die Polizei verständigen.
Brooklyn #Subway Shooting. pic.twitter.com/XeH0DrdD9s
— Isaac Abraham (@IsaacAb13111035) April 12, 2022
Auf Videos war zu sehen, wie Menschen in der Station 36th Street im Viertel Sunset Park aus einem U-Bahn-Wagen strömten, umgeben von Nebel- oder Rauchschwaden, einige blieben am Boden liegen, Blut war zu sehen, andere kümmerten sich um die Verletzten.
Es kam zu zahlreichen Verspätungen und Ausfällen im U-Bahn-System. Die Schulen in der Umgebung der Station schlossen vorübergehend, wie US-Medien einen Sprecher des New Yorker Schulsystems zitierten. Es dürften nur noch Schulkinder hinein, aber niemand anderes und auch niemand mehr hinaus. Das Viertel Sunset Park war früher vor allem industriell geprägt, heute leben und arbeiten dort aber auch viele junge Menschen und Familien. Um die Ecke liegt auch eine Trainingshalle des Basketball-Teams Brooklyn Nets.
Die Identität des Täters ist nach wie vor unklar. Die Polizei sucht nun aber einen möglichen Verdächtigen. Es handle sich um den 62-jährigen Frank James, teilten die Behörden am Dienstag (Ortszeit) bei einer Pressekonferenz mit. James hatte in Philadelphia einen Kleinlaster gemietet. Die Schlüssel zu diesem gemieteten Kleinlaster seien in einer Tasche in der U-Bahn gefunden worden, die möglicherweise dem Täter zugeordnet werden könne. Der Kleinlaster war nach dem Vorfall abgestellt in einem anderen Teil von Brooklyn gefunden worden.
James, der Wohnsitze in Philadelphia und Wisconsin habe, werde deswegen als «Person von Interesse» eingestuft, es sei aber noch unklar, ob es sich bei ihm auch um den Täter handeln könnte, hiess es bei der Pressekonferenz. Bislang sei niemand verhaftet worden.
The @NYPDnews says this Philadelphia man, 62 year old Frank James, rented a white u-haul van which was found after the Brooklyn subway shooting. They have connected the van to the crime. He’s wanted for questioning. pic.twitter.com/Uxa3kGYzcV
— Jonathan Hall (@JHall7news) April 12, 2022
Es werde zudem vermutet, dass es sich bei James um den Autor mehrerer Veröffentlichungen in sozialen Medien handele. Darin beschwere sich der Autor unter anderem über New York, Bürgermeister Eric Adams und Obdachlosigkeit. Nähere Details wollten die Behörden nicht mitteilen. Der Polizeischutz von Adams werde aber vorsichtshalber aufgestockt, hiess es. Adams hält sich wegen einer Infektion mit dem Coronavirus derzeit in Isolation in seiner Residenz auf der Upper East Side Manhattans auf.
Sein Motiv sei zunächst unklar, sagte Sewell. «Dies wird derzeit nicht als terroristischer Akt untersucht.» Die Ermittlungen liefen aber erst seit wenigen Stunden, die Situation könne sich noch ändern, man schliesse auch nichts aus. Aktuell gebe es keine aktiven Sprengsätze in der New Yorker U-Bahn.
Während des Vorfalls haben die in der Station installierten Überwachungskameras nach Angaben von Bürgermeister Eric Adams ersten Erkenntnissen zufolge nicht funktioniert. «Die vorläufige Untersuchung ergab, dass es in dieser speziellen Station so scheint, als ob es eine Störung mit dem Kamerasystem gab», sagte Adams am Dienstag in einem Radio-Interview. Nähere Details lägen dazu noch nicht vor.
US-Präsident Joe Biden wurde umgehend über den Vorfall informiert. Führende Mitarbeiter des Weissen Hauses stünden in Kontakt mit dem New Yorker Bürgermeister Eric Adams und der Polizeiführung, erklärte Bidens Sprecherin Jen Psaki über Twitter. Die Bundesregierung stehe bereit, den New Yorker Behörden im Bedarfsfall jegliche benötigte Hilfe zukommen zu lassen. Auch Bürgermeister Adams und Gouverneurin Kathy Hochul teilten mit, sie würden laufend über das aktuelle Geschehen informiert.
I'm closely monitoring the situation this morning at the 36th Street station in Sunset Park in our beloved Brooklyn. I'm praying for all the victims, their families, all those impacted. I’m grateful for the quick action of our first responders. To everyone in New York: Stay safe.
— Chuck Schumer (@SenSchumer) April 12, 2022
Chuck Schumer, der Mehrheitsführer der Demokraten im US-Senat, schrieb auf Twitter, er verfolge die Situation «in unserem geliebten Brooklyn» sehr genau. «Ich bete für alle Opfer, deren Familien, alle Betroffenen», schrieb er. Schumer dankte den Hilfskräften für ihren schnellen Einsatz. Der Senator forderte die Bürger auf, gut auf sich aufzupassen. «An alle in New York: Stay safe», schrieb er.
In New York hatten in den vergangenen Monaten zahlreiche Schiessereien und andere Kriminalitätsfälle für Schlagzeilen gesorgt. Bürgermeister Adams, ein früherer Polizist, der erst Anfang des Jahres seinen Job angetreten hatte, hatte versprochen, scharf dagegen vorzugehen. Wegen einer Infektion mit dem Coronavirus musste Adams aus seiner Isolation heraus die Informationen zu dem Vorfall beobachten.
«Normale New Yorker sind heute morgen aufgewacht und haben einen relativ normalen Tag erwartet», sagte Gouverneurin Hochul. Dieses «Gefühl von Ruhe und Normalität» sei dann von einem «kaltherzigen» Menschen brutal zerstört worden. «Heute ist der Tag, an dem wir New Yorker zusammenkommen mit dem gemeinsamen Ziel zu sagen: Es reicht!» (bal/sda/dpa)