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Survival-Experte zum richtigen Verhalten bei einem Blackout

Survival-Training im Schwarzwald.
Survival-Training im Schwarzwald. Bild: SurviCamp / Facebook
Interview

Frage an den Survival-Experten: Was tun, wenn geplündert wird während des Blackouts?

Ein länger andauernder flächendeckender Stromausfall kann geltende Regeln ausser Kraft setzen, so eine öfter geäusserte Befürchtung. Ein Survival-Experte nimmt zu drängenden Fragen Stellung.
23.10.2022, 19:3924.10.2022, 07:54
Antje Hildebrandt / t-online
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Ein Artikel von
t-online

Der deutsche Städte- und Gemeindebund warnt davor, dass das Gas im Winter knapp werden und das Netz kollabieren könnte, wenn die Menschen alle gleichzeitig auf Heizlüfter umsteigen. Der Verfassungsschutz rechnet mit russischen Hackerangriffen auf die kritische Infrastruktur.

Benjamin Arlet hat ein Überlebenshandbuch geschrieben. Er ist ausgebildeter Wildnis-Pädagoge, Rettungsschwimmer und Industriekletterer – und einer der Ersten, die sich in Berlin als Survival-Trainer selbstständig gemacht haben. Seine Firma SurviCamp bereitet Kundinnen und Kunden in eintägigen Kursen auf einen Blackout vor.

Im Interview mit T-Online sagt er, wie er die Teilnehmenden krisenfit macht, wo die Vorsorge aufhört und das Geschäft mit der Angst anfängt und warum eine Gruppe die beste Lebensversicherung für eine Krise ist.

Das Interview

Herr Arlet, stellen wir uns vor, der Ernstfall tritt ein und in Europa fällt wochenlang der Strom aus. Vor der Tür stehen Plünderer, die es auf Lebensmittel und Notstromaggregate abgesehen haben. Was raten Sie den Teilnehmern Ihrer Survival-Kurse, wie sollen die sich verhalten?
Benjamin Arlet:
Wenn es so weit kommt, ist schon ein bisschen was schiefgelaufen. Der Betroffene hat es versäumt, sich mit anderen Personen zusammenzuschliessen. Wenn man in so einer Situation allein zu Hause hockt und da kommt eine Gruppe Plünderer, hat man keine Chance. Alles, was man dann noch machen kann, ist wegzurennen und zu hoffen, dass die einen nicht erwischen. Man wird ein weniger attraktives Ziel für Plünderer, weil man gut aufgestellt ist.

Benjamin Arlet.
Benjamin Arlet.bild: pd

In Ihrem Buch schreiben Sie: «Die beste Lebensversicherung ist ein funktionierendes Team.» Woher kriegt man das?
Mit Gruppe meine ich in erster Linie die Familie und den Freundeskreis. Man muss auch vorher schon schauen: Wen habe ich in der Nachbarschaft? Wer hat selber einen Vorrat zu Hause oder hat bestimmte Fähigkeiten? Wer niemanden in der unmittelbaren Nähe hat, sollte auf Social Media Gruppen suchen, denen er sich anschliessen kann. Man wird dann gar nicht erst zum Ziel für Plünderer, weil man gut aufgestellt ist.

In dem Buch heisst es auch: «In der Fundamentalkrise kann es passieren, dass der Regelbrecher denjenigen überlegen ist, die sich an die Regeln halten.» Wer will, könnte das als Anleitung verstehen, sich Waffen zu besorgen. Haben Sie keine Angst, dass ihr Kurs Extremisten anlockt?
Menschen, die sich auf gewaltsame Umbrüche vorbereiten, besuchen unsere Kurse nicht. Solche Leute wissen sowieso schon alles besser, und was mich anbelangt, können die auch gerne zu Hause bleiben. SurviCamp ist seit jeher unpolitisch, das spiegelt sich in unseren Kursinhalten wider.

Aber von welchen Regeln sprechen Sie?
Ganz allgemein: Regel gelten natürlich auch im Fall eines Notstands. Regelbrüche werden normalerweise von der Polizei geahndet. Aber bei einem Notstand hat die Polizei vielleicht Besseres zu tun.

Unter den Extremisten gibt es ja einige, die sich den Zusammenbruch der staatlichen Ordnung geradezu wünschen. Wie grenzen Sie sich von dieser Klientel ab?
Leute, die sich auf Katastrophen oder den Zusammenbruch der staatlichen Ordnung freuen, nennen wir Doomer. Die wollen, dass alles im Chaos versinkt – unter anderem deshalb, weil sie im Alltag keine grossen Räder drehen und den dringenden Wunsch haben, mal «das Sagen zu haben». Die überwältigende Mehrheit der Leute, die sich auf Krisenlagen vorbereiten, ist aber nicht extrem. Die wollen einfach nur für Stromausfälle und andere Versorgungsengpässe vorsorgen. Und das ist unsere Zielgruppe. Das ist ein Querschnitt durch die Gesellschaft, ein bisschen mehr Männer als Frauen. Alter: von 16 bis 60.

Haben Sie die Szene der Prepper trotzdem im Blick?
Nicht wirklich. Ich habe mich am Anfang aus beruflichem Interesse in einigen Facebookgruppen bewegt, die sich mit normalem Prepping beschäftigen. Das mache ich inzwischen nicht mehr. Da sind viele Leute, denen es einfach nur um Aufmerksamkeit geht, nicht um die Sache als solche.

Hardcore-Prepper werben für Taser und andere Waffen. Was ist das Extremste, das Ihnen aufgefallen ist?
Ich masse mir nicht an zu bewerten, was vernünftige und was unvernünftige Krisenvorsorge ist. Das ist das Schwarzer-Schwan-Prinzip: Ich denke mir, das und das könnte passieren. Und dann kommt es am Ende ganz anders. Und die, über die ich mich lustig gemacht habe, sind die Schlauen gewesen.

Es gibt den Food-Ausrüster «SicherSatt», der die Kiste mit Notvorräten für einen Monat für 300 Euro verkauft. Wenn man sich die Sachen im Supermarkt selbst kauft, kostet es nur 71.75 Euro. Wo hört die Vorsorge auf, wo fängt das Geschäft mit der Angst an?
Wie bei fast allen Dingen gibt es Budget, Mittelklasse und Oberklasse auch in der Krisenvorsorge. Wer alles fertig im Paket kauft, zahlt etwas mehr, spart sich aber auch das Zusammensuchen im Supermarkt. Wo die Grenze ist, entscheidet das eigene Budget.

Wie hoch schätzen Sie denn die Gefahr eines Blackouts überhaupt ein?
Wahrscheinlich ist die Angst berechtigt, aber man muss sich die Frage stellen: Welchen Einfluss soll die Gefahr auf mein Leben haben? Dazu fällt mir das Beispiel des Piloten ein, der mit dem Fallschirm ins Flugzeug steigt, aber wenn er das Flugzeug verlässt, lässt er den Fallschirm da und nimmt ihn nicht mit ins Bett. Man sollte diese Krisenvorsorge wie eine Unfallversicherung betrachten.

Welches Wissen vermitteln Ihre Kurse, das nicht schon die Checkliste des Bundesamtes für Katastrophenschutz vermittelt?
Man hat die Möglichkeit, die vielen Sachen auszuprobieren, die nach der Checkliste empfohlen werden. Soll ich mir lieber einen Gaskocher oder einen Spiritusbrenner anschaffen? Solche Fragen können die Teilnehmer auch dem Trainer stellen. Die Checkliste bezieht sich aber nur auf die Vorräte und die Ausrüstung. Viel wichtiger ist meiner Meinung nach etwas anderes: Wie ist meine geistige und körperliche Verfassung? Habe ich ein soziales Netzwerk? Und habe ich bestimmte Fähigkeiten, die man in so einer Krise braucht? Kann ich Erste Hilfe? Kann ich die Führung in einer Gruppe übernehmen?

Feuer machen, sich ein Notquartier bauen, sich ohne Handy oder GPS orientieren, womit tun sich die Teilnehmer am schwersten?
Das Handwerkliche ist gar nicht das Problem. Es geht darum, die Grundbedürfnisse zu priorisieren. Wenn ich die Teilnehmer frage, was ihre wichtigsten Bedürfnisse sind, lautet die Antwortet meistens: «Essen und Trinken.» Klingt erst mal einleuchtend, aber viel wichtiger ist der Wärmeerhalt, weil man eher erfriert als verhungert. Als Nächstes kommen die Themen Feuer und Wasser. Essen kommt ganz als Letztes. In einer kurzfristigen Krise ist das gar nicht wichtig.

Kann die Vorbereitung auf einen Ernstfall den Teilnehmern die Angst nehmen?
Auf jeden Fall. Aus der Hirnforschung weiss man, dass das Hirn im Krisenfall auf eine Referenzerfahrung zurückgreifen kann, wenn man ein fiktives Szenario vorher schon mal durchgespielt hat, Es ist also hilfreich, im Fall eines Stromausfalls zu wissen, wie man sich etwas zu essen machen kann oder wo das nächste Krankenhaus ist auf der Karte.

Survival-Training im Schwarzwald – ein Erlebnisbericht (bei YouTube):

Quellen

  • Interview mit Benjamin Arlet
  • Bundesamt für Katastrophenschutz: Checkliste
  • Benjamin Arlet: Das Überlebens-Handbuch – Warum Sie sich auf Krisen und Katastrophen vorbereiten sollten und wie Sie das anstellen, ohne Ihr ganzes Leben umzukrempeln.
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108 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Typu
23.10.2022 21:31registriert Oktober 2015
Bitte vorsicht. Es gibt einige Menschen die sehr rasch Angst bekommen. War schon in der Corona Zeit so. Von daher seid bitte zurückhaltend mit solchen Artikeln, auch wenn sie viele Clicks generiere.
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Opossum2
23.10.2022 22:00registriert Januar 2022
Wieso sollte wochenlang der Strom ausfallen? Nach allem, was man jetzt weiss, fehlen im schlimmsten Szenario einige Prozent. Selbst in einem schlimmen Szenario, wo acht Stunden pro Tag der Strom ausfällt, sind wir nicht in der Steinzeit, weil sechzehn Stunden pro Tag der Strom da ist. Und irgendwann wird in diesem Katastrophenszenario selbst unser Bundesrat aufwachen und Prioritäten setzen, so dass weniger wichtige Dinge abgestellt werden, damit die Lebensmittelversorgung und Dienste wie Krankenhäuser, Polizei, Feuerwehr gewährleistet sind.
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Madison Pierce
23.10.2022 20:20registriert September 2015
Ziel von Plünderungen werden eher Geschäfte oder Bauernhöfe sein und nicht Privathaushalte.

Falls es so weit kommen sollte, hilft wohl nur noch Feuerkraft. Rechne aber nicht damit, auch bei längeren Stromausfällen nicht. Also zuerst Notvorräte einkaufen, Generator bereitstellen und nur wenn dann nach Zeit übrig ist ins Schiesstraining.😀
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