Dass mich hie und da (Haha!) diffuse Ängste plagen, ist weiss Gott keine breaking News. Eine dieser Ängste ist die vor Pärli-Sport. Ich habe nie verstanden, was dieser Hype soll. Mit dem Schatz ins Gym. Mit dem Schatz ins Pilates. Mit dem Schatz joggen gehen.
Im schlimmsten Fall dann noch gemeinsam auf Instagram in den Stories Gewichte stemmen, um die Wette rennen oder weiss dä Gugger was.
Ich wollte nie ein Pärli sein, das zusammen Sport macht. Unter anderem auch, weil ich nicht gerne Sport mach. Ich praktiziere zwar regelmässig Yoga. Der Grund ist reine Vernunft. Ich würde in der Zeit, in der ich Yoga mache, sehr viel lieber Toblerone-Mousse essen und Netflix schauen.
Ausdauersport mache ich nicht. Also offiziell nicht. Ich bin zu 90 Prozent mit dem Velo unterwegs. Kein E-Bike. Kommt einem Gym-Abo gleich, wenn man mich fragt.
Sandro ist auch passionierter Velofahrer. Und Jogger. Der seckled jeden Tag. Das erklärt auch seinen wirklich enorm guten Body. Und seine Fitness trotz Kettenrauchen und kiffen. Und doch gerne etwas über den Durst trinken.
Wenn Sandro vom Joggen nach Hause kommt, ist er happy, ausgeglichen und oft ziemlich scharf auf harten Sex. Ein guter Zustand, der auch mir guttäte, findet er. Ich solle mal mitkommen. Alles locker. Easy langsam rennen. Keine Outdoorkleidung, alles gechillt, kein Instagram. Einfach Natur, er und ich. Frische Luft, Bewegung. Blabla.
Ich habe einen sehr schwachen Moment und lasse mich darauf ein. Wer nichts wagt und so. Yolo und so. Vielleicht ist's ja voll toll und so. Vielleicht sind Sandro und ich die grosse Sport-Pärli-Ausnahme.
Sind wird nicht. Mehr noch: Wir sind komplett sport-inkompatibel.
Vielleicht sogar noch mehr: Noch ein, zwei Mal zusammen joggen und unsere Beziehung ist ein Scherbenhaufen. Nie, aber auch wirklich nie, hat mich der Kerl so hässig gemacht wie beim Joggen an der Limmat vergangenen Sonntagnachmittag.
Es fing damit an, dass er mir von Anfang an davongespurtet ist. Das hätte ich noch easy genommen, hatte Kopfhörer und Sound dabei. Sandro rannte aber immer wie Sau, um dann irgendwo stehenzubleiben und mich «anzuspornen».
Parolen wie «Komm, da geht mehr» und «Hopp, du bist doch noch nicht eins vor Rollator» oder «Da ist ja mein Onkel Fredi noch schneller» haben nicht nur nicht geholfen, sie haben mich sehr hässig gemacht.
Was ich auch sage. Was Sandro nicht ganz ernst nimmt. Und ein, zwei Sprüche darüber macht, wie sehr ich aus der Puste bin.
Arschloch.
Ich setze mich auf eine Bank und sag ihm, er soll gehen. Tut er natürlich nicht. Stattdessen setzt er sich zu mir und will mich umarmen. Ich solle nicht so empfindlich sein. Er wolle mich nur motivieren. Aller Anfang ist schwer. Blabla. Es geht verdammt schnell, bis man schneller und besser wird, und dann macht's voll Spass Blabla.
Es joggen viele andere Paare an uns vorbei. Sonntag an der Limmat hat also Sport-Pärli-Hochkonjunktur.
Ich hasse alle und alles. Vor allem alle diese Trullas, die ihre kleinen perfekten Pos hier in einer Leichtigkeit rennend präsentieren, während sie komplett null ausser Atem mit ihren Kerlen plaudern. Und lachen. Und Spass haben. Und dabei total gesund und cool sind.
Wahrscheinlich gibt's später zum Brunch je eine Acai-Bowle und Cappuccinos mit Hafermilch.
Ätzend.
Ich will aufgeben, Schluss machen, Toblerone-Mousse essen, den Rest aller Sonntage alleine in meinem Bett verbringen.
Jetzt ist Sandro genervt. Und wenn Sandro genervt ist, dann stichelt er. Und viel schlimmer: Er imitiert mich. Ich jucke auf, zeige ihm den Mittelfinger, werde tendenziell lauter, ziehe Blicke auf uns und steigere mich so lange rein, bis ich in Tränen ausbreche.
Sandro findet mich sehr dramatisch. Was ich tatsächlich bin. Aber gell, go with the flow, wenn die Gefühle in Wellen kommen, sagte meine Therapeutinnen-Freundin einst.
Also bin ich going with the flow und der flow ist gerade ein wild thing!
Die Story endet damit, dass Sandro in die eine Richtung rennt, ich in die andere.
In meinem Elend höre ich sehr triste Musik. Bin ja eins vor Beziehungsaus.
Ich renne zu mir, steige in die Badewanne. Bin hässig, bin wütend, bin deprimiert, genervt, alles.
Dann sind meine Beine rasiert, meine Seele vom wohlig warmen Badewasser gestreichelt, mein Haar riecht nach meiner Lieblingshaarmaske und die Shuffle-Funktion spielt mein Lieblingslied.
Ich bin wieder zen.
Ich will Sandro grad schreiben, dass wir unsere Beziehung nun wieder weiterleben und zelebrieren können. Da blinkt mein Handy auf. Sandro schickt mir ein Bild seiner kochenden Bolo.
Dazu schreibt er: «Ist deine Wut gegessen? Falls ja, will die Bolo als nächstes gegessen werden. Kommst rüber, Herzblatt?»
Ich antworte mit «Ja». Und schicke ein PS nach: «Du nervst.»
In der gleichen Nacht beschliessen wir, dass wir den gemeinsamen Sport auf vögeln beschränken. Diesen dafür für immer und ewig sehr regelmässig zelebrieren werden.
Ihr könnt euch jetzt also wieder entspannen, liebe Influencer-Sport-und-Fitness-Paare. Wir stehlen euch gerade noch knapp nicht die Show.