Am Ende war es sein Bierglas, das er ohne Untersetzer auf meinen frisch geputzten Salontisch, der aus Glas ist, stellte. Da war dieses nasse Rändchen, das mich zur Weissglut trieb.
Zu meiner Verteidigung: Unter normalen Umständen bin ich easy mit einem Bierglas ohne Untersetzer. (Yo, Ex-Freunde, hört auf so hohl zu grinsen.)
Normal ist zurzeit aber gar nichts hier. Die Corona-Isolation hat uns nicht nur alle im Griff, nein, sie schlägt auch aufs Gemüt. Also auf meins. Und auf das des Zyklopen. Statt gemeinsam in aller Freiheit die Welt zu erobern, sitzen wir rum.
Abend für Abend. Ganze Wochenenden lang. Sofa. Bett. Küche. Bad. Sofa. Bett. Küche. Evtl. noch einmal husch Bett. Sex. Bad. Bett. Sofa. Sex.
Ein Traumleben, hätte ich vor ein paar Wochen noch gesagt. Fühlt sich aber nicht so an.
Will raus.
Will Frühling riechen.
Will an der Sonne Kaffee trinken.
Will tanzen.
Will shoppen.
Will Menschen beobachten.
Will unter freiem Himmel knutschen.
Stattdessen habe ich den Lagerkoller. Finde es langweilig allein daheim. Wünsche mir dennoch Me-Time. Vermisse den Zyklopen aber, kaum hat er die Haustüre hinter sich geschlossen.
Lange Rede, kurzer Sinn: Ich habe eine Scheisslaune. Und auch der Zyklop ist zunehmend gereizt. Wo wir uns bis kürzlich nur liebestrunken bedingungslos angehimmelt haben, gehen wir uns jetzt auf den Sack.
(Salü, Beziehungsalltag. Von mir aus hättest du gerne noch ein bisschen zuwarten können.)
Zurück zum Bierglas ohne Untersetzer auf dem Glastisch. Es brach aus mir raus. Ich wurde passiv-aggressiv. Er so: «Was’n los?» Ich: «Ein Untersetzer kann nicht zu viel verlangt sein. Hab gestern geputzt!» Er: «Ernsthaft?» Ich: «Stellst du mich grad als Oberzicke hin?»
Schweigen.
Noch ein bisschen mehr schweigen.
«Sorry», sag ich. «Easy», sagt er. Wir sind aber alles andere als easy. Wir sind viel mehr zum ersten Mal nicht ganz so hormon-gedoped. Er putzt den Salontisch und holt einen Untersetzer. Ich stehe daneben, schaue ihm zu. Die Haare hat er schon länger nicht gewaschen. Die Jogginhose auch nicht. Und auch sein Hoodie könnte evtl. etwas müffeln.
Das könnte ich jetzt alles etwas grüselig finden. Tu ich aber nicht. Ich fühle Vertrautheit. Und Nähe. Ich umarme den Zyklopen von hinten, drücke ihm einen ungeschminkten Kuss auf den Hals, während auch mein ungewaschenes Haar in mein Gesicht hängt.
Er wischt mir die Strähne aus dem Gesicht. Dann schaut er mich lange an… zögert … schaut weg, schaut hin…. und sagt: «Ich liebe dich. Ich liebe all deine Ichs. Auch das bünzlige, das Untersetzer besitzt.»
Ich sollte «Ich dich auch» sagen. Es kommt mir aber nicht über die Lippen. Nicht, weil ich es nicht fühle. Das tue ich. Ich wills einfach auch mal ganz aussprechen. Und nicht «nur» erwidern.
Ausserdem bin ich ein bisschen überfordert. Die magischen drei Worte. Ich habe sie schon lange nicht mehr gehört. Oder gesagt. Ausser Cleo, Sophie, einigen Familienmitgliedern und ein paar Kartoffeln in meinem Umfeld. Das sind aber andere «Ich liebe dichs».
Der Zyklop drückt mir einen Kuss auf den Kopf. «Es ist sehr okay, nichts zu sagen. Du brauchst nicht nervös werden. Alles gut. Du kannst es in fünf Minuten sagen. Oder in fünf Tagen, Monaten. Oder nie. Alles sehr in Ordnung.»
Genau so stelle ich mir einen gechillt-coolen und selbstbewussten Boyfriend vor.
Und das, lieber Zyklop, das ist mein erstes «Ich liebe dich» für dich.
Adieu,
*räusper*
....
Kitsch! BÄH!