Die Niederlage im Februar war krachend: Nur 38 Prozent hatten damals Ja gesagt zur Abschaffung der Emissionsabgabe auf Fremdkapital. Es war eine weitere Abstimmungsniederlage der Wirtschaftsverbände in der Steuerpolitik. Und mit entsprechend wenig Kredit gingen sie in den Abstimmungskampf um die Teilreform der Verrechnungssteuer. Auch hier setzte es eine Niederlage ab. Die Linke siegte mit einem Nein-Anteil von 52 Prozent. Die Abschaffung der Verrechnungssteuer auf Zinsen von inländischen Obligationen ist damit abgesagt. Dennoch spricht Economiesuisse-Präsident Christoph Mäder von einem Fortschritt.
Das Resultat fiel wesentlich knapper aus als noch im Februar. Dieser Steigerungslauf ist auch der Luzerner SP-Nationalrätin Prisca Birrer-Heimo nicht entgangen. Sie sagte gegenüber SRF, die Leute hätten bemerkt, dass nur wenige von der Reform profitiert hätten. Den engen Ausgang begründet sie damit, dass die Befürworter massiv mehr Mittel in die Kampagne gesteckt hätten. Zudem verwies Birrer-Heimo auf die neue Allianz zwischen dem Bauernverband, Economiesuisse, Arbeitgeber- und Gewerbeverband: «Sie haben die Reihen geschlossen.»
Tatsächlich haben die vier genannten Wirtschaftsverbände zum ersten Mal gemeinsam eine Kampagne gemacht. Drei Mal Ja und einmal Nein, lautete ihr Motto. Ja zu den beiden AHV-Vorlagen und der Verrechnungssteuer, Nein zur Massentierhaltungsinitiative. Es soll der Beginn einer langfristigen Allianz sein. Im Sommer wurde ein entsprechendes Strategiepapier publik. Darin hiess es: «Die nationalen Organisationen der Wirtschaft der Landwirtschaft haben erkannt, dass eine partnerschaftliche und verlässliche Kooperation wichtig ist, um auch künftig Mehrheiten zu finden.» Christoph Mäder formulierte kürzlich, was er sich vom Bündnis mit den Bauern verspricht: «Der Bauernverband hat eine grosse Solidarität in den eigenen Reihen. Sie sind sehr gut im Mobilisieren ihrer Leute und wir wollen davon auch mit profitieren.»
Der Economiesuisse-Präsident zieht nun eine positive Bilanz: «Bei drei von vier Vorlagen behielten wir die Oberhand». Markus Ritter, Präsident des Schweizerischen Bauernverbandes, betont zudem, dass er auf jedem Podium zur Massentierhaltungsinitiative auch noch auf den Nutzen von AHV- und Verrechnungssteuerreform für die Bauern hingewiesen habe. Die Steuerreform, so ist Ritter überzeugt, hätte dem Bund auf lange Frist mehr Steuereinnahmen gebracht - was wiederum gut für die Direktzahlungen der Bauern wesen wäre.
Birrer-Heimo wies hingegen im Fernsehen süffisant darauf hin, dass die Bauern schon verstanden hätten, dass ihnen die Reform der Verrechnungssteuerreform nichts gebracht hätte. Die Vogelscheuchen-Plakate für die Reform habe man auf den Bauernhöfen nicht gesehen. Tatsächlich ist umstritten, wie stark die Bauern für jene Vorlagen mobilisiert haben, die sie nicht direkt betrafen.
Economiesuisse-Präsident Mäder sagt: In manchen Gegenden habe die Zusammenarbeit auch bei den Plakaten funktioniert. Selbst Ritter bestätigt jedoch, dass die Bauern wenig Plakate aufgestellt hatten. «Die Plakatierung ist nicht einfach», sagt der St. Galler Mitte-Nationalrat. Denn man könne nicht neben einem Nein einfach noch Ja-Plakate für andere Vorlage aufstellen. Schliesslich habe der Autofahrer nur 1.3 Sekunden Zeit, um die Botschaft aufzunehmen.
Der Bauernpräsident betont, dass die Zusammenarbeit sowohl auf strategischer wie auch auf operativer Ebene gut funktioniert habe. Ritter wäre aber nicht Ritter, wenn er kein Verbesserungspotenzial orten würde. Der Bauernverband gilt als besonders kampagnenstark. Er wendet dafür ein 3-Phasen-Modell an. In einer ersten Phase geht es um die Informationen zu einem Thema. Danach folgt die Vorkampagne, wo ein Thema und das Narrativ gesetzt werden. Und in Phase drei schliesslich geht es nur noch um die Mobilisierung. Ritter findet, seine Allianzpartner hätten bei AHV und Verrechnungssteuer mit den Kampagnen früher loslegen müssen.
«Wir machen weiter», bilanziert derweil auch Arbeitgeberpräsident Valentin Vogt. Der nächste grosse Auftritt ist am 7. Oktober geplant. Dann wird die Bauern-Wirtschaft-Allianz verraten, wie sie im Wahlkampf mitmischen will. Über den Inhalt schweigen sich die Verbandspräsidenten noch aus. In welche Richtung es geht, ist aber nicht schwierig zu erraten. Die Verbände wollen bei den Wahlen einen Linksrutsch verhindern. Vogt spricht schon jetzt vom Parlament als labilem Gebilde. Im Nationalrat stünden 115 Bürgerliche aus SVP, FDP und Mitte 85 Linken aus GLP, SP und Grünen gegenüber. Für die Wirtschaftsverbände ist offenbar bereits diese Konstellation zu schwierig, um Interessen durchzusetzen. Noch arger soll es nicht werden.
Wahlkampf ist in erster Linie Sache der Parteien, die Bürgerlichen Parteien sind selbst Konkurrenten. Kann solch eine Allianz mehr als Symbolik sein? «Sie können sicher sein, dass ich mehr als Symbolpolitik mache», sagt Ritter. (aargauerzeitung.ch)