Nach über tausend Seiten endet die Mär des bösesten Clowns, der jemals über die Welt kam, mit Sätzen, so schön, dass man sie sich neben das Bett pinnen möchte. «Sei wahr, sei tapfer, steh auf. Alles andere ist Dunkelheit.» – «Es ist schön zu denken, dass die Sterblichkeit allen Mut erklärt – und auch die Liebe.»
Sätze, die mit tröstlicher Melancholie Einhalt gebieten im irren Getriebe und Gelächter der Welt. Sätze von Stephen King. Aus «Es». Oder «It». Sätze aus der zweiten Hälfte von Kings Horror-Epos. Das jetzt seinen eigenen Film erhalten hat. «It Chapter Two». Das Sequel zum letztjährigen «It»-Remake, das mehr Leute im Kino sehen wollten als jede andere Stephen-King-Verfilmung vorher.
Um es vorweg zu nehmen: Die schönen Worte mit der Wirkung einer schweren schwarzen Wolldecke in einer Winternacht fallen im Sequel (wieder unter der Regie von Andy Muschietti) nicht. Stephen King hat das Buchende fürs Kino etwas umgeschrieben, etwas handlicher gemacht. Hat den Nebel des Vergessens gelichtet, der sich im Buch über alles legt und die Schrecken von Derry so sehr verschleiert, bis die Betroffenen nicht mehr wissen, ob sie jemals stattgefunden haben oder bloss geträumt sind.
Oder anders: 2016, also 27 Jahre nachdem sieben Freunde in Derry, Maine, den menschenfressenden Clown Pennywise (Bill Skarsgård, noch immer die beste Besetzungsidee ever) zur Strecke gebracht haben, taucht dieser wieder aus der Kanalisation auf. Beisst einen jungen Schwulen (gespielt von Regisseur Xavier Dolan), der von Derrys rechtem Mob verprügelt und in den Fluss geworfen wurde, zu Tode. Und ein Kind verschwindet.
Mike (Isaiah Mustafa), der einzige der sieben sogenannten «Loser», der in Derry geblieben ist, ruft die andern zusammen. Sie kommen. Stotterer Bill (James McAvoy), der einst so dicke Ben (Jay Ryan), die schöne Beverly (Jessica Chastain), der lustige Richie (Bill Hader), Hygienefetischist Eddie (James Ransone). Nur Stanley fehlt. Für ihn ist die Konfrontation mit der Vergangenheit zu viel. Lieber schneidet er sich die Pulsadern auf.
Mike ist Bibliothekar und ein besessener Lokalhistoriker in Sachen Horrorclown geworden. Er glaubt an schamanische Rituale und besitzt eine Art Lampenschirm, mit dem er Pennywise einfangen will. Ein paar der andern sind jetzt erfolgreich. Bill ist Stephen Kings Alter Ego, also Bestsellerautor, und wird gerade auf einem Filmdreh gezwungen, sein eigenes Ende umzuschreiben. Eddie besitzt einen Limousinenservice und eine Frau, die seiner Mutter gleicht, jener Kolossin, die ihm erfolgreich allerlei Krankheiten einredete. Ben ist ein Architektenguru. Richie ein Komiker mit schlimmen Angstzuständen. Beverly – im Buch Designerin – eine missbrauchte Frau. Kurz: Alle ausser Ben bräuchten wirklich dringend eine Therapie. Was sie in Derry kriegen.
Was die Freunde sehen, sehen nur sie – und wir natürlich. Ein Glück, denn die Ausstatter und Computer-Animateure haben alles gegeben und mit kindlicher Freude und Fantasie kleine und grosse Monster, diverse Spukhäuser, traumhafte Arrangements aus roten Ballonen und ein Spiegelkabinett des Vollgrauens geschaffen: Noch nie schleckte eine Zunge unheimlicher über Glas als die des Clowns. Und nie mehr werden wir nach diesem Film einen Glückskeks ohne Furcht aufbrechen können.
Von den grossen Schrecken wie der Blutflut, der sich Beverly erneut stellen muss, ganz zu schweigen. Wochenlang musste die arme Jessica Chastain dafür wieder und wieder in klebriges Rot abtauchen, dabei hatte sie gehofft, die Szene an einem Tag hinter sich zu bringen. Ach ja, und wer unter Arachnophobie leidet – nach diesem Film wird es eher noch schlimmer, der Clown verwandelt sich, so will es ja das Buch, natürlich auch noch in etwas Spinnenbeiniges.
Auch ihre Rituale, mit denen sie dem Bösen begegnen, werden immer einfacher und formelhafter. Denn nur wenn sie zu jenem Punkt zurückfinden, an dem ihr Leben auf der Schwelle von Unschuld zu Schuld stand, finden sie genug Kraft, um Pennywise zu überwältigen.
Nur gemeinsam sind sie stark. Und natürlich sind sich Stephen King, Andy Muschietti und der Cast völlig einig darin, gegen wen sich die Menschen heute denn gemeinsam stark machen sollten: gegen jene Kräfte, die andere in die Abflussrinne der Gesellschaft bugsieren. So wie einst Bills Bruder Georgie, mit dessen Tod im Abwasserkanal «It» begann.
«You lied and I died» schreit Georgies Gespenst jetzt seinem erwachsenen Bruder wieder und wieder entgegen. Du logst und ich starb. Ein Schlüsselsatz über Schuld und Unschuld, den sich nicht nur die Clowns dieser Welt merken sollten.
«It Chapter Two» ist ab dem 5. September im Kino zu sehen.
Ok, Trump ist definitiv ein Horrorclown.. 😁, aber diese Filmkritik als ‘Neuen Artikel zum Thema Donald Trump‘ zu bezeichnen, ist mutig.. 🤪