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Ukraine-Oligarchen tauchen an Côte d'Azur auf

«Oligarchen haben nur eine Nation: Geld» – Ukraine-Milliardäre tauchen an Côte d'Azur auf

Mit westlichen Sanktionen belegt, mussten die russischen Oligarchen wie Roman Abramowitsch ihre Prachtvillen an der Côte d’Azur verlassen. An ihre Stelle treten ukrainische Milliardäre, deren politischer Standort nicht immer klar ist. Ausflug in eine Luxuswelt fern des Krieges.
16.10.2022, 13:2416.10.2022, 13:25
Stefan Brändle, Antibes und Cap Ferrat / ch media
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Diskrete Milliardäre: Wem gehört wohl diese Superyacht, die im Hafen von Cap Ferrat in Südfrankreich keinen Platz hat?
Diskrete Milliardäre: Wem gehört wohl diese Superyacht, die im Hafen von Cap Ferrat in Südfrankreich keinen Platz hat?stefan brändle

Arme Milliardäre. Sie sitzen in Dubai oder auf ihrer Yacht fest, nur die Erinnerung bleibt an die schöne Côte d’Azur, wo sie nicht einmal mehr die eigene Villa betreten dürfen. Es waren «les années folles», die verrückten Jahre. Süleyman Kerimow etwa, der russische Senator und Investor, liess an seine Soireen Sängerinnen wie Shakira oder Beyoncé einfliegen. Für Fussballstars wie Samuel Eto’o oder Roberto Carlos veranstaltete er nächtliche Autorennen entlang der Strandpromenade von Nizza.

Die Bugattis stellte er zur Verfügung, «und die Bussen übernehme ich», sagte er. Nur einmal, als er dort selber die Herrschaft über seinen Ferrari verlor, landete Kerimow in der Notfallstation. Dafür liess er zu seiner Hochzeit eine russische Kapelle Stein für Stein demontieren und an der «Côte» wieder aufbauen.

Verräterische Schildkröten

Jetzt ist das Sausen und Brausen vorbei. Kerimow ist wie so viele Branchenkollegen ein Paria, von der EU und den USA mit Sanktionen belegt. Die französische Justiz hat zudem im Sommer ein neues Strafverfahren wegen schwerer Geldwäsche und Steuerflucht unter anderem auch gegen den Putin-Freund eingeleitet.Eine seiner vier Luxusvillen am Cap d’Antibes, Médy Roc, hatte er demnach für 120 Millionen Euro gekauft. Dem Fiskus deklarierte er aber nur gut ein Viertel.

Lokalpolitiker Gérard Piel zeigt, wo die russischen Oligarchen auf der Halbinsel des Cap d'Antibes ihre Villen haben.
Lokalpolitiker Gérard Piel zeigt, wo die russischen Oligarchen auf der Halbinsel des Cap d'Antibes ihre Villen haben.stefan brändle

«Offiziell gehört das Gut nicht ihm, sondern seiner Tochter Gulnara», sagt Lokalpolitiker Gérard Piel vor dem drei Meter hohen Eingangstor zum Villengelände. «Aber sehen Sie hier die gusseisernen Schildkröten auf dem Portal? Das ist Kerimows Lieblingstier.»

Die Wachhunde sind geblieben

Piel hat seinen Wagen bei der Ankunft sofort in Abfahrposition gestellt. «Das letzte Mal habe ich mit den Wachhunden Bekanntschaft geschlossen», erzählt der 73-jährige Linksoppositionelle aus Antibes. In der früheren Wohnstadt Picassos geboren und als Metzger tätig gewesen, ist Piel heute einer von ganz wenigen, die den Oligarchen hier auf die Finger schauen.

«Im Zuge der Sanktionen wurden ihre Villen ‹eingefroren›, aber nicht richtig beschlagnahmt. Das Personal sorgt jedenfalls weiter für den Unterhalt der Anwesen.» Offenbar beobachtet es immer noch die Zufahrt: Über dem Eingangsportal gibt eine Überwachungskamera ein warnendes Beep von sich; dahinter ist nun mehrstimmiges Hundegebell zu hören. Nach Pudeln klingt es nicht.

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Roman AbramowitschBild: keystone

Piel erzählt ungerührt weiter: Kerimows Nachbar, Roman Abramowitsch, ebenfalls Milliardär und früher Besitzer des englischen Fussballclubs Chelsea, beschäftige in seinem Château de la Croë 200 Angestellte. «Einmal begannen sie am öffentlichen Strand unten, Betonquader ins Meer abzulassen, um eine Anlegestelle für seine Megayacht «Eklipse» zu bauen. Die Gemeinde stoppte die Arbeiten gerade noch, um die geschützte Küste um das Cap d’Antibes zu schützen.»

Privatisierte Strasse

Noch mehr ärgert sich Piel, dass die Russen eine Strasse regelrecht «privatisiert» hatten: In den Boden versenkbare Pflöcke erlauben die Zufahrt noch heute nur Anwohnern, die über einen Badge verfügen. Es sind grosso modo deren zwei: Zur Linken der Strasse verbirgt sich Abramowitschs Schloss, das dem Weissen Haus ähnelt, zur Rechten reihen sich die vier Villen Kerimows aneinander.

Die Einfahrt zu Abramowitschs Château de la Croë.
Die Einfahrt zu Abramowitschs Château de la Croë.

Beim Weitergehen hört man hinter den Mauern nur noch das beruhigende Geräusch von Wassersprenklern. Piel erzählt weiter, wie er den Präfekten brieflich gefragt habe, wie es möglich sei, dass in halbwegs beschlagnahmten Gebäuden gearbeitet werde. «Eine Antwort habe ich nicht erhalten.»

Baugesuch der Putzfrau

An der Mauer eines Kerimow-Anwesens hängt die obligatorische Publikation einer Baubewilligung. Sie stammt von Oktober 2021, also noch vor dem Krieg und den Sanktionen. Als Bauherrin ist eine gewisse «Angéline C.» angegeben. «Das wird die Hauswartin sein, oder Kerimows Putzfrau», flachst Piel.

Und warum erstand Kerimow gleich vier Villen in einer Reihe? Auf einer Parzelle dürfe man die bestehende Bausubstanz nach französischem Recht nicht vergrössern, meint der Politrentner. Die Zusammenlegung erlaube dagegen den Bau einer viermal so grossen Megavilla. So geht das hier am malerischen Cap d’Antibes, im Volksmund «Halbinsel der Milliardäre» genannt.

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Süleyman KerimowBild: AP

Aber eben, jetzt sind die Kerimows, Abramowitschs oder Melnitschenkos von der Bildfläche verschwunden. Geblieben sind ihre Gärtner, Klempner, Transporteure – oft Tschetschenen. Piels Tochter, die in Antibes als Lehrerin arbeitet, hat jedenfalls seit Jahren etliche tschetschenischen Schüler. Der russische Supermarkt im nahen Antibes existiert auch noch. «Nur die T-Shirts mit Putins Konterfei hängen nicht mehr draussen», sagt Piel.

Luxus, Ruhe und Wonne

Im Städtchen Antibes, wo die Touristen vom provenzalischen Markt zum Musée Picasso pilgern, sieht man keine Boliden und Bentleys mit russischen Kennzeichen mehr. Dafür kommen schwerreiche Amerikaner und Engländer wieder zahlreicher als in den Covidjahren.

Die blitzenden Boote im Hafen von Antibes werden für 200'000 Euro die Woche vermietet. «Die protzigste kostet für mehr als 500'000 Euro die Woche», weiss Piel, der einmal eine Protestdemo organisiert hat – auch wenn nur 20 Leute kamen. Antibes rollt lieber den Milliardären den Teppich aus. «Schauen Sie», sagt Piel: «Die Läden entlang des Kais sind alle auf das Yacht-Business ausgerichtet.»

Cap Ferrat zwischen Nizza und Monaco, einer der schönsten – und teuersten - Flecken der Côte d'Azur.
Cap Ferrat zwischen Nizza und Monaco, einer der schönsten – und teuersten - Flecken der Côte d'Azur.

Die Russen, so heisst es, versuchen derzeit ihre Luxusvillen an der «Côte» diskret zu verkaufen. Auf die Preise drückt die mitnichten. Zu sehen ist das auf dem «anderen» Milliardärshügel an der französischen Riviera, dem Cap Ferrat zwischen Nizza und Monaco. In diesem vielleicht schönsten Küstenvorsprung der Côte d’Azur herrschen, frei nach dem berühmten Matisse-Gemälde, «Luxus, Ruhe und Wonne».

Beim Spaziergang erhascht man durch die hohen Hecken höchstens den blauen Zipfel eines Swimming Pools oder ein Stück grünen Tennisrasens. Die Villen, zumal die grössten, sind unsichtbar. Ausser im Schaufenster einer Immobilienagentur: Dort werden «Prestigeobjekte» von 5.68 bis 18.9 Millionen Euro angeboten. Der Rubel rollt also auch ohne die Russen.

Die teuerste Villa der Welt

Genauer: Dank den ukrainischen Oligarchen, die am Cap Ferrat in die Lücke springen. Der reichste Ukrainer, Rinat Achmetow, unter anderem Besitzer des zerstörten Asow-Stahlwerkes in Mariupol, erwarb schon 2019 die imposante Villa Les Cèdres. Der Kaufpreis von 200 Millionen Euro sucht weltweit seinesgleichen.

Eingang zur Villa La Mauresque, im Besitz eines ukrainischen Oligarchen.
Eingang zur Villa La Mauresque, im Besitz eines ukrainischen Oligarchen.

Achmetow, nebenbei Besitzer des Fussballvereins Schaktar Donezk – seinem Geburtsort – , galt vor dem Krieg eher als Kreml-Freund. Er soll auch in einen Staatsstreichversuch gegen Präsident Wolodimir Selenski verwickelt gewesen sein – und wurde der Korruption bezichtigt. Heute unterstützt er aber die ukrainische Armee finanziell. Der Kauf des Fussballvereins OGC Nizza blieb ihm allerdings verwehrt.

Hitliste ukrainischer Villen

Der zweitreichste Ukrainer, Viktor Pintschuk, der im Ruf eines sauberen Geschäftsmannes und Politikers steht, hat am Cap Ferrat ebenfalls eine Traumvilla mit Meeranstoss erstanden, Kostenpunkt unbekannt.

Immerhin hat sich Pintschuk als Käufer geoutet. In der Hitliste ukrainischer Besitzungen am Cap Ferrat folgen Oligarchen, die nicht als Eigentümer in Erscheinung treten. Der pro-russische Abgeordnete Serguei Lyovochkin und seine Schwester Yulia – sie ebenfalls Abgeordnete in Kiew – haben auf der Westseite des Kaps eine Luxusbleibe gekauft, deren Preis auf 35 Millionen Euro geschätzt wird. Abgewickelt wurde das Geschäft über eine Gesellschaft in Dänemark, die einer Firma in Luxemburg gehört, welche wiederum von zwei Zyprioten geführt wird.

World's bigger yacht, "Eclipse" owned by Russian businessman Roman Abramovitch lies at anchor on August 22, 2011 in Antibes' bay, southeastern France. AFP PHOTO SEBASTIEN NOGIER (P ...
Keine Anlegestelle vor der Villa: Roman Abramowitschs «Eklipse» ist zu gross.Bild: AFP

Nur zwei Adressen weiter wohnt der Geschäftsmann Dmitri Firtasch, ein Ukrainer mit direktem Kontakt in den Kreml, glücklicher Besitzer der berühmten Cap-Ferrat-Villa La Mauresque. Sie gehörte einst dem englischen Schriftsteller Somerset Maugham und erhielt auch Besuch von Winston Churchill. Der Kaufdeal in der Höhe von 50 Millionen Euro lief über eine Holding in Nizza und eine irische Firma.

Dynamit in der Villa

«Das Cap Ferrat scheint zum goldenen Exil reicher Ukrainer auf der Flucht vor dem Krieg geworden zu sein», kommentiert der Reporter des Lokalblattes Nice-Matin, Eric Galliano. Noch etwas ist ihm aufgefallen: «Viele ukrainische Milliardäre wie die Lyovochkins haben ihr Land im Januar, also kurz vor Kriegsbeginn verlassen.» Hatten sie einen Tipp aus Moskau erhalten?

Auf jeden Fall müssen sie keine Sanktionen wie die russischen Oligarchen befürchten. Ihre geschäftlichen und politischen Fäden ziehen sie nun aus Saint-Jean-Cap-Ferrat. Gegen Julia Lyovochkin ist zwar, wie Galliano erzählt, einzig ein kommunales Verfahren hängig, weil sie den Untergrund ihrer Villa mit Dynamit wegsprengte, um einen Indoor-Pool zu bauen. Ein ukrainischer Arbeiter wurde verletzt. Das Verfahren scheint aber zu versanden.

Der ukrainische Geheimdienst SBU hat vor einigen Wochen eine Untersuchung von 84 ukrainischen Oligarchen an der Côte d’Azur gestartet. Sie wohnen nicht nur am Cap Ferrat, sondern auch in Saint-Tropez, Cannes, Nizza oder Monaco. In Kiew nennt man sie mit viel Ironie das «Monaco-Bataillon».

Für Selenski oder Putin?

Selenski warf ihnen zuerst pauschal vor, sie entzögen sich der Wehrpflicht – oder sie stünden auf der Seite Putins. Alles Landesverräter? Mittlerweile äussert sich der Präsident vorsichtiger: «Einige hatten das Recht zu gehen, vielleicht hatten sie Angst oder wollten ihre Kinder evakuieren. Einzelne hatten aber sicher andere Gründe.»

Fast scheint es, als verschone Selenski bewusst einen Teil dieser Mächtigen, die zwischen den Fronten und Identitäten lavieren. Zurückgeholt hat er aber bisher keinen Oligarchen. Unbestreitbar lebt es sich an der Côte d’Azur momentan etwas angenehmer als in Kiew. In Antibes sagt Gérard Piel letztlich dasselbe, wobei er sich weniger diplomatisch ausdrückt: «Oligarchen haben nur eine Nation – das Geld.»

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105 Kommentare
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1779prost
16.10.2022 15:25registriert Januar 2017
Der ukrainische Oligarch sei ein „sauberer“ Geschäftsmann. Ein Milliardär aus einem korrupten Land ist sauber. Und der Storch bringt die Babys.
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ChriLu14
16.10.2022 14:11registriert Mai 2022
Ja -es stimmt, Oligarchen sind manchmal egoistisch. Vermutlich die Grundlage Ihres Reichtums.
Aber was unterscheidet eigentlich "die da Oben" von uns Normalsterblichen?
Wenn ich mir die desinteressierten, selbstbezogenen, unempathiscgen und oft rücksichtlosen Meinungen meiner Mitbürger so (in vielen Bereichen) anhöre, dann komme ich zu dem Schluss:
Der Unterschied liegt nur in den (finanziellen) Möglichkeiten!
Oder hat der Urs auf seinem WE-Sauftrip auf Malle auch nur einmal daran gedacht, wie es einer Alleinerziehenden in seiner Heimat geht oder dass sein Flug Co2 emmitiert ?
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Stadt Luzerner
16.10.2022 14:51registriert Oktober 2021
Oligarchen sind Oligarchen. Auch die ukrainischen sind keinen deut besser. Auch deren Gelder einkassieren und damit die Ukraine unterstützen.
Mich nimmt mal Wunder, um wieviel das Vermögen von selenski gestiegen ist, seit er Präsident ist. Nach dem Krieg gerne mal genauer durchleuchten…
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