Im Juli berichtetet diverse Medien – darunter auch watson – über den Facebookpost von Renee Parsons, der weltweit viral gegangen war. Parsons behauptete, dass sie wegen eines Ein-Dollar-Scheins, den sie vom Boden aufgehoben habe, im Spital gelandet sei. Denn am Dollarschein habe sich das Medikament Fentanyl befunden. Bebildert war der Post mit einem Bild von Parsons im Spitalbett.
Dass das so passiert ist, ist äusserst unwahrscheinlich. Hier eine Einordnung:
Die junge Mutter ist mit ihrem Mann Justin und den gemeinsamen Kindern im Auto unterwegs. Irgendwo in Nashville, Tennessee halten sie an, damit Justin in einem McDonald's auf die Toilette gehen kann. Renee vertritt sich mit ihrem 3 Monate alten Baby auf dem Arm etwas die Füsse vor dem Lokal. Dabei sieht sie einen Dollarschein auf dem Boden, den sie aufhebt.
Im Anschluss wäscht Renee sich die Hände. Sie trocknet sie dabei nicht ab und verwendet zusätzlich ein Desinfektionstuch.
Plötzlich beginnt sich ein komisches Gefühl in Renees Körper auszubreiten. Ihr Körper wird völlig taub.
Im Spital kommt Renee wieder zu sich. Der Polizeibeamte, der sich mit ihrem Fall auseinandersetzt, sagt ihr, dass es zwei Möglichkeiten gebe für ihren Zusammenbruch: Entweder wurde der Dollarschein versehentlich fallen gelassen, nachdem er zum Aufbewahren von Fentanyl verwendet worden war, oder er wurde absichtlich mit Drogen darauf liegen gelassen. Renee schreibt auf Facebook:
Tatsächlich ist Fentanyl ein starkes Opioid und die Gefahren einer Fentanyl-Überdosis sind real. Allerdings ist für eine Überdosis relevant, auf welche Art und Weise die Droge eingenommen wird. Dass die Überdosis per Hautkontakt geschieht, ist eher unwahrscheinlich.
Die Story von Parsons lässt sich in eine Reihe von ähnlichen Berichten einordnen. So kursierte zum Beispiel im Jahr 2017 eine Geschichte, in der behauptet wurde, dass die Griffe von Einkaufswagen mit Fentanyl verunreinigt seien, was zu einer tödlichen Überdosis führen könne. Oder im Juni 2022 warnte das Büro des Sheriffs von Perry County in einem Facebook-Post vor gefalteten Dollarnoten, die mit Fentanyl verunreinigt seien. Dieser Warnung schloss sich das Sheriff-Büro in Giles an:
Zurück zu Parsons Facebookpost: Gesichert ist, dass Parsons am besagten Tag in ein Spital eingeliefert wurde. Dies bestätigte das Metropolitan Nashville Police Department gegenüber dem Onlineportal «Snopes». Der Grund ihrer Einlieferung ist Snopes aber nicht bekannt. Der Sprecher des Metropolitan Nashville Police Department, sagte «Snopes» weiter, dass der Geldschein ohne Untersuchung entsorgt worden sei, weil es keine Beweise für ein Verbrechen gegeben habe.
In einem Positionspapier vom American College of Medical Toxicology heisst es: «Es ist unwahrscheinlich, dass eine zufällige dermale Absorption eine Opioidtoxizität verursacht.» Zu Deutsch: Es ist unwahrscheinlich, dass bei einem zufälligen Kontakt mit Fentanyl genügend Wirkstoff über die Haut aufgenommen werden kann, damit es zu einer Überdosis kommt. Begründet wird diese Aussage mit der chemischen Eigenschaften von Fentanyl sowie damit, dass es keine gesicherten Berichte zu der Behauptung gebe.
Im Positionspapier wird auch die Verwendung von Fentanyl-Pflastern besprochen. Dabei werde das Opioid tatsächlich über die Haut aufgenommen, wie die Fachpersonen schreiben. Allerdings liege der Wirkstoff dabei nicht in Pulverform vor und aufgrund der speziell für diesen Zweck entwickelten Pflaster würden erst die Bedingungen geschaffen, dass das Medikament über die Haut aufgenommen werden könne.
Fazit: Die Vorstellung, dass die versehentliche Berührung von Fentanyl in Pulver- oder Tablettenform zu einer lebensbedrohlichen Überdosis führen kann, hat sich zu einer Art Mythos entwickelt, der laut Fachpersonen unbegründet ist.
In den USA sorgt Fentanyl für zehntausende Tote.
Fentanyl ist ein günstiges und hochpotentes Opioid, das in der Medizin als Schmerzmittel, in der Anästhesie sowie zur Therapie akuter und chronischer Schmerzen verabreicht wird. Es kann bei Missbrauch hochgradig abhängig machen.
Seit 2016 hat Fentanyl in Nordamerika mehr Todesfälle als alle anderen illegalen Substanzen gefordert – inklusive Heroin. Alleine 2017 staben 29'000 Menschen in den USA aufgrund von Fentanyl-Missbrauch.
Am Anfang der Fentanylkrise in den USA standen zunehmende Armut und Ärzte, die Opioide exzessiv verschrieben. So gerieten immer mehr Menschen in den Strudel der Abhängigkeit.
Als die Behörden versuchten, gegen die laxe Verschreibungspraxis vorzugehen, wichen die Süchtigen einfach auf Heroin aus – das aber viel schwieriger zu bekommen ist als Fentanyl. Findige Drogenhändler importierten darum Fentanyl einfach aus China. Denn mit Fentanyl lassen sich in den USA viel höhere Profite machen als mit Heroin.
Mittlerweile beherrschen mexikanische Kartelle den Fentanyl-Handel in den USA. Mindestens seit 2006 experimentieren sie nachweislich mit Heroinsubstituten wie Fentanyl und stellen es teilweise auch in eigenen Laboren her.
* In der ersten Version des Texts wurde die Story von Parsons durch watson nicht eingeordnet. Das war nicht korrekt. Wir haben die Einordnung unterdessen ergänzt.
(yam)
perkutan durch eine optisch nicht sichtbare menge eine überdosis?
Ich verwende täglich Fenta in meinem Arbeitsaltag… und es ist hochpotent und auch mit schmaler therapeutischer breit, aber das hört sich für mich doch eher nach verschleierung an…. (einzeldosen zwischen 25-300microgram, je nach einsatz.)
unter fliesend wasser abgewaschen und da soll durch nicht abtrocknen immer noch genug an den händen sein… von der zuvor schon nicht sichtbaren dosis?? hmmm….