Weltweit explodieren die Rüstungsausgaben. Mehr als 2440 Milliarden Dollar sind 2023 für Waffen, Streitkräfte und Militärhilfe ausgegeben worden, wie das Stockholm International Peace Research Institute berechnet hat. Dies entspreche einem Plus von 6,8 Prozent, sagen die schwedischen Friedensforscher - die grösste gemessene Jahr-zu-Jahr-Zunahme in den vergangenen 15 Jahren.
Davon profitieren - logischerweise - auch grosse Rüstungsfirmen. Während die Aktienkurse von Unternehmen wie Aselsan (Türkei), Rheinmetall (Deutschland) oder Hanwha Aerospace (Südkorea) aber in den vergangenen zweieinhalb Jahren stark gestiegen sind, kommen die Börsennotierungen der führenden amerikanischen Waffenhersteller nicht so recht vom Fleck. Der S&P Aerospace & Defense Select Industry Index legte seit Anfang 2022 vergleichsweise geringe 16 Prozent zu.
Das ist umso erstaunlicher, als dass die US-Rüstungsausgaben regelrecht Bocksprünge machen und die Auftragsbücher der Rüstungsunternehmen voll sind. Kein anderes Land gibt auch nur annähernd so viel Geld für das Militär aus wie die grösste Volkswirtschaft der Welt - 916 Milliarden Dollar waren es im vorigen Jahr gemäss den schwedischen Friedensforschern. Zum Vergleich: Das Rüstungsbudget der Schweiz betrug 2023 gegen 6,3 Milliarden Dollar.
Auch deshalb wird in der amerikanischen Hauptstadt immer wieder über die angeblich zentrale Rolle des «militärisch-industriellen Komplexes» in den USA gemunkelt. «Das Geschäftsmodell» von Regierung und Parlament in Washington bestehe aus «Blut, Mord und Krieg im Ausland», wetterte die rechte Abgeordnete Marjorie Taylor Greene kürzlich während der Debatte über ein neues Ukraine-Hilfspaket.
“Revitalize” the Defense Industrial Base aka MIC (built in America) by funding foreign wars.
— Rep. Marjorie Taylor Greene🇺🇸 (@RepMTG) December 4, 2023
The promise of gov contracts to defense companies by getting congress to vote for foreign war.
What a disgusting business model.
Our classified Ukraine briefing on Tuesday is timely. https://t.co/tUTlnGEEUt
Der genauere Blick auf die aktuellen Quartalszahlen von fünf führenden amerikanischen Rüstungsunternehmen zeigt, an welchen Problemen sie kranken. Erstens sind sie häufig Mischkonzerne, gewachsen durch Fusionen und Zukäufe. Bei Boeing zum Beispiel überschatten die Missstände in der Sparte «Kommerzielle Flugzeuge» (Stichwort: Boeing 737 Max) die guten Ergebnisse der anderen Abteilungen des Riesenkonzerns.
Konkret: Als Boeing am Mittwoch die Geschäftszahlen des 1. Quartals vorstellte, da dominierten die Verluste der Flugzeugsparte die Medienberichterstattung. Dabei operiert die Sparte «Defense, Space & Security», die auch Rüstungsgüter wie den Kampfjet F/A-18 herstellt, doch profitabel. Im ersten Quartal wuchs der Umsatz um 6 Prozent auf fast 7 Milliarden Dollar. Unter dem Strich blieb ein Gewinn von 151 Millionen Dollar.
Der zweite Grund, warum die amerikanischen Rüstungskonzerne im Vergleich zur ausländischen Konkurrenz an der Börse weniger gut abschneiden: Sie kämpfen mit den negativen Seiten des aktuellen Auftragsbooms. Eine Industrie, die in der Vergangenheit eher schwerfällig agierte, ist nun plötzlich dazu gezwungen, die Produktion anzukurbeln. Dadurch wachsen die Kosten, auch weil die betroffenen Unternehmen mit Lieferketten-Problemen kämpfen und Schwierigkeiten haben, qualifiziertes Personal anzuheuern.
So ist im Quartalsbericht des Rüstungskonzerns RTX (früher: Raytheon) nachzulesen: Bei der Sparte Pratt & Whitney, die zum Beispiel das Triebwerk des Kampfjets F-35 herstellt, sei das «höhere Militärvolumen» durch die steigenden Entwicklungsausgaben und Verwaltungskosten «mehr als ausgeglichen» worden. Im Klartext: Die Einnahmen halten bei der wichtigen RTX-Sparte nicht Schritt mit den Ausgaben. Die Rendite von Pratt & Whitney sank im 1. Quartal 2024 von bereinigten 8,3 Prozent auf 6,7 Prozent.
Branchenbeobachter gehen davon aus, dass sich die Zahlen der amerikanischen Rüstungskonzerne in den kommenden Jahren verbessern werden. Jim Taiclet, seit vier Jahren Konzernchef von Lockheed Martin, sagte vorige Woche: «Wenn wir über 2025 nachdenken» und dabei die in Washington beschlossenen höheren Rüstungsausgaben berücksichtigen, «stimmt uns das zuversichtlicher». Das Unternehmen werde weiter wachsen. Lockheed Martin stellt nicht nur den Kampfjet F-35 her, sondern produziert auch den Himars-Raketenwerfer, der in der Ukraine eingesetzt wird. (aargauerzeitung.ch)