Wegen einer Baustelle war am Mittwochmorgen die Überholspur auf der A3 in Richtung Zürich gesperrt. Der Fahrer eines Porsche Cayenne lenkte seinen sportlichen Geländewagen im letzten Moment auf die rechte Spur, streifte einen Sattelschlepper und prallte danach ins Heck eines roten Renaults.
Dieser wurde gegen das Heck eines Anhängerzugs gedrückt und zwischen den beiden Fahrzeugen zerquetscht. Für die drei Personen im Renault kam jede Hilfe zu spät. Die Leichen wurden später auf dem A3-Werkhof in Frick AG aus dem Wrack geborgen.
Am Tag nach dem Unfall steht die Identität der Opfer fest. Es handelt sich um eine 55-jährige Frau und zwei Männer im Alter von 64 und 42 Jahren aus Basel. Der Unfallverursacher, ein 45-Jähriger mit Wohnsitz im Aargau, blieb unverletzt. Die Polizei hat ihn am Mittwoch an der Unfallstelle verhaftet. Die Staatsanwaltschaft hat ein Verfahren wegen mehrfacher vorsätzlicher oder fahrlässiger Tötung eröffnet.
Normalerweise werden Unfallverursacher – sofern sie nicht verletzt sind oder Fahrerflucht begangen haben – in Polizeigewahrsam genommen und befragt. In diesem Fall wurde der Unfallfahrer nach einer Kontrolle im Spital in eine psychiatrische Klinik eingewiesen. Er habe noch nicht befragt werden können, sagte Fiona Strebel, Sprecherin der Aargauer Staatsanwaltschaft, gestern. «Wir werden dies tun, sobald er vernehmungsfähig ist.»
Warum der Mann in die psychiatrische Klinik gebracht wurde, ist unklar. «Über eine Unterbringung in einer psychiatrischen Klinik entscheidet nicht die Staatsanwaltschaft, sondern ein Arzt», sagt Strebel. Ärzte können Personen zum Beispiel in eine psychiatrische Klinik einweisen, wenn diese sich selbst oder andere gefährden.
Gemäss «Tele M1»-Recherchen könnte es sich beim Unfall auch um einen Suizid-Versuch des Unfallfahrers handeln. Der Mann sei akut suizidgefährdet gewesen und habe kurz vor dem Unfall damit gedroht, sich umzubringen. Im «Blick» sagten Angehörige, der Mann sei seit der Trennung von seiner Frau «durch den Wind» und stehe psychisch unter Druck. «Die Staatsanwaltschaft äussert sich nicht zu Mutmassungen», teilt Strebel mit.
Dass sich Menschen im Strassenverkehr das Leben nehmen, indem sie absichtlich einen Unfall verursachen, ist sehr selten. Rechtsmedizinerin Saskia Gauthier, Oberärztin am Kantonsspital Aarau, hat zusammen mit anderen Autoren solche Suizide untersucht. Sie haben die Akten aller rechtsmedizinisch untersuchten Suizide in der Schweiz zwischen 2000 und 2010 analysiert.
Von den insgesamt 4855 Fällen haben sich 53 Personen im Strassenverkehr das Leben genommen, was einem Anteil von rund einem Prozent entspricht. Es müsse aber von einer hohen Dunkelziffer ausgegangen werden, da viele Suizide als Unfall missinterpretiert würden, schreiben sie. Die Studie zeigt, dass die meisten Opfer nach einer Kollision mit einem anderen Auto oder einem Lastwagen gestorben sind. Weniger häufig fuhren sie in einen Baum oder ein anderes Hindernis.
Die Wissenschafter beschreiben das Phänomen nicht nur, sie zeigen auch mögliche Präventionsansätze auf. Die Methode sei nämlich nicht nur für den Suizidenten, sondern auch für Unbeteiligte lebensgefährlich. In 6 der untersuchten 53 Schweizer Fällen kamen unbeteiligte Personen ums Leben – das ist viermal häufiger als bei anderen Suizidmethoden.
Neue technologische Fahrassistenzsysteme könnten helfen, Suizide zu verhindern. Gleichzeitig sei es auch wichtig, Mitarbeitende des Gesundheitssystems für diese Suizidmethode zu sensibilisieren, «um insbesondere bei Überlebenden von Verkehrsunfällen die Möglichkeit eines Suizidversuchs als Unfallursache in Betracht zu ziehen».
Die Wissenschafter sind der Ansicht, dass jeder tödliche Autounfall routinemässig von einem interdisziplinären Team untersucht werden und Suizid als Grund für den Unfall mindestens in Betracht gezogen werden müsste. In Finnland wird dies bereits getan. Dort ist der Anteil der Suizide im Strassenverkehr auf fast zehn Prozent gestiegen.