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Scholz und der grösste Steuerraub der deutschen Geschichte

30 Milliarden Euro: Scholz und der grösste Steuerraub der deutschen Geschichte

Der Warburg-Banker Christian Olearius sitzt ab Montag auf der Anklagebank wegen Steuerbetrugs. Doch auch für Kanzler Scholz kann der Prozess zum Problem werden. Vielleicht muss er sogar vor Gericht aussagen.
18.09.2023, 11:2618.09.2023, 13:26
Carsten Janz / t-online
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Ein Artikel von
t-online

Es ist der grösste Steuerraub in der Geschichte der Bundesrepublik. Um eine zweistellige Milliardensumme haben Banker und Grossinvestoren mithilfe dubioser Finanztricks den Staat und damit den Steuerzahler betrogen. Einer der kriminellen Trickser soll Christian Olearius sein. Ein Privatbankier aus Hamburg, der Inhaber der Warburg-Bank. Ab diesen Montag steht er deshalb in Bonn vor Gericht. 14 Fälle besonders schwerer Steuerhinterziehung werden ihm vorgeworfen. 28 Verhandlungstage sind bislang angesetzt.

Olaf Scholz SPD, Bundeskanzler, aufgenommen im Rahmen der Generaldebatte zum Bundeshaushalt im Deutschen Bundestag in Berlin, 06.09.2023. Berlin Deutschland *** Olaf Scholz SPD , German Chancellor, ta ...
Scholz sitzt nicht auf der Anklagebank: Dennoch spielt er vor dem Landgericht Bonn eine gewichtige Rolle. (Archivbild)Bild: www.imago-images.de

Schon das allein hätte für Aufsehen gesorgt. Doch brisant ist das Verfahren gegen Christian Olearius vor allem deshalb, weil sein Name in dieser Sache eng verknüpft ist mit dem von Kanzler Olaf Scholz. Denn es gibt den Vorwurf, dass Scholz damals als Erster Bürgermeister Hamburgs in das Steuerverfahren gegen die Warburg-Bank eingegriffen haben soll. Bislang argumentierte Olaf Scholz immer mit Erinnerungslücken.

Doch neue Erkenntnisse lassen immer mehr Zweifel an fehlenden Erinnerungen aufkommen. Es gibt sogar eine neue Strafanzeige gegen ihn. Sollte er als Zeuge vor Gericht geladen werden, könnte es eng werden für den Kanzler.

Unvergleichbarer Vorgang

Bisher hielt sich die Empörung über den Steuerskandal gemessen an der Höhe des Betrugs in Grenzen. Das mag auch daran liegen, dass das dafür verantwortliche Finanzgebaren nicht so einfach zu erklären ist. Cum-Ex ist das Stichwort. Vereinfacht gesagt, liessen sich Banken und Spekulanten über komplexe Verfahren zwischen 2001 und 2016 Steuern zurückerstatten, die sie nie gezahlt hatten. Der Schaden soll mehr als 30 Milliarden Euro betragen.

Im Fall von Christian Olearius geht es um 170 Millionen Euro, um die er den Steuerzahler mit seiner Bank betrogen haben soll. Seine Chancen, ungeschoren davonzukommen, stehen schlecht. Die bislang 12 wegen Cum-Ex-Geschäften Angeklagten wurden laut Managermagazin alle verurteilt.

Treffen mit Olaf Scholz

Unvermeidlich wird in dem Prozess gegen ihn auch der damalige Erste Bürgermeister der Stadt Hamburg eine Rolle spielen: Das war damals Olaf Scholz. Denn als vor mehr als sieben Jahren der Steuerraub in der Hamburger Finanzbehörde aufgefallen war, soll sich Olearius an Scholz gewandt haben. Der in der Hansestadt hoch angesehene Banker Olearius wollte offenbar verhindern, dass die Finanzbehörde die Steuerschulden zurückfordert und soll deshalb seine Kontakte in die Hamburger «High Society» bemüht haben. Zunächst sogar mit Erfolg. Die Finanzbehörde pfiff das Finanzamt zurück.

Dreimal traf sich Olearius mit Scholz und der soll dem Bankier Tipps gegeben haben. Er solle eine Protestnote an den Finanzsenator schicken, habe Scholz ihm geraten, notierte Olearius in sein Tagebuch. Dieses Tagebuch wird im Prozess eine wichtige Rolle spielen, ebenso wie in der Frage, wie sehr Scholz den Steuersünder unterstützte.

Gefahr für «Amnesie-Olaf»

Sollte der Vorsitzende Richter am Landgericht Bonn mehr zu Olearius' Absichten bei diesen Treffen wissen wollen, könnte er den Kanzler als Zeugen vorladen und zu den drei Treffen befragen. Das wäre eine Sensation: Ein amtierender Kanzler, der in einem Strafprozess aussagt.

Für Scholz wäre es zudem das erste Mal, dass er im Cum-Ex-Komplex vor Gericht aussagen müsste. Bislang wurde er in dem Fall zwar vor einem Parlamentarischen Untersuchungsausschuss der Hansestadt Hamburg und im Finanzausschuss des Bundestages befragt. Nach beiden Aussagen gab es erhebliche Zweifel daran, ob Olaf Scholz immer die Wahrheit gesagt hatte. Eine Falschaussage vor Gericht ist zwar ähnlich strafbar wie eine vor einem Parlamentarischen Untersuchungsausschuss. Doch die moralische Hürde wäre noch einmal deutlich höher.

Bei seiner ersten Befragung am 4. März 2020 hatte Scholz im Finanzausschuss gesagt, er könne sich an kein Treffen mit Olearius erinnern. Erst nachdem mehrere Medien Einträge aus Olearius' Tagebuch veröffentlichten, räumte Scholz zunächst ein, später drei Treffen widerwillig ein. Aber an die genauen Inhalte dieser Treffen könnte er sich angeblich nicht mehr erinnern. Das Steuerverfahren habe eine Rolle gespielt, sagte Scholz, er und Olearius hätten aber auch über andere Dinge geredet.

Der renommierte Strafverteidiger Gerhard Strate hat deshalb schon mehrfach Strafanzeige gegen Scholz gestellt, weil er davon überzeugt ist, dass Scholz vor dem Parlamentarischen Untersuchungsausschuss gelogen hat – die Anzeige blieb ohne Erfolg. Die Staatsanwaltschaft Hamburg zeichnet sich laut Strate nicht durch grossen Ermittlungseifer aus und sieht keinen Anfangsverdacht einer Falschaussage.

Neue Enthüllungen

Neueste Enthüllungen legen den Schluss nahe, dass sich Scholz in seiner Darstellung der Ereignisse verzettelt haben könnte. Der ehemalige Bundestagsabgeordnete der Linken, Fabio de Masi, hat deshalb bereits einen neuen Strafantrag gestellt.

Denn Scholz hatte nach langem Zögern durch seinen Sprecher Steffen Hebestreit 2020 verkünden lassen, dass er ein Gespräch mit Olearius im November 2017 bestätigen könne, da dieses «aus dem Kalender des Ersten Bürgermeisters hervorgeht, der der Senatskanzlei» in Hamburg vorliege. Er stützte sich also nicht auf eigene Erinnerungen, sondern auf einen Kalendereintrag.

Doch dieser Kalendereintrag soll nie existiert haben. Zwei Belege scheint es dafür zu geben.

Zwei Belege für mögliche Falschaussage

Der erste Beleg: Der Hamburger Senat hat vor gut einem Monat auf eine Anfrage der Linken eingeräumt, dass er Scholz' Kalender von damals gar nicht mehr einsehen kann. Denn als Scholz im März 2020 als Finanzminister nach Berlin ging, sei ihm sein Kalender als Erster Bürgermeister Hamburgs auf einem Datenträger mitgegeben worden. Ein Back-up innerhalb der Behörde gebe es nicht.

Der zweite Beleg: Das Magazin «Stern» hat vor kurzem E-Mails von Scholz' Büroleitung veröffentlicht, in der sie an den heutigen Kanzleramtsminister Wolfgang Schmidt offenbar wörtlich schreibt: «Ich habe noch nie einen Termin mit Olearius von November 2017 im Kalender gesehen.»

Wie kann sich Scholz also auf einen Kalendereintrag berufen, der gar nicht existiert? Und warum spielte der heutige Regierungssprecher Hebestreit den Ball zurück an den Hamburger Senat, obwohl er wissen musste, dass es keinen Eintrag mehr gibt?

«Scholz ist ein Pinocchio-Kanzler»

Grund genug für Fabio de Masi Scholz wegen einer Falschaussage anzuzeigen. «Scholz ist ein Pinocchio-Kanzler, dessen behauptete Erinnerungslücke logisch widerlegt ist», sagt De Masi t-online. «Er hat im Februar 2020 einen Termin bestätigen lassen, der nicht mehr in seinem Kalender stand und muss sich daher folglich erinnert haben.»

Fabio De Masi, Stellv. Vorsitzender der Fraktion Die Linke und Obmann im Untersuchungsausschuss Wirecard, Deutschland, Berlin, Bundespressekonferenz, Thema: Zwischenbilanz des Untersuchungsausschusses ...
Fabio De Masi, ehemaliger Bundestagsabgeordneter der Linken, mittlerweile aber ausgetreten, macht Olaf Scholz schwere Vorwürfe.Bild: www.imago-images.de

Auf Fragen von t-online antwortet das Bundespresseamt ausweichend. Verweist auf eine Bundespressekonferenz, bei der sich Hebestreit am Mittwoch vergangener Woche zu dem Thema eingelassen habe. Jedoch ohne auf die Fragen der Journalisten zu antworten. «Der Regierungssprecher weigert sich, diese Unwahrheiten aufzuklären, weil er es nicht kann. Denn Scholz und Hebestreit haben die Öffentlichkeit bewusst getäuscht», sagt De Masi.

Hoffnung, dass die Staatsanwaltschaft Hamburg jetzt endlich gegen Scholz ermittelt, hat De Masi nicht. Die Behörde sei «politisch weisungsgebunden», sagt er und habe bei der Cum-Ex und Warburg-Affäre immer auf der Bremse gestanden.

«Märchenstunde»

De Masi hofft daher auf den Prozess gegen Christian Olearius. Denn wenn Scholz als Zeuge geladen würde, sässe ihm dann ein Richter gegenüber. Nicht andere Abgeordnete in Finanzausschüssen oder dem Parlamentarischen Untersuchungsausschuss: «Vor Gericht würden Scholz und Hebestreit mit ihrer Märchenstunde niemals durchkommen», ist De Masi überzeugt.

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71 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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SBRUN
18.09.2023 11:41registriert September 2019
Wegdiskutieren, aussitzen, nicht mehr erinnern, den Vorgängern in die Schuhe schieben, obwohl man schon zu den Vorgängern gehört hat. Heisst das Prinzip Verschleierung, oder ist es einfach nur Ignoranz? Die Scheuklappe auf dem rechten Auge hatte jedenfalls mindestens Symbolcharakter.
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stevemosi
18.09.2023 11:49registriert April 2014
Wer so korrumpiert ist, macht sich schlimmstenfalls Erpressbar, nicht gerade gute Ausgangslage für einen Kanzler. Zumindest aus Sicht der Bürger
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Broccoli Siffredi a.k.a. Björn das Brot
18.09.2023 11:46registriert August 2023
Wenn Scholz mit Augenklappe aussagt, kann ihm nichts passieren.
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