Ihre Festnahme im Berlin Bezirk Kreuzberg nach Jahrzehnten im Untergrund sorgte 2024 für grosses Aufsehen. Nun steht die frühere RAF-Terroristin Daniela Klette erstmals vor Gericht. Was wird in dem Prozess verhandelt? Wo und wann findet der Prozess statt? Ein Überblick
Nach jahrelanger Fahndung wurde das ehemalige Mitglied der dritten Generation der linksterroristischen RAF, Daniela Klette, im Februar 2024 in Berlin festgenommen. Dort lebte sie jahrelang unbemerkt: Sie lebte in einer Zweizimmerwohnung in Kreuzberg und nannte sich Claudia Schmidt oder Claudia Ivone. Sie besuchte Tanzkurse, machte Pilates und ging zu Lesungen in einem Buchladen. Gleichzeitig hielt sie in ihrer Wohnung zahlreiche Waffen versteckt: Nach ihrer Festnahme fanden die Ermittler eine tschechische Maschinenpistole mit zwei Magazinen, eine Kalaschnikow und drei Pistolen.
Das lässt auf die Vergangenheit Klettes als untergetauchtes ehemaliges Mitglied der Terrororganisation schliessen. Gemeinsam mit den beiden ebenfalls untergetauchten früheren RAF-Terroristen Burkhard Garweg und Ernst-Volker Staub soll sie ab 1999 bis 2016 mehrere Raubüberfälle begangen haben – mutmasslich, um sich das Leben im Untergrund zu finanzieren.
Die linksterroristische Rote Armee Fraktion (RAF) gründete sich bereits Anfang der 1970er-Jahre. Als linksextremistische Gruppe kämpfte sie nach eigener Aussage mit terroristischen Mitteln gegen die kapitalistische Gesellschaftsordnung.
Insgesamt soll die RAF mehr als 30 Morde begangen haben. Zu den bekanntesten Opfern zählten der damalige Arbeitgeberpräsident Hanns Martin Schleyer, der Generalbundesanwalt Siegfried Buback und der Vorstandssprecher der Deutschen Bank, Alfred Herrhausen.
Klette soll genauso wie Staub und Garweg jedoch der Kommandoebene der dritten Generation angehört haben, die deutlich weniger brutal vorging. Klette soll sich an einem gescheiterten Anschlag auf die Deutsche Bank im hessischen Eschborn im Jahr 1990, einem Schusswaffenanschlag auf die US-Botschaft in Bonn 1991 und einem Sprengstoffanschlag auf einen Gefängnisneubau im hessischen Weiterstadt 1993 beteiligt haben.
1998 erklärte die Gruppe schliesslich ihre Auflösung. Danach gingen die drei in den Untergrund. Sie versorgten sich mit Bargeld, indem sie Überfälle begingen.
Lange wurde nach den drei Ex-Terroristen öffentlich gefahndet. Es wurde sogar eine Belohnung von bis zu 150'000 Euro ausgeschrieben. Zudem veröffentlichte die Staatsanwaltschaft kurz vor Klettes Festnahme einen öffentlichen Aufruf in der ZDF-Sendung Aktenzeichen XY. Bereits im November 2023 sollen sie jedoch schon einen entscheidenden, nicht näher benannten Hinweis erhalten haben.
Klette war es offenbar während ihrer Festnahme noch gelungen, Garweg zu warnen. Polizisten hatten demnach Klette erlaubt, in ihrer Wohnung noch einmal die Toilette zu benutzen, sodass sie Garweg eine Nachricht schreiben konnte.
Während Klette nach ihrer Festnahme erstmals vor Gericht steht, sind Garweg und Staub weiterhin flüchtig. Ermittler fanden Spuren von Garweg in einer linksalternativen Bauwagensiedlung in Berlin-Friedrichshain. Dort soll er jahrelang unter dem Namen Martin Bäcker gewohnt und eine Fälscherwerkstatt betrieben haben. Über Staub ist weniger bekannt, auch nach Klettes Festnahme gab es keine neuen Informationen.
In dem nun startenden Prozess gegen Klette geht es um die 13 Raubüberfälle, die sie gemeinsam mit Garweg und Staub in den Jahren 1999 bis 2016 begangen haben soll. Um den Vorwurf der Beteiligung an Terroranschlägen aus ihrer aktiven RAF-Zeit wird es in diesem Prozess nicht gehen.
Die Staatsanwaltschaft wirft Klette versuchten Mord, unerlaubten Waffenbesitz sowie versuchten und vollendeten schweren Raub vor. Insgesamt ist Klette nach Angaben des Landgerichts Verden für 14 Straftaten angeklagt. Klette, Staub und Garweg sollen in Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein Geldtransporter und Supermärkte überfallen und 2,7 Millionen Euro erbeutet haben. Laut Anklage bedrohten sie die Menschen dabei mit Schusswaffen oder Elektroschockern. Klette war demnach zumeist die Fahrerin des Fluchtautos. Bislang ist unklar, wo der Grossteil des erbeuteten Geldes geblieben ist.
Ein Überfall im Juni 2015 in Stuhr südlich von Bremen dürfte besondere Beachtung in dem Prozess finden: Garweg soll dabei mehrfach auf einen Geldtransporter geschossen haben, nachdem sich die Türen automatisch verriegelt hatten – auch in die Beifahrertür. Dabei sollen die Kugeln den Fahrer nur knapp verfehlt haben. Das Trio flüchtete daraufhin.
Auch wenn Klette nicht selbst geschossen habe, soll sie die Schüsse in Kauf genommen haben – auch, wenn diese tödlich gewesen wären. Da die Gruppe aus Sicht der Staatsanwaltschaft als Kollektiv handelte, rechnet sie Klette die Schüsse mit zu.
Der Prozess gegen Klette wird am Dienstag am Landgericht Verden eröffnet. Da die meisten Überfälle in Niedersachsen begangen wurden, findet hier auch der Prozess statt.
Wie lange der Prozess gegen Klette dauern wird, lässt sich schwer abschätzen. Zu Prozessbeginn wird die angeklagte 66-Jährige nach Angaben des Gerichts die Möglichkeit haben, sich zu äussern. Klettes Verteidiger Lukas Theune kündigte der Nachrichtenagentur dpa bereits an, seine Mandantin wolle «direkt am ersten Verhandlungstag eine kurze Erklärung abgeben». Sie blicke «kämpferisch» auf das Verfahren.
Gegen Klette liegt ein weiterer schwerwiegender Haftbefehl wegen mutmasslicher terroristischer Straftaten vor. Ein sogenannter Überhaftbefehl. Überhaft bedeutet, dass über den aktuellen Haftbefehl hinaus ein weiterer besteht. Sollte Klette also theoretisch im aktuellen Verfahren aus der Haft entlassen werden, müsste sie wegen des weiteren Haftbefehls dennoch im Gefängnis bleiben.
Neben dem heute startenden Verfahren wird eine weitere Anklage gegen Klette wegen mehrerer Terroranschläge erwartet. Diese müssten dann unabhängig von den nun verhandelten Raubüberfällen verhandelt werden. Gegen Klette, Staub und Garweg liegen deshalb bereits Haftbefehle vor. Die Bundesanwaltschaft wirft Klette darin zweifach versuchten Mord sowie Mittäterschaft bei mehreren Sprengstoffexplosionen vor.
So soll Klette unter anderem an Anschlägen auf einen Gefängnisneubau im hessischen Weiterstadt 1993 sowie auf die US-Botschaft in Bonn 1991 beteiligt gewesen sein. Menschen wurden dabei nicht getötet. Das Verfahren wird von der Bundesanwaltschaft in Karlsruhe geführt. Die Mitgliedschaft in der terroristischen Vereinigung RAF selbst, theoretisch ein eigener Straftatbestand, ist inzwischen verjährt. (nib)