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Er will mal in einem «Batman» den Joker spielen. Er trägt ein riesiges Dumbledore-Tattoo auf seinem Arm. Er modelt für Louis Vuitton und Karl Lagerfeld. Er ist hyperaktiv. Er hasst Hipster. Er war ein böses Kind. Und: Er brauchte bloss 87 Tage. Dann war die Milliarde geknackt. Der bisherige Rekordhalter hatte dazu 158 Tage gebraucht. Der bisherige Rekordhalter war Psy mit «Gangnam Style». Doch seit einer Woche regiert Xavier Dolan mit «Hello» das Reich der 16 milliardenfach gesehen Musikvideos auf YouTube. Xavier Dolan? Nein, natürlich Adele.
Of course this is happening in your head, Harry, but why on earth should that mean that it is not real? pic.twitter.com/Z8MhDAKFTl
— Xavier Dolan (@XDolan) 7. Januar 2016
Xavier Dolan ist der 26-jährige, supercharmante kanadische Regisseur, der gemacht hat, dass wir «Hello» nicht nur so gerne hören, sondern auch schauen. Aber wieso bloss? «Hello» ist schliesslich ein schlichter Videoclip, weder lustig, noch nackt, es gibt weder Action noch Tanzeinlagen durchgeknallter Mädchen (Sias «Chandelier» mit Maddie Ziegler gehört ebenfalls zu den 16 Rekord-Videos). Es gibt bloss: Adele, Wald, tote Liebe und eine völlig unlogisch im Dickicht verrottende Telefonkabine.
Dolans Trick ist die Exzentrik. Nicht der Handlung, sondern der Herstellung. Er filmte «Hello» mit einer Imax-Kamera, also mit der ungefähr teuersten Kamera der Welt, die im Kino bloss für Grossunternehmen wie «Interstellar», «Hunger Games» und «Star Wars: The Force Awakens» eingesetzt wird. Eine Kamera, die mehr sieht als jedes Auge. Weshalb «Hello» so hochwertig erscheint. Weshalb «Hello» auch in einem Imax laufen könnte.
Der Rest sind wenige Akzente. Adeles ikonisches Diven-Gesicht, Adeles glamouröse Posen im Wind, die verdammte Telefonkabine ohne Empfang. Sie schreit: Abbruch aller Kommunikation! Isolation! Weltschmerz! Herzschmerz! Sie ist sentimental und romantisch und damit exakt eins dieser Bilder, die sich per Popsong auf ewig in unsere Köpfe fräsen. Das ist keine hohe Kunst, aber eine präzise.
Die Sache mit der hohen Kunst betreibt Xavier Dolan seit seinem 16. Jahr. Schliesslich ist er schneller als alle anderen. Nicht nur mit der YouTube-Milliarde. 2016 werden voraussichtlich sein siebter und achter Film Premiere haben, in einem davon – «The Death and Life of John F. Donovan» – spielt auch Adele mit. Neben Jessica Chastain, Michael Gambon (deshalb das Dumbledore-Tattoo), Susan Sarandon und Kathy Bates. Es wird ein Film über einen pädophilen Filmstar.
Denn Dolan, das böse Kind von einst, das heute so heiss geliebt wird, will zugleich den Abgrund und das Gegenteil davon, die Utopie im Liebesrausch. «Tom à la ferme» ist ein grässlicher Psychothriller über einen homophoben Farmer – Xavier Dolan spielt sein Opfer. «J'ai tué ma mère», den er mit 16 begann, und «Mommy» sind zwei Studien über die hysterische Liebe zwischen Müttern und Söhnen. «Laurence Anyways» und «Les amours imaginaires» beleuchten die zum Verzweifeln komplizierten Abzweigungen der Liebe, wenn sich die Grenzen der Geschlechter verschieben und auflösen.
Das Temperament seiner Filme: fiebrig. Ein Überschuss an Worten und Gefühlen. Das Herz sei der Schlüssel zum Kino, nicht der Intellekt, sagt er. Was für ein Kitschbruder. Seine Feinde sagen, dass er selbst in seiner ganzen Popularität, in seinen unglaublichen Festival- und Kritikererfolgen nichts anderes sei als so ein Fieberschub. Ein blosser Hype. Kann sein. Ruhig ist er zum ersten Mal in «Hello» geworden. Und diese Ruhe hat alle Rekorde gebrochen.
(sme)
Ab 4. Februar zeigt das Zürcher Kino Xenix eine Xavier-Dolan-Retrospektive.